"Wir lernen jetzt Tschechisch"

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Karl Theodor Trojan, Besitzer der Brauerei Schrems im Waldviertel, im Gespräch: über den Imagewandel des Biers, den Heineken-Deal und die nahende EU-Erweiterung.

Die Furche: Das Image des Bieres hat sich stark gewandelt: Früher haftete ihm - im Vergleich zum Wein - etwas "Gewöhnliches" an, heute ist ein schön gezapftes Glas Bier durchaus haubenrestauranttauglich. Wie ist es dazu gekommen?

Karl Theodor Trojan: Dazu muss man einmal festhalten, dass wir 7.000 Jahre Bierkultur haben - und nur 4.000 Jahre Weinkultur. Wir haben also 3.000 Jahre Vorsprung. Aber es ist richtig, dass es Phasen gegeben hat, in denen man Bier als Getränk des "einfachen Mannes" gesehen hat. Das ist ja aber auch nichts Schlechtes - Bier soll nichts Elitäres, sondern Getränk für alle sein. Bier hat zu tun mit Geselligkeit, mit Unterhaltung, es ist gesund. Wir wollen nicht, dass die Leute viel Bier trinken, sondern dass viele Leute Bier trinken. Zum gestiegenen Stellenwert des Bieres hat sicher die heutige Angebotsvielfalt entscheidend beigetragen.

Die Furche: Man hat oft "Weintrinker" und "Biertrinker" einander gegenübergestellt. Gelten solche Typologien noch?

Trojan: Das verschwimmt immer mehr. Sie haben es selbst angesprochen: Ein Glas Pils ist ein klassischer Aperitiv zu einem guten Essen, als Digestiv eignet sich hervorragend ein schönes Glas Bockbier. Ich kenne auch viele Weinbauern, die gerne beim Weinlesen ein Bier trinken. In Wahrheit geht es - beim Bier wie beim Wein - um "gut" oder "nicht gut", das ist die einzig entscheidende Frage.

Die Furche: Früher gab es auf den Speisekarten unter "Wein" "weiß" und "rot", jeweils 1D4 oder 1D8, und unter "Bier" "Krügerl" und "Seiterl"...

Trojan: Das ist zum Glück vorbei. Wir haben da ja interessante Entwicklungen: Zum einen stellen wir eine globale Uniformierung des Geschmacks fest - die McDonaldisierung der Gesellschaft. Ein Produkt aus der Systemgastronomie schmeckt in Tokyo, in Rio de Janeiro oder in Venedig gleich. Da besteht schon die Gefahr, dass uns das Regionaltypische verloren geht. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Leute, die genau das suchen: das Besondere, das Typische. Beim Bier ist es genauso: Es gibt Biere, die sind technisch so perfekt, dass sie auf der ganzen Welt gleich schmecken. Und daneben gibt es dann viele Kleine, die sich da abheben und ganz bewusst anders sein wollen.

Die Furche: Also zwei gegenläufige Bewegungen...

Trojan: So ist es. Und wir setzen dabei natürlich auf die Menschen, die sehr bewusst essen und trinken wollen.

Die Furche: Auf dem österreichischen Biermarkt ist es im Lauf der Jahrzehnte zu großen Zusammenschlüssen gekommen. Den vorläufigen Endpunkt dieser Entwicklung markiert der Einstieg des global player Heineken bei der Österreichischen Brau-Union. Wie bewerten Sie diese Situation?

Trojan: Schon bisher war die Konzentration auf dem österreichischen Biermarkt einzigartig: Fast zwei von drei getrunkenen Bieren sind solche der Brau-Union (u. a. Kaiser, Schwechater, Zipfer, Wieselburger, Gösser, Puntigamer; Anm.). Das hat zwei Seiten: Zum einen freut man sich als Österreicher, wenn man sieht, dass ein österreichisches Unternehmen Erfolg hat. Die Strategie der Brau-Union in Richtung Osten etwa war absolut richtig. Die andere Frage ist, was das für uns bedeutet. Zunächst schlägt uns einmal Sympathie entgegen - als kleiner, privater, regionaler, unabhängiger Brauerei im Unterschied zu den großen Konzernen. Da gibt es sehr viel Rückhalt von Kunden und Wirten. Aber es besteht natürlich mittelfristig die Gefahr, dass die Markenmacht und die finanzielle Power dieses internationalen Konzerns doch dazu führen, dass der eine oder andere in den Strudel dieses Konzerns gerät.

