Wo das Blut des Islam pochtasdasd

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Das "Tor zum Mahgreb" fasziniertmit seinen alten Königsstädten und der farbenprächtigen Landschaft.

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Das "Tor zum Mahgreb" fasziniertmit seinen alten Königsstädten und der farbenprächtigen Landschaft.

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Mit unüberhörbaren "Balek, Balek"- Rufen versuchen die Treiber, ihre vollgepackten Esel durch das Menschengewühl der Medina von Fes zu zwängen. Hier schlägt das Herz der Berber, pocht das Blut des Islam und pulsiert das Leben des Orients.

Das Labyrinth von engen Gassen und Sackgassen lässt keinen Autoverkehr zu, so dass ein Großteil des Lastentransportes auf dem Rücken der Grautiere erfolgt. Vom Borj Sud, einer im 16. Jahrhundert erbauten Festung, konnten wir uns einen ausgezeichneten Überblick über die Lage und Ausdehnung der Stadt verschaffen. Wir hatten gut daran getan, für das Begehen der Altstadt einen "guide noir" - hunderte warten auf ihr Glück - engagiert zu haben, denn in diesem völlig systemlosen Wegenetz hätten wir sehr bald, da uns über weite Strecken die Sicht zum Himmel genommen war, die Orientierung verloren. Nur wer in dieser Medina aufgewachsen ist, kann angeblich über detailierte Ortskenntnisse verfügen, einem unbedingten Muss für Polizisten, Briefträger oder Fremdenführer dieser Stadt.

Wenn auch die schlauchartigen Gassen sehr steil vom Oued-Fes auf die angrenzenden Hügel empor führen, so wird man auf Schritt und Tritt für die Aufstiegsmühen mit orientalischen Besonderheiten belohnt. Beim Begehen des Souk fühlt man sich um Jahrhunderte zurückversetzt. Streng gegliedert nach Produktionszweigen verbringen die Menschen hier in winzigen Läden, die oft mangelhaft beleuchteten Höhlen gleichkommen, an miserabel und primitivst ausgestatteten Arbeitsplätzen den größten Teil ihres Daseins. Über die Maßen beeindruckend, vielleicht gerade durch die Rückständigkeit in der Produktion, ist der Distrikt der Gerber und Färber. Es gibt ein farbenfrohes Bild ab, wenn man von den benachbarten Dachterrassen auf die rundlichen Bottiche hinabblicken kann, in denen nach jahrhundertealten Methoden die Färbungs- und Gerbungsprozesse ablaufen. Fes El Bali, wie die Medina auch bezeichnet wird, ist ein einzigartiges Freilichtmuseum, das man mit der Unterstützung durch die UNESCO für die Nachkommenschaft zu bewahren versucht.

Westlich von Fes, in der fruchtbaren Hügellandschaft Plaine du Sais, zu Füßen der Ausläufer des Mittleren Atlas, liegt in einer Höhe von etwa 550 Metern die alte Königsstadt Meknes. Moulay Ismail, der grausamste Regent, den Marokko jemals verzeichnete, hatte sie im Jahre 1672 zu seiner Residenz erhoben und hierin seine Machtträume durch Monumentalbauten zum Ausdruck gebracht. Dies bezeugen heute noch unter anderem die Ruinen der Ville Imperial sowie die gigantischen Anlagen der Getreidespeicher.

Ein Ausflug ins nahgelegene marokkanische Mekka sollte nicht verabsäumt werden. Moulay Idris am Westhang des Zerhoun Massivs gilt als heilige Stadt und bedeutendstes Wallfahrtszentrum des Landes. Nach marokkanischer Sicht können sieben hierher erfolgte Wallfahrten die weite Pilgerreise nach Mekka ersetzen. Moulay Idris I., einem direkten Nachkommen des Propheten Mohammed, war es nämlich im 8. Jahrhundert gelungen, die in dieser Region ansässigen Berberstämme zum Islam zu bekehren und außerdem ganz Nordmarokko zu vereinen. Die Hauptstadtfunktion wurde der Stadt nur kurz zuteil, das religiöse Zentrum des Landes ist es aber bis heute geblieben.

Marokko, das Tor zum Maghreb, konnte den Einflüssen des islamischen Fundamentalismus bis heute noch deutlich gegenhalten. Aber wie lange noch? Das Land gilt zwar innenpolitisch als stabil, unter der Oberfläche soll es auch hier bereits brodeln. Seit 1961 lenkte Hassan II., aus der Dynastie der Alaouiten, in absoluter Manier den Staat. Und er wusste bestens Bescheid um die Gefahr, die von seiten der Fundamentalisten droht, deren militante Vertreter auf zirka drei Millionen geschätzt werden.

"Zum Ruhme Allahs" Mit der Moschee Hassans II., der zweitgrößten Moschee der Welt, die nach siebenjähriger Bauzeit im Jahre 1993 zum Ruhme Allahs in Casablanca eingeweiht wurde, wollte der Monarch aber auch gleichzeitig Akzente ausgleichender Wirkung damit setzen, aber auch einen Beitrag zur staatspolitischen Stabilisierung leisten. Zirka 35.000 Handwerker, zum größten Teil Kunsthandwerker, waren an der Errichtung dieses gigantischen Sakralbaues, der ungefähr 100.000 Gläubigen Platz bietet und in einem 200 Meter hohen Minarett kulminiert, beschäftigt. Der plötzliche Tod Hassans II. im Juli 1999 brachte seinen ältesten Sohn, den 35-jährigen Sidi Mohammed, an den Thron. Er gilt als Tabubrecher und Reformer von der ersten Stunde an.

Das Atlasgebirge, das in mehreren Ketten unterschiedlicher Höhe in nordöstlicher Richtung das Land durchzieht, sorgt mit seinen weithin sichtbaren, schneebedeckten Gipfeln (Jänner) für eine durchaus alpin anmutende Kulisse. Gegen den Atlantik wird dadurch eine großflächige Hochebene abgetrennt, die den wichtigsten Lebens- und Wirtschaftsraum Marokkos darstellt. Das breite Band der Atlasketten stellt eine markante Klimagrenze zwischen absolutem Trockenraum im Süden bis Südosten und den, je nach Meernähe mehr oder weniger ozeanisch beeinflussten Regionen der Hochebenen dar.

Als wir den Col du Zad, den höchsten Übergang des Mittleren Atlas, in 2.100 Metern Höhe erreichten, hatten wir das Freizeitparadies wohlhabender Marokkaner längst passiert. Von Jänner bis Februar, wenn sich hier hart am Rand zur Sahara, im Allgemeinen der Schnee einstellt, machen die begehrten Pisten am Mischliffen sowie am Jebel Hebri dieses Gebiet zum Dorado für Wintersportler.

Hat man die Ziz-Schlucht in südlicher Richtung passiert, so beginnt sich allmählich das Tal zum Tafilalet, der größten zusammenhängenden Dattelpalm-Oase des Landes zu öffnen. Diese weitläufige Fluss-Oase, hatte in den letzten Jahren mit ärgsten existentiellen Problemen zu kämpfen. Lange anhaltende Dürren und eine weit um sich greifende Pilzerkrankung der Dattelpalmen, hatten zu einer akuten Abwanderung der Bevölkerung geführt.

Von Erfoud aus bietet sich ein Abstecher in das Vorfeld der Sahara an Mit geländetüchtigen Fahrzeugen erreichten wir nach zirka eineinhalb stündiger Fahrt, teils auf Sand-, teils auf Schotterpisten, Merzouga, eine winzige Oase am Rande des Erg Chebbli.

Fasziniert von dieser, oft bis zu 100 Meter hohen Dünenpracht, begann für uns der Wettlauf mit der Sonne. Da wir die ohnehin schon nieder stehende Sonne noch vor ihrem Untergang hinter einen riesigen, noch unberührt scheinenden Sandhaufen zaubern wollten, hasteten wir mehrere Dünenkämme hoch, bis wir endlich mit der Umgebung zufrieden waren. Anschließend bot sich uns ein großartiges Naturschauspiel der Farben, verbunden mit dem Genuss der umgebende Stille und Einsamkeit.

Rasch, wie in diesen Breiten üblich, fiel die Dunkelheit über uns, doch anmutige Klänge einer Berberkapelle drangen aus der Ferne an unsere Ohren und machten es uns somit nicht allzu schwer, den richtigen Weg zurück einzuschlagen ...

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