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Zum 10. Todestag: Erinnerungen an den anderen Axel Corti.

Ich weiß wohl, dass Axel Corti sich vornehmlich als Regisseur und Filmemacher den Namen gemacht hat, den er verdient; aber der andere Axel Corti sollte darüber nicht vergessen werden.

Wenn ich mich erinnere, worin Axel Corti mir zuerst und bis zuletzt nahe gekommen, unter die Haut gegangen ist, so waren es weniger seine Bilder, als seine Worte. In ihnen, die keiner Übersetzung bedurften durch Schauspieler, Kameraleute, Tonmeister, in den Worten, die das Instrument seiner Stimme ausspielte, war er am persönlichsten präsent.

Die Geringschätzung des Wortes ist eine Gefahr für das Fernsehen. Sie geschieht durch Nachlässigkeit oder Inflation und scheint die These zu stützen, dass die Bilder sowieso für sich selbst sprechen müssten.

Sehr oft aber sprechen die Bilder nicht, wenn sie wortlos bleiben, oder sie sprechen ein Kauderwelsch oder sie infizieren den Zuschauer unversehens mit Emotionen, derer er mit seiner eigenen Sprachlosigkeit nicht Herr wird.

Mein Freund Johannes Neuhauser filmte vor Jahren in Rumänien, Tschechien und der ehemaligen DDR einen ersten Rückblick auf den Fall des Eisernen Vorhangs. Irgendwo in Österreich hat er damals Axel Corti aufgetrieben und ihn überredet, die verbindenden Off-Texte zu sprechen.

Es waren knappe Kommentare, nicht viel mehr als Überleitungen von einem Schauplatz zum anderen. Aber Corti gelang es in der simplen Rolle des Sprechers, dem Text den doppelten Boden, den Resonanzraum zu geben, der den Bildern standhalten konnte und den Film um eine Dimension reicher machte.

Was ist da erst über Axel Cortis eigene Texte zu sagen! Im legendären Schalldämpfer spielten sich turbulente Folgen von Sprachbildern ab, Dramen auf der Bühne seiner Stimme, Filme für Zuschauer mit geschlossenen Augen.

Kein Widerspruch zwischen Bild und Wort, keine Überwältigung des einen durch das andere: Das ist ein hoher Grad von Redlichkeit, gleich weit entfernt vom Dünkel der Belehrer wie von jener Sentimentalität, die er in seinem letzten Schalldämpfer, ausgestrahlt drei Tage vor seinem Tod, "das Gefühl der Mörder" nannte.

Nun war und ist Religion das hauptsächliche Thema meiner Vermittlungsversuche - und bei kaum einem anderen Thema stellen sich so schnell schiefe Töne, erhobene Zeigefinger und falsche Sentimentalitäten ein. Die Ideologien aller Färbungen, diese Halbschwestern der Religion, verwenden gern das religiöse Vokabular und tarnen sich mit Bildern von all dem, was Menschen heilig ist. Gegen ihre Verführung hilft die Achtsamkeit auf die Sprache, die Steigerung der Sensibilität für das Wort, und sei es bis zur quälenden Allergie.

Unvergessen ist diese Achtsamkeit in Cortis Moderationen des Club 2. Er war einer von denen, die den alltäglichen Lügen, an die wir uns schon gewöhnt haben, öffentlich widerstand. Aber das verzehrt Energie. Als ich ihn zuletzt sah, war er schon krank: Er flog nach Prag und drehte an seinem Radetzkymarsch, der nicht mehr fertig werden sollte.

Mein Vorschlag wäre, den Namen Corti zum Qualitätsmaßstab zu machen. Warum sollen nur in Physik und Chemie die Maßeinheiten nach ihren Erfindern benannt werden? Ein Corti - das könnte in Zukunft eine neue Qualifikationseinheit für Sendungen sein. Sie wäre nur im Idealfall zu erreichen, aber es müsste Jubel herrschen, wenn eine Produktion über 0,5 Corti kommt, und die Redaktion müsste sich anderseits sofort zu Exerzitien zurückziehen, wenn sie unter 0,3 Corti absteigt.

Denn dieser Name ist für mich ein Maßstab für die Redlichkeit des Denkens, das in der Genauigkeit des Wortes hörbar wird und die Bilder zum Sprechen bringt.

Der Autor ist freier Journalist und leitete die Religionsabteilung im ORF-Fernsehen. 1998 war er der erste Träger des damals nach Axel-Corti benannten Preises der Österreichischen Volksbildung.

TV-TIPP:

WARST DU AXEL CORTI?

Zum 10. Todestag am 29. Dezember

28. Dezember, 23.15 Uhr, ORF 2

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