Witz, Virtuosität und eine Lektion in Vertrauen

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Zwei Companien aus Los Angeles zeigten beim Innsbrucker Tanzsommer 2010 den menschlichen Körper in einer akrobatischen Performance und als erdigen Schicksalsträger vor dem Hintergrund der Rassendiskriminierung.

Die beiden mittleren Gastspiele des Innsbrucker Tanzsommers markierten zwei gegensätzliche Positionen: Tanz als Spiegel und Bewältigung des Lebens – und Akrobatik.

Als der Franzose Jacques Heim nach Los Angeles ging, riet ihm ein Freund, in eine Tanzschule zu gehen. Heim wurde Choreograf und gründete das Diavolo Dance Theatre. Seine Stücke mit ungewöhnlichem Ansatz sind atemberaubend, akrobatisch, poetisch. „Ich betrachte den menschlichen Körper als architektonische Struktur, ähnlich wie Leonardo da Vinci“, sagt Heim.

Legendäres Meisterwerk

Heims Kompanie, die in Innsbruck ihre Österreich-Premiere feierte, besteht aus Tänzern, Turnern, bewegungsfreudigen Schauspielern und Bergsteigern, die unter seiner Leitung die Programme gemeinsam erarbeiten. Und irgendwo muss ein experimentierfreudiger Physiker dabei sein.

Das Hauptstück spielt auf einer riesigen Holzwippe, die durch die Tänzer in Bewegung oder zum Stillstand kommt, die bis zum Anschlag geneigt wird, von der die Männer und Frauen höchst riskant in die Arme der Kollegen springen. Die kleinste falsche Bewegung, ein Zögern, ein Rutschen brächte alle in Gefahr. Auch auf und in dem großen Rad. Der Abend ist eine Lektion in Vertrauen. Rasanz, Witz und Virtuosität hat die Geschichte mit der Bank. Eine Frau will sie – im Wortsinn – besitzen, bekommt aber zu viele Neider. Dem Medium Tanz am nächsten ist das Stück „Knockturne“, der Pas de deux eines Liebespaares auf einer Türe.

Der Afroamerikaner Alvin Ailey, geboren 1931 in Texas, kam als Junge nach Los Angeles, wo er seine Faszination für den Tanz ausleben konnte. Er starb bereits mit 58 Jahren an Aids, seine Stücke werden von seinen Kompanien aber bis heute aufgeführt. Das Meisterwerk „Revelation“ von 1960 ist längst Legende, half wie andere Choreografien Aileys auf Tourneen, den Modern Dance zu verbreiten, und wurde nun in Innsbruck von der Juniorcompanie „Ailey II“ getanzt. Ein faszinierendes Stück Leben zwischen Aileys Erfahrung von Rassendiskriminierung in den Südstaaten und durchbrechender Lebenslust.

Mit dem ersten Programmteil, Ausschnitten bekannter Ailey-Choreografien („Blues Suite“, „The Lark Ascending“) tat man ihm keinen Gefallen, die aus dem Zusammenhang gerissenen Szenen erreichten keine Sinnhaftigkeit. Zwischen die Ailey-Stücke schaltete sich „Valse“, eine Arbeit der amerikanischen Choreografin Sidra Bell auf einen mitreißenden Sound, den sie mit ihrem Vater Dennis kreiert hatte. Die schwarz gewandeten Tänzer demonstrierten in verschiedenen Gruppierungen und ekstatischen Stadien die Fantasie Sidra Bells, eigenwillig und nicht unoriginell, aber nicht durchwegs fesselnd.

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