Wo Orient und Okzident einander berührten

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Die Ausstellung "Goldenes Byzanz“ auf der Schallaburg zeigt, wie wichtig das byzantinische Reich für die Entwicklung Europas war - auch durch die Befruchtung von Islam und Christentum.

W as wissen Sie über Byzanz? Mit dieser Frage werden die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung "Goldenes Byzanz“ auf der Schallaburg beim Eingang empfangen. Goldschätze, Kriegsschiffe und Ikonen zeigen: Byzanz -die Stadt am Goldenen Horn - gehörte nicht zu einem exotischen Orient wie aus "Tausend und eine Nacht“. Byzanz war die Hauptstadt dreier Imperien: zur Zeit seiner größten Ausdehnung gehörten Nordafrika und Ägypten, die heutige Türkei, das heutige Syrien und Teile des Irak; große Teile Italiens und des Balkan so wie das heutige Bulgarien und Griechenland zum Herrschaftsgebiet. Und: Die Bedeutung des byzantinischen Reichs als kulturelle Matrix für die Entwicklung Europas ist nicht zu unterschätzen. Deswegen vernichtet der Bürgerkrieg in Syrien nicht nur Tausende Menschenleben, sondern auch die Kultur Europas: ihre Wurzeln.

Syrien gehörte durch Jahrhunderte zu byzantinischer Herrschaft und Kultur, und die Einschüsse in den Steinen der Altstadt von Homs oder die Artillerie-Einschläge in der antiken Säulenstraße von Apameia, die Plünderung der Museen, die Zerstörung von Kirchen und Moscheen vernichten ein kulturelles Erbe, das europäische Bedeutung hat und Judentum, Christentum und Islam gemeinsam gehört. Die scharfen Grenzen und Gegensätze zwischen den Religionen und Kulturen sind eine Erfindung der Moderne, die ihre Herkunft verdrängen will.

Byzanz - Konstantinopel - Istanbul

Byzanz war der Name, den frühe griechische Siedler der Stadt gegeben hatten. Bedeutend wurde sie erst, als Kaiser Konstantin I. 324 hier die Hauptstadt des Römischen Reiches, Ost, gründete - Konstantinopel genannt, als "Neues Rom“. Später hieß die Stadt auch Istanbul, was eine verkürzte Form des griechischen "in der Stadt“ ist.

Die antike Stadt mit Hippodrom, Wasserleitung, Thermen, Foren, Ehrensäulen, Kaiserpalästen und Bildergalerien wurde allmählich christianisiert. Die Hagia Sophia etwa wurde in ihrer heutigen Form erst von Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert errichtet - nach einem Aufstand, bei dem 30.000 Menschen umkamen und größere Teile der Stadt zerstört wurden. Auch gegen äußere Gegner konnte die Stadt immer wieder erfolgreich verteidigt werden. Dazu halfen wendige Kriegsschiffe, die "Dromonen“, im Modell in der Ausstellung auf der Schallaburg zu sehen; Rüstungen nach dem Vorbild der persischen Sassaniden, den Erzfeinden der Byzantiner, und das gefürchtete "Griechische Feuer“, eine Art antikes Napalm.

Das hinderte freilich nicht, dass zunächst die Sassaniden, später dann Araber, Seldschuken und Osmanen große Territorien des byzantinischen Reichs und schließlich die Stadt selbst eroberten. Dass es dabei um einen Kampf zwischen Christentum und Islam gegangen sei, ist eine Fiktion der Nationalstaatsideologen des 19. und 20. Jahrhunderts. An der Schwächung von Byzanz waren auch die großen Handelszentren in Italien interessiert, die Venezianer vor allem. Konflikte zwischen Byzanz und den Kreuzfahrern gab es von Anfang an. Der 4. Kreuzzug, ausgelöst durch venezianische Finanz-Forderungen an Byzanz, endete mit der Plünderung der Stadt und der Errichtung mehrerer kurzlebiger lateinischer Fürstentümer auf byzantinischem Territorium.

Die byzantinische Päläologen-Dynastie, seit 1261 an der Macht, ging Ehen und Bündnisse mit osmanischen Herrschern ein - die ihrerseits "nach byzantinischem Vorbild durch Heiratsallianzen, Geiselstellungen, Tribute und Heeresfolgen muslimische und christliche Rivalen unterschiedlos an sich banden“ (Klaus Kreiser). Die militärische Hilfe, die die Byzantiner zwei Jahrhunderte später von Papst und Kaiser gegen den osmanischen Sultan Mehmed I. anforderten, blieb aus - und so wurde Konstantinopel von den Osmanen 1453 erobert. Zeitgenossen wie der Franzose Bodin sahen in den osmanischen Herrschern legitime Nachfahren der römischen Kaiser im neuen Rom des Ostens.

