Wir sind nur Gast auf Erden

Werbung
Werbung
Werbung

Mobilität und Sesshaftigkeit

Die Logik der Sesshaftigkeit ist die Logik der Heimat. Heimat ist, wo man sich nicht erklären muss. Heimat ist aber immer prekär: geschenkt und gefährdet. In die Heimat kehrt man eigentlich immer zurück. Erst wenn man aus der ursprünglichen Geborgenheit geworfen wird wie das Kind aus dem Mutterschoß, spürt man Heimat: als ihr Fehlen. Heimat ist eben auch das, von wo aus man aufbricht.

Jesu Predigt des Reiches Gottes zielte auf die Umkehr des Einzelnen hin zu Gott in der Anerkennung der eigenen radikalen Erlösungsbedürfigkeit. Sie zielte auch auf die Sammlung des Volkes Gottes als Sammlung jener, die diese Umkehr vollzogen haben.

Jesu Sammlungsbewegung war eine Wanderbewegung. Sie riss - eschatologisch gestimmt - die Einzelnen, die sich ihr anschlossen, aus ihren bisherigen Lebenszusammenhängen und nahm sie in neue, passagere Sozialformen hinein. Gleichzeitig scheint es schon zu Zeiten des historischen Jesus ein Netz von Sympathisanten gegeben zu haben, die diesen radikalen Schritt nicht vollzogen und in ihren bisherigen Lebenszusammenhängen blieben, Jesu Reich-Gottesbotschaft aber mit großer Zustimmung und Hoffnung verfolgten.

Diese Spannung von eschatologischem Aufbruch ins Jenseits aller Bindungen und Gewohnheiten einerseits und eher ortsgebundenem Bleiben in den gewöhnlichen Lebenszusammenhängen andererseits prägt die Geschichte des Christentums bis heute. Es gibt kein Christentum ohne diese Polarität. Es braucht deshalb weder vor der "metaphysischen Heimatlosigkeit“ der späten Moderne noch vor deren Mobilitätszumutungen Angst zu haben. Zumal die Heimatlosigkeit sowieso das letzte Wort hat. Wir sind alle Migranten. Es gilt wirklich: Wir sind nur Gast auf Erden / und wandern ohne Ruh / mit mancherlei Beschwerden / der ewigen Heimat zu.

Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung