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Zur Jahresbilanz gehört auch die sprachliche Diagnose. So hat das Grazer "Projekt Österreichisches Deutsch" zusammen mit der APA und einer Fachjury unlängst das Wort wie das Unwort 2002 bestimmt. Dass sich diese österreichische Initiative von dem bundesdeutschen Unternehmen abkoppelt, macht Sinn und soll nicht mit Chauvinismus oder Provinzialismus verwechselt werden. Denn die "Wahlsieger" des Nachbarstaates aus vergangenen Jahren sind uns ziemlich fremd (Diätenanpassung, Rentnerschwemme, Wohlstandsmüll) oder wirken allenfalls skurril (sozialverträgliches Frühableben).

Zum Spitzenwort 2002 in Österreich wurde Teuro gewählt, und das aus guten Gründen. Es greift ein sachliches Problem auf und hat als Neologismus eine schnittige Passform. Als Einkreuzung und Verschmelzung zweier Vokabel erinnert es an erfolgreiche Bildungen aus anderen Bereichen: an das Wollbehagen der Werbung, den Herminator des Medienjargons, den Brunch in der Gastronomie.

Beim Begriff Unwort stutzt man zunächst: Was steht da im Vordergrund - die missglückte Form, die unpassende Verwendung oder die schlimme Semantik? Bei den drei Spitzenreitern der österreichischen Kür haben wohl jeweils andere Kriterien gewirkt: Schurkenstaat verunglimpft politische Kollektive pauschal und Rückkehrberatung beschönigt als Euphemismus die Ausgrenzung unerwünschter Asylanten. Eindeutiges Unwort des Jahres aber wurde gar kein Wort im engeren Sinn, sondern ein mehrteiliger Ausdruck: Rücktritt vom Rücktritt. Was einmal mehr zeigt, wie sehr ein einziger Politiker noch immer die Köpfe irritiert. Wer es nicht glaubt, der sei zur Bestätigung auf den Spruch des Jahres 2002 verwiesen: Bin schon weg - bin schon wieder da!

Der Autor ist Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Salzburg

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