"Wir wollten nur spielen"

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Albert Rueprecht, Mitwirkender der Burgtheatereröffnung, im Gespräch.

Die Furche: Am 15. Oktober 2005 hat Martin KuÇsejs Inszenierung von Franz Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" ihre Wien-Premiere im Burgtheater, 50 Jahre nachdem das Haus mit diesem Stück wieder eröffnet wurde. Sie haben damals den Seyfried Merenberg gespielt. Was bedeutete die Produktion als Eröffnungspremiere fürs Ensemble?

Albert Rueprecht: Es war keine wirkliche Neuinszenierung, wir hatten den Ottokar schon im Ausweichquartier im Ronacher gespielt. Der damalige Burgtheater-Direktor Adolf Rott hat die Inszenierung von Ernst Lothar, die seit 1949 am Spielplan war, mit einem großen Teil der alten Besetzung wieder aufgefrischt. Das Bühnenbild und die Kostüme blieben gleich. Für uns Schauspieler war die Eröffnung daher künstlerisch nicht so aufregend, weil wir das ja schon gespielt hatten. Rott hatte zwar zahlreiche Striche vorgenommen, aber damit setzte er politisch und nicht künstlerisch neue Akzente. Der große Erfolg am 15. Oktober 1955 war nicht unbedingt Grillparzers Ottokar, sondern die Tatsache, dass das Haus wieder stand. Das war der eigentliche Jubelgrund. Die Aufführung können Sie sich vielleicht schon bald selbst anhören.

Die Furche: Ist die Produktion aufgenommen worden?

Rueprecht: Ja, die Aufführung ist glücklicherweise auf einer Langspielplatte dokumentiert. Preiser Records möchte eine cd damit herausbringen. Ich hatte die lp zu Hause und habe sie zum Zweck der Digitalisierung Preiser geborgt. Wenn sie die Rechte bekommen, dann wird es zeitgerecht im Oktober 2005 eine cd mit dem "König Ottokar" von 1955 geben.

Die Furche: Wie wurde das neue Burgtheater vom Ensemble wahrgenommen?

Rueprecht: Nun, für uns Schauspieler stand vor allem die neue Bühne im Mittelpunkt unseres Interesses. Die neue Bühnenmaschinerie war für uns sensationell. Das war fantastisch mit diesem Kegel, der sich in alle Richtungen drehen konnte. Rott hat als einer der wenigen die neue Maschinerie auch voll eingesetzt. Aber die alten Kollegen betrachteten das wieder aufgebaute Haus skeptisch. Sie waren an diese Nüchternheit nicht gewöhnt. Das Interieur erschien weder besonders modern noch prunkvoll, so wie man es gekannt hatte. Man hatte das Burgtheater eben mit viel Gold in Erinnerung.

Die Furche: Was bedeutete die Ottokar-Produktion für Sie persönlich?

Rueprecht: Ich selbst kam im Herbst 1954 ans Burgtheater. Für mich als junger Schauspieler war der Ottokar besonders interessant, weil ich mit all den großen Schauspielern, wegen deren ich zum Theater gegangen bin, auf der Bühne stand. Es war zwar nicht meine Antrittsrolle - diese spielte ich im Akademietheater. Dort habe ich den Konrad in Hermann Bahrs "Die Kinder" mit Inge Konradi, Werner Krauß und Raoul Aslan gespielt. In der Ottokar-Produktion beeindruckten mich besonders Ewald Balser, der die Titelrolle spielte, Judith Holzmeister als Kunigunde, Albin Skoda als Zawisch sowie Attila Hörbiger als Rudolf von Habsburg. Ihn hatte Rott umbesetzt, vorher spielte die Rolle Raoul Aslan, der bei Rott dann den Ottokar von Horneck übernahm. Aslan war ein sehr heiterer Kollege, mit ihm habe ich gern gearbeitet, auch mit Albin Skoda, der rhetorische Höchstleistungen bot. Während ich den Kollegen zuschaute, habe ich das Handwerk gelernt. Später spielte ich selbst den Rudolf von Habsburg in Forchtenstein. Da hatte ich natürlich immer Attila Hörbiger vor meinem inneren Auge. Auch den Horneck habe ich später einmal gespielt.

Die Furche: War die Ottokar- Inszenierung für Sie ein politisches Statement?

