Xenia Hausner springt dir ins Gesicht

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Malerei als Kampfansage an Beliebigkeit und Gleichgültigkeit.

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Malerei als Kampfansage an Beliebigkeit und Gleichgültigkeit.

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Die Bilder von Xenia Hausner überfallen, springen dem Beschauer ins Gesicht, faszinieren, irritieren aber auch zunächst. Man muß sie eine ganze Weile betrachten, um dieser Irritation auf die Spur zu kommen. Eine Erklärung, die dafür in Frage kommt, ist der Gegensatz, oder sagen wir lieber: die Arbeitsteilung zwischen der aggressiven Farbigkeit, der expressiven Wucht und den oft gewaltigen Formaten ihrer Bilder - und der außerordentlichen Feinfühligkeit und psychologischen Subtilität dieser Malerin. Eine seltene Verbindung.

Mit dieser ihrer Feinfühligkeit und Subtilität hat Xenia Hausner eine hochempfindliche Antenne für Zeitströmungen, Lebensgefühl, Zeitgeist. Ihre Bilder sind nicht nur durch die Malweise, sondern durch ihre Weltsicht, als Bild des Menschen, auf aufregende, oft schockierende Weise von heute. Man wird an ihnen in 50 Jahren die Verfassung des heutigen Menschen so deutlich ablesen können wie aus der heute entstehenden Literatur, bloß daß die literarischen Zeugnisse so zahlreich sind wie, nun, nicht gerade Sand am Meer, während man für die Maler, die sich dem Zustand des homo sapiens widmen, nicht einmal die Finger einer Hand braucht.

"Winterreise": Eine starke, aber in diesem Augenblick offenbar schwache Frau umarmt einen alternden Mann, der die Hände hilflos hängen läßt und den langsam kahl werdenden Kopf halb von ihr abwendet, wir sehen ihn von hinten: Ein so zeitloses Thema wie der Abschied, so in die heutige Situation gestellt und emotional so aufgeladen, kann man anderswo lang suchen. "Eine Künstlerehe": Ob der Mann und die Frau aus einem tiefen, von Symbolen durchschwirrten Raum nun den Betrachter an- oder in die Zukunft blicken, sie scheint noch eher auszuhalten, was sie sieht, als er mit seinen aufgerissenen Augen über dem hinter der Hand verborgenen Mund. Ein Bild wie "Der Himmel voller Geigen" konnte wohl nur eine Frau malen, gerade weil es soviel Wissen über den Mann verrät. Die nebenstehende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus der 1,52 mal2,22 Meter großen, auf Papier gemalten und auf Leinwand kaschierten Skizze I. In Version III erfährt der Ausdruck des Mannes noch eine erhebliche Steigerung, die Frau ist nun vollständig in eine rote Decke eingepackt.

Die 1951 in Wien geborene Xenia Hausner, die 1992 eine erfolgreiche Theaterkarriere als Ausstatterin abrupt beendete, um zu malen, verdankt dem Theater immerhin zwei wichtige Dinge. Sie hat keine Angst vor großen Flächen, sondern im Gegenteil eine Vorliebe für überlebensgroße Formate. Dreieinhalb Meter hoch ist das heuer entstandene Bild "Orientexpress" mit drei Frauen, übereinander in drei Kojen: Sie füllen das riesige Format nicht nur, sondern scheinen es noch zu sprengen, fast wie in den Werken der mexikanischen Wandmaler der dreißiger Jahre. Ebenfalls im Theater schulte sie ihren Sinn für Inszenierungen, für die Umgebungen, in die sie ihre Figuren stellt, Situationen. Sie ist eine interessante Porträtistin, aber auch als Porträtistin am besten, wenn sie das Gesicht zur Situation sucht, einen Menschen in die bereits konzipierte Inszenierung stellt.

Zu sehen sind die Bilder im Katalogbuch "Kampfzone". Leider geht Xenia Hausners gleichnamige neue Ausstellung auf dem Weg von Berlin nach Sankt Petersburg und New York an Österreich vorbei. Doch dank mehreren Sponsoren, darunter auch die Republik Österreich, liegt mit "Kampfzone" ein hervorragend gedruckter und ausgestatteter Band über das Werk der letzten Jahre vor, mit reichem Bildmaterial, Beiträgen von Aleksandr Borovsky, Peter Weiermair und Herausgeber Wieland Schmied und "Erlebnisberichten" mehrerer von Xenia Hausner Porträtierter.

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