Die Furche: Glauben Sie, dass nun auch die Marke Heineken selbst verstärkt in Österreich präsent sein wird und heimische Marken, eventuell auch solche der Brau-Union, verdrängen wird?

Trojan: Da rätselt derzeit die ganze Branche. Mittelfristig ist schon zu befürchten, dass es in Richtung weltweite große Marke geht. Also, in Osteuropa wird das sicher so sein: Dort wird sich Heineken als Marke präsentieren - da gibt es dann Heineken statt, sagen wir, Kaiser-Bier.

Die Furche: Parallel zur "Fusionitis" sind die Gasthausbrauereien wie die Schwammerl aus dem Boden geschossen...

Trojan: Die Gasthausbrauereien waren wichtig für die Branche, weil sie Vielfalt gebracht haben. Die haben gezeigt, dass Bier nicht hell und untergärig sein muss. Diesen Trend gibt es nicht nur in Österreich, der ist weltweit feststellbar. Ganz Amerika war vor 15, 20 Jahren von vier oder fünf Braukonzernen beherrscht - und als natürliche Reaktion darauf sind vier-, fünfhundert Pub-Breweries entstanden. Ähnliches gibt es in Japan, in Südamerika. Der entscheidende Punkt dabei ist: Die Menschen wollen sehen, wie "ihr" Bier gebraut wird; da kann man dann die Leute angreifen, da kennt man den Braumeister, den Besitzer etc.

Die Furche: Apropos "schauen, wie das Bier gebraut wird": Wie führt man denn die Leute an das Produkt heran?

Trojan: Es gibt eine steigende Nachfrage nach Brauereiführungen; auch Fachschulen interessieren sich dafür. Wir haben jetzt mit einer Schule ein Kochbuch entwickelt: "Kochen mit Bier" - das war die Projektarbeit einer ganzen Klasse, vom ersten Federstrich bis zu den Einbänden.

Die Furche: Ihr Unternehmen befindet sich in einer Region, welche durch die Lage am "Eisernen Vorhang" als tot galt. Nun steht die Erweiterung der Union und damit auch der Beitritt des ans Waldviertel angrenzenden Tschechien unmittelbar bevor. Wie sehen Sie diesen Veränderungen entgegen? Und: Ist es dabei von Bedeutung, dass Tschechien auch ein wichtiges Bierland ist?

Trojan: Nun, in wirtschaftlicher Hinsicht hat ja die Erweiterung schon stattgefunden. Wir haben natürlich hier einen starken Mitbewerber. Gleichzeitig werden wir auch unsere Chancen wahrnehmen: es wird Bierspezialitäten geben, an denen wir arbeiten, die auch in Tschechien verkauft werden sollen - hier wird uns zugute kommen, dass wir doch einen gewissen Vorsprung beim Marketing haben. Es ist aber auch wichtig, dass unsere Nachbarn wirtschaftlich stärker werden. Wir erleben das in bescheidenen Ansätzen im Tourismus: Das Waldviertel ist auch eine Freizeitregion geworden - mit Wellness, Golfen, Reiten, Radfahren etc.; und da sehen wir, dass die Nachbarn ein wichtiger Faktor werden. Da gibt es sicher mittelfristig einen Ausgleich für kurzfristige Schwierigkeiten.

Die Furche: Also kein banger Blick in die Zukunft?

Trojan: Was wir dringend brauchen, ist Infrastruktur. Wir haben die Nachteile der Grenzöffnung schlucken müssen - und es hat in der Politik keinen Menschen interessiert, wie wir das machen. Wenn ich mir den zögerlichen Straßenbau anschaue, die Eisenbahn... Alles in allem stehen wir gewiss vor einer enormen Herausforderung. Aber man muss flexibel sein und darf nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Meine Frau und ich lernen jetzt zum Beispiel Tschechisch. Und ich sage mir: Das, was auf uns zukommt, wird auch nicht schwieriger, als die Probleme der Vergangenheit. Wir haben Arbeitsplätze verloren, wir haben Einwohner verloren - dafür haben wir Image gewonnen, und wir haben uns neue Märkte gesucht. Ich habe lange genug an der Grenze gelebt, um über die Öffnung froh zu sein; auch darüber, dass ich für meine Kinder eine Chance sehe, dass die einmal davon profitieren werden. Zudem ist mir ein demokratisches Land als Nachbar allemal lieber als eine kommunistische Diktatur.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

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