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Wieder einmal wurde beim deutschen Nachbarn ein Unwort des Jahres gekürt. Den negativen linguistischen Oscar erhielt diesmal Humankapital. Nicht die unverfänglichen Bestandteile selbst sind es offenbar, die das Vokabel der öffentlichen Sprache stigmatisieren, sondern ihre Engführung und Kombination. Auch bei Menschenmaterial, Personalressourcen, Bildungsreserven, Schülerpotenzial oder Patientengut wehrt sich unser ethisches Empfinden gegen den semantischen Befund, dass menschliche Wesen zur Ware oder einem Zahlungsmittel degradiert werden, dass ihr Wert sich an der Verfügbarkeit und den Gesetzen des Marktes bemisst.

Doch alles hat seine Kehrseite: Auch Wörter lassen sich aus verschiedenem Blickwinkel betrachten. Der Christbaum von gestern wird so zum Brennholz von heute. Auch eine Brücke kann man verschieden klassifizieren: als markantes Bauwerk, als wichtiger Verkehrsweg, als Symbol für Verständigung oder nur als Wort mit sechs Buchstaben.

Vor Jahrzehnten hatte der Linguist Leo Weisgerber den Begriff des inhumanen Akkusativs' geprägt, da das neue Deutsch in Verben wie beschenken, beliefern oder beteiligen den Partner zum Objekt reduziere. Der Fachmann musste sich freilich sagen lassen, dass es doch nicht unmenschlich sein kann, die Nackten zu bekleiden oder die Gefangenen zu befreien.

In der Beurteilung des Wortschatzes sind also Vorsicht wie Rücksicht am Platz. Nicht jeder, der von einem Organspender redet, ist ein Menschenverächter oder lässt es an humanem Respekt fehlen. Umgekehrt ist gerade in diesem verbalen Sektor Behutsamkeit angesagt. Denn mit dem Begriff der Würde will pfleglich umgegangen sein, soll er nicht auf Sonntagsreden beschränkt bleiben. Andernfalls kennt man nämlich diese Lautfolge nur noch als Möglichkeitsform des Hilfszeitwortes werden.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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