Rueprecht: Es gab zwar Überlegungen, dass die Aufführung des Ottokar monarchistische Tendenzen beschwören könnte, aber für uns junge Schauspieler stand hauptsächlich das Spielen im Vordergrund. Ambitionen, über das Theater Politisches zu transportieren, kam vor allem über das Theater "Die Scala" von Karl Paryla. Mit ihm hätte ich gerne gearbeitet, und wenn er mir eine gute Rolle angeboten hätte, dann hätte ich zugesagt. Dort war es künstlerisch sehr aufregend. Aber politisches Theater interessierte uns erst wirklich in den 1960er Jahren. Im Jahr 1955 war ich am Beginn meiner Laufbahn und wollte vor allem Theater spielen.

Die Furche: Sie sind damals als junger Merenberg als viel versprechendes Talent aufgefallen. Was war das Besondere an Ihrer Darstellung?

Rueprecht: Ich glaube, dass diese Aufnahme auch mit der guten Schauspieler-Führung durch Rott zusammenhing. Ich habe mit Rott sehr gerne zusammengearbeitet und viel von ihm gelernt. Er hatte viel Humor und war ein unglaublich temperamentvoller Regisseur. Wir sind glänzend miteinander ausgekommen, und das dürfte sich bemerkbar gemacht haben. Außerdem ist es der junge Merenberg, der am Ende in der Schlacht den Ottokar tötet, und Rott konnte sehr gut mit Massenszenen umgehen. Rott hat mit den Schauspielern wie ein Berserker gearbeitet. Ich habe danach nie wieder so brillant inszenierte Massen gesehen.

Die Furche: Hat der Merenberg tatsächlich ihre Karriere geprägt?

Rueprecht: Nun, Rott hat mich daraufhin und während seiner gesamten Direktion gut besetzt. Ich habe viel mit Paula Wessely, Annemarie Düringer, Werner Krauß gespielt und habe in der Zusammenarbeit viel gelernt. Auch mit Susi Nicoletti stand ich oft auf der Bühne. Sie hatte mich damals als Romeo im Bürgertheater (das niedergerissen wurde) gesehen. Da dort die Umbauten schlecht funktionierten und die Nebengeräusche extrem störten, musste ich unglaublich laut sprechen und mich um Deutlichkeit bemühen. Das hatte Susi Nicoletti so beeindruckt, dass sie dem damaligen Burgtheater-Direktor Josef Gielen von mir erzählte, der mich dann auch prompt ans Burgtheater holte. Wirklich prägend für mein Kunstverständnis war eine Inszenierung von Walter Felsenstein. Ich hatte unter seiner Regie Schillers "Räuber" gesehen. Das hat mich tief beeindruckt. Mit Felsenstein habe ich jedoch leider nie gearbeitet.

Die Furche: Sie sind dann unter Direktor Ernst Haeussermann vom Burgtheater weggegangen. Warum?

Rueprecht: Wir hatten gleich zu Beginn einen Wickel. Ich habe neben dem Theater viel Film gemacht und Haeussermann wollte mir keinen Urlaub dafür geben. Also habe ich mich vom Burgtheater verabschiedet, war kurz in Hamburg und bin dann ans Theater in der Josefstadt gegangen, wo ich viel Arthur Schnitzler gespielt habe. Dort habe ich dann später auch mit Haeussermann gearbeitet.

Die Furche: Werden Sie sich KuÇsejs "König Ottokars Glück und Ende"-Inszenierung ansehen?

Rueprecht: Natürlich. Ich schätze KuÇsej sehr und halte ihn für einen klugen Regisseur. Am 15. Oktober 2005 werde ich aus Traditionsgründen im Burgtheater sitzen und mich an die Wiedereröffnung vor fünfzig Jahren erinnern.

Das Gespräch führte Julia Danielczyk

Albert Rueprecht

Geboren 1929 in Wien, studierte Albert Rueprecht Schauspiel am Max Reinhardt Seminar. Sein erstes Engagement hatte er am Wiener Volkstheater als Ferdinand in Schillers "Kabale und Liebe". Anschließend war er zehn Jahre Mitglied des Burgtheaters und gehörte dann fünfunddreißig Jahre dem Ensemble des Theaters in der Josefstadt an. Rueprecht gastierte am Staatstheater Stuttgart, Hamburger Schauspielhaus, an der Kleinen Komödie in München und bei den Salzburger Festspielen. Er spielte in über fünfzig Filmen, auch in internationalen Produktionen. Unter Claus Peymann war er als Gast am Burgtheater in "Prof. Bernhardi" zu sehen. Rueprecht ist Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.

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