Wir und die Flüchtlinge

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Ein Freund hat Post erhalten, aus dem Libanon: "Toll", steht da, "unsere Zeitungen sind voll über euch Österreicher. Danke für eure Hilfsbereitschaft!"

Dickes Lob gerade aus jenem Land, das die schwerste Last des Dramas in Syrien und im Irak zu tragen hat. Und das nahe daran ist, an dieser Last zu zerbrechen - auch mangels Geschwisterlichkeit einer desinteressierten, zerrissenen Welt.

Aber es stimmt: Was Österreicher (und unsere deutschen Nachbarn) in diesen Wochen leisten, ist herzerwärmend. Das enorme Ausmaß an Mitmenschlichkeit in den ersten Tagen offener Grenzen hat auch im jüngsten Wirrwarr europäischer Ratlosigkeiten und im Ansturm zehntausender Flüchtlinge nicht nachgelassen. Unsere staatlichen Institutionen, die freiwilligen Sozialstrukturen und - erstaunlich - unsere großen Medien haben das Ihre dazu beigetragen.

Und doch spüren wir alle, wie instabil diese Gefühlslage letztlich ist, auch tief in uns selbst. Solidarität und Nächstenhilfe müssen sich gegen Zweifel und Ängste immer neu bewähren. Und sie bedürfen angesichts der Dimension und Unübersichtlichkeit der Geschehnisse nahezu täglich einer neuen Aufladung.

Denn auch viel Widersprüchliches kommt da in uns zutage:

Wie enttäuscht, ja empört sind wir doch über die Herzlosigkeit mancher Nachbarn - und wie froh zugleich, wenn uns ihre Stacheldraht-Zäune etwas entlasten. Wie sehr berühren uns die Marschkolonnen und die Züge voll mit verzweifelten Heimatlosen - und doch ringen wir zugleich mit immer neuen Impulsen von Angst und Abwehr: Flüchtlingsfamilien ja - aber warum so viele Männer? Frauen, Mütter natürlich ja - aber warum so viele mit Kopftüchern? Hilflos Arme ja - aber wieso haben alle Handys?

Richtungsentscheidungen

Dahinter auch die Frage: Wer ist es, der sich jetzt still ins Fäustchen lacht, wenn das so mühsam zusammenwachsende Europa angesichts dieser Völkerwanderung seine inneren Schwächen, Spaltungen und Widersprüche neu entdecken muss? Wer hat da am Ende sogar seine Hände mit im Spiel?

Und: Lassen wir da am Ende auch Menschen ins Land, die zuletzt vielleicht selbst mit Waffen unterwegs waren - für schlimme Interessen und Kriegsherren? Wer kennt schon ihre Biografien? Und: Welchen finanziellen, vor allem aber kulturellen Rucksack der Migration und Adaptation bürden wir uns da auf?

Das große Thema dieser Tage heißt: Was in uns wiegt mehr - die Mitmenschlichkeit oder die Angst?

Wehe, die Politik fände darauf nicht das richtige Wort. Wahlen stehen bevor. Für Politologen ist die Asyl- und Flüchtlingsdebatte - samt der Zufälligkeit unserer Gefühle am Wahltag - sogar zur "Schlüsselfrage" geworden. Wie nichts anderes emotionalisiert und mobilisiert sie.

Mit welchem politischen Wind - oder Gegenwind - surfen wir in diese Entscheidungen? Sie werden, mehr als wir glauben, unserem Land eine Richtung geben.

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