Wunderwerke und Mordmaschinen

Werbung
Werbung
Werbung

Von frühen Automaten zu virtuellen Welten: Ausstellung im Technischen Museum.

Den Vorfahren zur Ehre, den Lebenden zur Lehre": Dass der im historischen Motto des Technischen Museums Wien zum Ausdruck kommende Geist einer intensiven Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Technik und Spiel nicht gerade zuträglich war, liegt auf der Hand. Dabei bestehen zwischen Technik und Spiel seit jeher vielfältige Bezüge. Die Einbettung der Technikgeschichte in ihren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kontext, die Nutzung der Kulturtechnik des Spielens für immer mehr Bereiche der Arbeitswelt und die immer größere Bedeutung virtueller Welten und Simulationen haben zu einer verstärkten wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema "Spiel" geführt. Die Ausstellung Spiel mit Technik im Technischen Museum Wien ist eine Folge dieser Entwicklung.

Die Schau führt vor Augen, dass die Technisierung des Spiels im Laufe der Zeit in ähnlichem Maße zunahm wie jene des Alltags. Eingangsexponat ist die Allesschreibende Wundermaschine von 1760 des Wiener Hofmechanikers Friedrich von Knaus, ein kunstvoller barocker Automat, der das mechanistische Weltbild seiner Zeit widerspiegelt: Gesteuert durch eine Stiftwalze - wie bei einer Spieldose - schreibt eine allegorische Figur mit einer Schreibfeder Worte und Sätze auf Papier. Am anderen Ende der Zeitskala steht ein moderner Bar-Roboter, der den Besuchern (nichtalkoholische) Getränke mixt. Die Maschine hat so gar nichts Menschenähnliches mehr an sich, im Gegensatz zu den ebenfalls präsentierten historischen Spielzeugrobotern im Stile des liebenswerten Blechtrottels.

In der gemeinsam mit dem Deutschen Technikmuseum Berlin entwickelten und in Wien um zahlreiche Exponate erweiterten Schau sind zahllose Beispiele für das - doppeldeutig formulierte - Spiel mit Technik zu sehen: Spielautomaten, Tretautos, Technikbaukästen, Dampfmaschinen, frühe Computer, sogar ein Autodromfahrzeug oder in Afrika aus Abfall hergestelltes Technikspielzeug. Natürlich fehlt auch die Modelleisenbahn, einst Inbegriff technikvernarrten Spielens, nicht: Gezeigt wird eine der ersten Modellbahnen aus den 1820er Jahren, die niemand Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe seinen Enkeln schenkte.

Goethes Gouillotine

Als der Dichterfürst 30 Jahre zuvor seinem kleinen Sohn das Modell einer Guillotine zum Geschenk machen wollte, geriet er mit seiner Mutter aneinander, die sich den Kauf einer "solchen infamen Mordmaschine" verbat. Kriegsspielzeug fehlt freilich nicht in der Schau, angefangen von Torpedobooten bis hin zu modernen Ego-Shootern, bei denen - in hohen Konsolen, außer Sichtweite von Kindern - sich ein Kämpfer eine blutige Spur durch eine virtuelle Welt bahnt.

Bemerkenswert ist, dass viele physikalische Phänomene, bevor sie wissenschaftlich erforscht und ernsthaft genutzt wurden, zunächst nur der Unterhaltung und dem Spiel auf Jahrmärkten dienten. Elektrisiergeräte boten Nervenkitzel im wahrsten Sinne des Wortes, lange bevor die Elektrizität Forschungsgegenstand wurde. Die Camera obscura - eine Schachtel mit einem kleinen Loch, durch das sich ein Stück Wirklichkeit an der gegenüberliegenden Wand spiegelt - nahm die Fotografie vorweg. Und mit der Laterna magica wurden schauerliche Bilder auf Rauch- und Nebelschwaden projiziert, lange bevor die Technik der Projektion bei Filmvorführungen oder Diaschauen zum Einsatz kam. Gut möglich, dass die genannten Apparate unterschwellig ein neues Bewusstsein über die technische Beherrschbarkeit der Natur durch den Menschen erzeugten.

Spiel mit Technik

Vom barocken Automaten zu Roboter und Computerspiel

Technisches Museum Wien

Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien

www.tmw.ac.at

Bis 18. 11. Mo-Fr 9-18, Sa, So und Feiertage 10-18 Uhr

Katalog: Spiel mit Technik. Hrsg. von Stefan Poser, Joseph Hoppe, Bernd Lüke. Koehler & Amelang, Leipzig 2006

240 Seiten, brosch., € 19,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung