Wir sind anders: lieber einsam als gemeinsam

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Simmering gegen Kapfenberg, das nenn’ ich Brutalität!“, meinte Helmut Qualtinger noch in den 1950er Jahren. Heute würden seinem Travnicek wohl ganz andere Duelle in den Sinn kommen: Wien gegen Vösendorf, Graz gegen Seiersberg, Linz gegen Pasching oder Salzburg gegen Wals-Siezenheim - oder kurz und knapp: Großstadt gegen Speckgürtel. Die Nachbarschaft österreichischer Städte und ihrer Umlandgemeinden ist seit den 1970er Jahren durch einen schonungslosen Wettkampf um Einwohner, Gewerbe- und Handelsansiedlungen - und damit um Steuereinnahmen und staatliche Budgetzuwendungen - gekennzeichnet.

Besonders ausgeprägt ist diese Konkurrenz in der Hauptstadtregion, da Wiens Grenzen nicht nur Gemeinde- sondern auch Landesgrenzen sind. Und spätestens an den Landesgrenzen endet in Österreich jedwede raumordnungspolitische Verantwortung. Dass diese Rivalität ein Schaden für die gesamte Region ist, hat auch die Politik erkannt - allein, die planerischen, gesetzlichen sowie steuer- und förderungspolitischen Maßnahmen zur Lösung dieses Problems fehlen mehrheitlich.

Suburbane Zersiedlungsgebiete

So haben Wien, Niederösterreich und Burgenland zwar im April 1978 ihre "Planungsgemeinschaft Ost“ aus der Taufe gehoben - in der Absicht, die Siedlungsentwicklung in der gesamten Hauptstadtregion aufeinander abzustimmen. Allerdings setzt sich das Beschlussorgan der PGO aus den Landeshauptleuten sowie den politischen Finanz- und Raumordnungsreferenten der drei Länder zusammen, ist also alles andere als ein fachliches Gremium. Der Vorsitz wechselt dabei alljährlich, wodurch jegliche Kontinuität per se unterbunden wird. Und auch Rechtspersönlichkeit hat die PGO keine, sie ist nicht einmal ein Verein mit eigenen Statuten. Dass sie so seit nunmehr 35 Jahren ein Garant für Erfolglosigkeit ist, erschließt sich von selbst und bräuchte keine Bestätigung mehr durch einen Blick auf die suburbanen Zersiedlungsgebiete rings um die Donaumetropole.

Als positive Ausnahme in Sachen Regionalplanung gilt neuerdings die Steiermark. Seit 2006 verfügt sie als erstes und bislang einziges Bundesland flächendeckend über eine rechtlich verbindliche Regionalplanung auf Bezirksebene, die einen klaren Rahmen vorgibt. Mit dem Ziel der Effizienzsteigerung und Kostensenkung drängte die Landesregierung 2009 die Gebietskörperschaften zu einer Neugliederung: Aus 17 politischen Bezirken wurden sieben Großregionen, die zeitgemäßere räumliche Einheiten darstellen, mit zusätzlichen Aufgaben betraut wurden und künftig auch als Bezugsebenen der steirischen Regionalplanung dienen.

Modell Steiermark

Die Gemeinden wiederum wurden animiert, sich zu Kleinregionen zusammenzuschließen - etwa durch eine um 20 Prozent höhere Co-Finanzierung des Landes für kleinregionale Projekte zu Lasten nicht-kooperativer Vorhaben. Von etwa 80 denkbaren Kleinregionen haben sich inzwischen rund 65 konstituiert. Ziel ist vor allem, dass die zusammengeschlossenen Gemeinden ihre technische und soziale Infrastruktur interkommunal und nicht mehr individuell planen, errichten und betreiben - aber auch ihre Raumplanung zusammen durchführen.

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