Thema: Bekehrungen
Als ich Ina Praetorius’ Kolumne las, stellten sich erst ein fröhlicher Wiedererkennungseffekt und dann drei nette Assoziationen ein: Was die "ziemlich neurotische Angelegenheit“ betrifft, der ich "trotzdem treu“ bleibe: Da signalisiere ich ökumenische Gemeinsamkeit.
Dann kam mir Nietzsches Satz in Erinnerung, man solle "überhaupt nicht voraussetzen, dass viele Menschen ‚Personen‘ sind“, manche seien auch "mehrere Personen, die Meisten sind keine“. "Konversion“ heißt dann nur von einer seiner "Personen“ zu einer anderen zu wechseln, weshalb es sie im eigentlichen Sinne gar nicht gibt. Dann kam mir die Verhaltensforschung in den Sinn, nach der ein Drittel der Menschheit überhaupt nicht zu irgendeiner selbstgewählten Verhaltensänderung fähig sei, ein Drittel mittelprächtig, nur ein Drittel könne es halbwegs. Und schließlich hatte ich gerade des schwulen Theologen David Bergers Buch "Der heilige Schein“ gelesen: eine Konversion vom "Anti-Konzil“ zum Konzil.
Ob Bekehrungen gefährlich sind? Oliver Roys Argumentation hat ja etwas für sich. Er legt ziemlich schlüssig dar, dass auf der Rückseite des Säkularisierungsprozesses kulturell desintegrierte religiöse Vergesellschaftungsformen entstehen. Säkularisierung und Globalisierung hätten "die Religionen gezwungen“, so Roy, "sich von der Kultur abzulösen“ und "sich in einem Raum neu zu konstituieren, der nicht mehr territorial und damit nicht mehr der Politik unterworfen ist“: ein Raum unberührter reiner religiöser Wahrheit. Und der ist tatsächlich gefährlich.
Christlich gibt es nur eine wirklich wichtige Konversion: Jene, die in Mk 1,15 gefordert wird: "Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ Und die steht für jeden, für jede immer an, immer noch aus. Wo sie hinführt? Für wen sie gefährlich ist? Das wäre herauszufinden.
* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz
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