Byzanz war nicht nur politisches, ökonomisches und administratives Zentrum, sondern auch eine Metropole des Wissens, in der antike Traditionen fortgeführt wurden: Es gab Lehrstühle für Grammatik, Rhetorik, Philosophie, aber auch Medizin und Naturwissenschaft. Berühmt ist der "Wiener Diskurides“ in der Österreichischen Nationalbibliothek - eine illuminierte medizinische Handschrift aus dem Byzanz des 7. Jahrhunderts und UNESCO-Weltkulturerbe.

Philosophie: via Islam gen Europa

Akademien gab es aber auch im Reich der persischen Sassaniden, dem Erzfeind von Byzanz. Als Justinian I. 529 die neuplatonische Akademie in Athen als "heidnische“ Institution schließen ließ, suchten deren Mitglieder Schutz beim Sassaniden-König Chosrau I., der gegen den byzantinischen Kaiser erfolgreiche Kriege führte. Die Rückkehr der Philosophen nach Byzanz war Teil eines Friedensvertrags zwischen beiden Herrschern. Im 7. Jahrhundert eroberten die Araber das Sassanidenreich und weite Teile des byzantinischen Reichs - und waren fasziniert von deren Kultur. Persisches Hofzeremoniell und Übersetzerteams für griechische Philosophie und Wissenschaft prägten das Leben am Hof der Abbasiden in Bagdad; ähnlich auch unter den Fatimiden. In einer Zeit, wo in Europa Bücher Seltenheitswert hatten, gab es in Kairo und Bagdad Bibliotheken mit Hunderttausenden Bänden, die vermutlich öffentlich zugänglich waren.

Bis zum 14. Jahrhundert blühte zudem eine reiche Diskurs-Kultur zwischen jüdischen, christlichen und islamischen Theologen, deren Manuskripte erst seit Kurzem übersetzt und erforscht werden. Innovativ waren muslimische Forscher auch in den Naturwissenschaften: Ihre Schriften wurden von byzantinischen Gelehrten aus dem Arabischen ins Griechische übersetzt. Lateinische Übersetzungen von islamischen Gelehrten in Spanien ermöglichten den Wissenstransfer. Ohne diesen vielfältigen intellektuellen Austausch zwischen Byzanz und den verschiedenen islamischen Reichen gäbe es in Europa wohl weder Wissenschaft noch Philosophie oder Theologie in der heutigen Form.

Kreatives Zusammenspiel von Lebenswelten

Griechische Kultur und Lebensart fand sich nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in Oasenstädten der arabischen Halbinsel. Die Kultur der Spätantike prägt die Anfänge des Islam, und der Koran ist historisch als Text der Spätantike zu lesen. Die Symbolsprache der Antike findet sich in jüdischen, christlichen und islamischen Kontexten, wie Arbeiten aus Marmor oder Elfenbein, aber auch Malereien zeigen. Aus der Debatte zwischen Christen, Juden und Muslimen über die religiöse Wertigkeit des Bildes entstand im 8. Jahrhundert unter byzantinischen Theologen der "Bilderstreit“ mit heftigen innenpolitischen Folgen für Byzanz. Unter der Herrschaft des Kalifats herrschte jedoch religiöse Toleranz. Christen, die als Häretiker galten, weil sie nicht den vom byzantinischen Kaiser oder dem Papst favorisierten theologischen Ansichten anhingen, atmen unter den muslimischen Herrschern auf. So erreicht z. B. die koptische Kirche in Ägypten ihre Blütezeit unter den Fatimiden. Christliche Wallfahrtsstätten und Klöster wurden zu Orten, an denen auch Muslime Gott verehrten - wie das Katharinenkloster am Sinai. Dem hatte der Prophet selbst einen Schutzbrief ausgestellt.

Eine Kultur der Ambiguität ermöglichte das kreative Zusammenspiel unterschiedlichster Lebenswelten. Das moderne Entweder-Oder/Freund- und-Feind-Denken trägt auf seine Weise zur Zerstörung bei - statt Vieldeutigkeit nach klassischem Vorbild als schöpferische Möglichkeit zu leben.

Ausstellung und Literatur zum Thema

D ie Ausstellung "Das Goldene Byzanz & der Orient“ auf der Schallaburg beleuchtet ein wenig beachtetes Kapitel europäischer Geschichte an der Schnittstelle zwischen Okzident und Orient. Etwa 400 Exponate aus bedeutenden Sammlungen wie dem Benaki-Museum in Athen oder dem Archäologischen Institut und Museum in Sofia vermitteln einen Eindruck jener Epoche.

Weiterführende Literatur zum Thema bieten der Band "Geschichte Istanbuls“ von Klaus Kreiser (C.H. Beck 2010) sowie die 2010/11 im Verlag der Weltreligionen erschienenen Mongrafien "Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam“ sowie "Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang“ der deutschen Arabistin Angelika Neuwirth. (red)

Das Goldene Byzanz & der Orient

Schallaburg bei Melk/NÖ

tägl. 9-17 Uhr (Sa/So 18 Uhr)

bis 4. Nov. - www.schallaburg.at

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