Wovon Bühnenbilder erzählen können
Das Wiener Theatermuseum lüftet Geheimnisse der theatralen Verwandlungskünste und entführt in historische Epochen - über tausend Bühnenbildmodelle hat das Haus gesammelt und zeigt einige nun in der Schau "Der magische Raum".
Das Wiener Theatermuseum lüftet Geheimnisse der theatralen Verwandlungskünste und entführt in historische Epochen - über tausend Bühnenbildmodelle hat das Haus gesammelt und zeigt einige nun in der Schau "Der magische Raum".
Bühnenbildmodelle sind kleine Kunstwerke, Miniaturen von (Spiel-)Räumen und architektonischen Entwürfen. Sie dienen einem pragmatischen Zweck: Der Gestaltung der Bühne, des Theaters. Dieses unterliegt komplexen und komplizierten Bedingungen, es braucht Schauspieler, Raum und Zeit. Das macht es kostspielig und aufwändig, dennoch bleibt es flüchtig: Der Reiz des Theaters liegt im ephemeren Ereignis von gemeinsam Erlebtem.
Im Bedürfnis, den Augenblick festzuhalten, versucht das Wiener Theatermuseum auf vielfältige Art das Einzigartige, Einmalige zu fassen. Zur Dokumentation sammelt es Fotografien und Zeichnungen, Tonaufnahmen und Bilder, Briefe, Manuskripte und Kritiken, Gemälde und Objekte. All die Dokumente beschreiben nicht nur das Theater und seine Inszenierungen, sie sind auch selbst Ausdruck ihrer Zeit, Spiegel ästhetischer Erscheinungsformen, inhaltlicher Linien und kulturpolitischer Bewegungen. Zumeist bedienen diese Exponate Personalen, wie etwa zuletzt jene über Václav Havel, Stefan Zweig oder Thomas Bernhard, oder themenbezogene Ausstellungen, beispielsweise über das Barock-oder das Papiertheater, das russische Ballett oder die Geschichte Europas.
Nun ist die aktuelle Schau "Der magische Raum" einem besonderem Sammelgebiet gewidmet, nämlich den Bühnenbildmodellen. Über 1000 Objekte beherbergt das Theatermuseum und nimmt damit auch international eine einzigartige Rolle ein.
Sieben Themeninseln
Organisiert ist die Ausstellung als Insellandschaft, navigiert wird das Publikum mit multimedialen Informationen. Die Zeit des Spielgeschehens im Stück dient als ordnendes Prinzip: So sind nicht nur Aischylos' "Agamemnon" oder Sophokles' "Elektra" auf der "Insel Antike" zu finden, sondern auch William Shakespeares "Julius Cäsar", Oscar Wildes "Salome" oder George Bernard Shaws "Cäsar und Cleopatra". Die Problematik der Stücke lebt weiter, die optische Umsetzung der Themen zeigt den Geist der Zeit und das jeweils aktuelle gesellschaftliche Interesse.
Die Antike bildet eine von sieben Themeninseln, die "ergangen" werden müssen. Auf den ersten Blick nämlich sind die Modelle nur von der Seite bzw. Rückseite zu sehen, der Blick von vorne erschließt sich erst, wenn sich der Besucher in die Inselgruppen hineinwagt und selbst Teil der -einander zugewandten -Modelle wird. Neben der Antike begegnet der Museums-Besucher auch dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock, der Romantik und der Gegenwart.
Zwei Sonderinseln flankieren die chronologische Sortierung: Mythen und Märchen heben in die Welt des Fantastischen ab, Revolutionen beschäftigen das Theater epochenunabhängig. Der Fokus bleibt streng bei den Modellen, die von renommierten Bühnenbildnern stammen, wie etwa von Alfred Roller, der u. a. die Salzburger Festspiele mitbegründete, Emil Pirchan, dem Wegbereiter des modernen Bühnenbildes, oder Bernhard Hammer, der auf ungewöhnliche Weise die Gesetze der Schwerkraft in Frage stellt.
Neben Entwürfen der berühmten italienischen Dynastie der Galli Bibiena, die über Generationen als Baumeister, Maler und Theaterausstatter wirkten, trifft man im "magischen Raum" auch auf unerwartete Künstler, deren Bühnenarbeiten kaum bekannt sind, etwa die Malerin Xenia Hausner oder den Bildhauer Fritz Wotruba.
Wer Informationen zu ihnen und den vielen anderen Bühnenbildnern, zu den Stücken oder weiterführende Hinweise sucht, der bekommt allerlei Rüstzeug angeboten, vor allem das Begleitheft, das - ganz theatral - den Titel "Libretto" trägt.
Kreativ, elegant, verspielt und mit Ironie gelingt den Ausstellungsgestaltern Karin Müller-Reineke und Gerhard Vana eine ideale Lösung zur Umsetzung.
Die Kuratoren Ulrike Dembski und Rudi Risatti zeigen eine Auswahl, die sich rasch erschließt, aber auch zur intensiven Auseinandersetzung einlädt. Selten bieten Ausstellungen so viele Facetten, gleichermaßen für interessierte Laien wie auch für Experten. Dies gilt auch für den gleichnamigen Katalog, der bereits 2015 - während der langen Vorbereitungsarbeiten - bei Holzhausen erschienen ist.
Der magische Raum Bühne - Bild - Modell
bis 12. Februar 2018, Theatermuseum Montag bis Sonntag 10-18 Uhr www.theatermuseum.at
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