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Trivialer Beginn der Ära Gratzer in der Josefstadt.

Weit weg und doch ganz nah: Wie durch ein Fernrohr blickt man auf die mit Ringen eingefasste Bühne, auf der es fast ständig turbulent zugeht. Viel Musik und viel Bewegung in bunten Kostümen (von Andrea Uhmann) lassen nie wirklich Langeweile aufkommen. Aber Spannung kommt auch nicht auf, dazu ist der Inhalt der ersten Saisonpremiere am Theater in der Josefstadt in Wien zu trivial. Die Zauberoper "Aline oder Wien in einem anderen Weltteil" von Adolf Bäuerle, einer schillernden Figur im Theaterleben des Biedermeier, ist ein Stück von gestern, allenfalls noch interessant für die Theatergeschichte.

Stück von gestern

Dass Hans Gratzer seine Ära als Josefstadtdirektor damit beginnt, lässt sich nur aus dem Jahresspielplan seines Hauses erklären. Es steht ausschließlich österreichische Dramatik - vom frühen 19. bis ins späte 20. Jahrhundert - auf dem Programm. Bäuerles "Aline" dokumentiert, worauf Raimund (sein "Barometermacher auf der Zauberinsel" entstand bald danach) und Nestroy aufbauen konnten und mussten. Das Werk kennzeichnet auch eine Zeit, in der eine strenge Zensur darüber wachte, dass Theater in erster Linie Unterhaltung und Ablenkung und möglichst keinerlei Sozialkritik bieten sollte.

Die Inszenierung von Philippe Arlaud, der auch für Bühnenbild und Lichtregie verantwortlich zeichnet, ist nicht museal, sondern putzt das Stück modern auf. Sie ist aber insofern werktreu, weil sie auf reine Unterhaltung setzt. Der Untertitel könnte auch lauten: "Wo Wien herrscht, entsteht eine Insel der Seligen."

Der Inhalt ist simpel: Mit Hilfe von Lissa, Schutzgöttin der Menschenfresserinsel Golkonda, herrscht dort die Wienerin Aline als Königin. Der entmachtete Kannibale Wampelino trachtet nach ihrem Thron und ihrer Zuneigung. Aline und ihre Vertraute Zilli sehnen sich nach ihren früheren Geliebten Graf Carl und Bims, die durch das Einwirken Lissas tatsächlich auf der Insel stranden. Als Lissa auch noch alle im Schlaf in die geliebte Heimat Wien zaubert, scheint das Glück vollkommen. Nun nutzt Wampelino die Chance zu einem Umsturz und nimmt alle gefangen. Schließlich löst sich aber alles in Wohlgefallen auf: Wampelino hat an der Wiener Lebensart Gefallen gefunden und reist auf Anraten von Bims mit Gefolge nach Wien, um dort Kaiser zu werden. Aline und Carl, Zilli und Bims sowie Lissa und der einfältige Wiener Nicki, Sohn des Hausinspektors Wildau, bleiben als Liebespaare auf der Insel der Seligen.

Unterhaltsamer Leerlauf

Würde das Ganze mit weniger Witz und Schwung präsentiert, wäre der Abend schwer erträglich. Doch die Darsteller scheinen, zumindest zum Großteil, ihre Hetz dabei zu haben, und das lässt die Funken bei manchen Musiknummern (von denen freilich nur wenige wie das bekannte "Kommt ein Vogerl geflogen" aus dem Originalstück stammen) überspringen. Vor allem Sandra Cervik (Zilli) und Adi Hirschal (Bims) sind hinreißend, wenn sie "Kaiserschmarrn und Wein" besingen. Auch Kurt Sobotka (Wildau) als Praterwirt und Ulrike Beimpold (Lissa) sorgen für Stimmung. Das Premierenpublikum spendete freundlichen Applaus, vor allem den Hauptakteuren einer Inszenierung, die in die Kategorie fällt: nichts versäumt, wenn man sie nicht sieht, kein verlorener Abend, wenn man sie sich anschaut.

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