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Das erste und einzige Karikaturmuseum Österreichs wurde in Krems eröffnet.

Humor ist das vorherrschende Leitmotiv im neueröffneten Karikaturmuseum Krems, dem ersten und einzigen seiner Art in Österreich. "Lachen ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Die Karikaturen sind nicht Gebrauchsgrafik, sie sind nach kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten bewertbar", möchte Severin Heinisch, Künstlerischer Leiter des Museums, neue Publikumsschichten anziehen. Die Eröffnungsausstellung "Alles Karikatur: Das gezeichnete 20. Jahrhundert" gibt anhand von rund 200 Arbeiten einen ersten Überblick in das weite Spektrum der Karikatur. 160 Künstler werden gezeigt, international stilbildende Zeitschriften wie "The New Yorker", "Simplicissimus", "Titanic" sind ebenso zu sehen wie Paul Flora oder Alfred Kubin.

Zugpferd des Hauses aber ist zweifellos Manfred Deix. Ins Obergeschoß, bekrönt und optimal belichtet vom charakterbildenden Faltdach des Gustav-Peichl-Baus, ist "Die Welt des Manfred Deix" eingezogen. Fast 200 bissige, bitter böse Satiren aus der Produktion der letzten drei Jahre sind hier zu sehen. Unerbittlich legen sie die Wunden der österreichischen Gesellschaft frei. Wie ein Skalpell benutzt Deix seinen Zeichenstift. Pseudomoral, versteckte Frauenfeindlichkeit, Rechtsradikalismus, Kirche, Politik, Sport, Kindesmissbrauch, Gentechnik-Debatte, Atomkraftwerks-Ängste, Ausländerfeindlichkeit: Deix bannt Tabuthemen auf Papier, färbt sie in Aquarellfarben. Was an Abgründen hinter der freundlichen klischeehaften Sachertorten-Fassade Österreichs schlummert, Deix legt es frei.

Zum Lachen

Dicht an dicht, hinter der witzigen Satire inhaltsschwer, hängen die kleinformatigen Bilder auf 320 Quadratmeter. Kitschige, der 70er-Jahre-Ästhetik entlehnte Plasikherzchen-Ketten in Pink, Rot und Orange führen ins "Erotik-Kabinett". Rot ausgemalt, widmet sich der 15-Quadratmeter-Raum exklusiv der Deix'schen Interpretation des Österreichischen Sexuallebens mit diversen Spielarten intimer Praktiken. Erotik in verschiedenster Form findet sich auch in den restlichen Arbeiten. Die "Seitenblicke-Clique", "Konflikte in der Kirche", der "Rechtsextremismus-Fragebogen", "Tricks, mit denen Kampfhundebesitzer ihre Lieblinge behalten können" oder "Der verliebte Präsident" lassen laut auflachen, bei anderen Bildern bleibt das Lachen im Hals stecken. Ein Gang durch das Deix'sche Schaffen ist wie eine Zeitrafferfahrt durch das Gruselkabinett innenpolitischer Aufreger der letzten drei Jahre, seine Acrylbilder zeigen Deix als ausdrucksstarken Maler.

Am Schnittpunkt zwischen Kunst, Journalismus, Gesellschaftskritik und Unterhaltung reflektiert die Karikatur wie keine andere Kunst unmittelbar die Probleme ihrer Gegenwart. Sie als Kunstform ernst zu nehmen, kann ein fruchtbarer Ansatz mit hoher Breitenwirkung sein. Als Bestandteil der Populärkultur ist sie unmittelbar verständlich. "In unserem Museum soll man lachen", meint Direktor Heinisch.

Den ersten Schmunzelfaktor hat Architekt Gustav Peichl schon in die die Fassade hineinentworfen: spitze Zacken bilden gleichsam die Karikatur einer Dachlandschaft. Unter der spitzesten Zacke bilden zwei quadratische Fensterlein mit einem roten Würfel darunter ein freches Gesicht. Dem markanten "Haarschopf" folgt das geneigte Faltdach dahinter aber nicht. Peichl hat dem Karikaturmuseum sein Logo und Maskottchen auf den gebauten Leib geschneidert. "Dieses Haus ist bescheiden, aber ohne Verzicht auf Originalität. Ich bin gegen die Schachtelarchitektur, ich bin ein Anhänger der historischen Dachlandschaften, wie man sie in Salzburg, Graz oder in Krems/Stein findet", erklärt Peichl seine auf die Spitze getriebene Faltdachkonstruktion. "Ich bin im Nebenerwerbsberuf Karikaturist" konnte der vielbeschäftigte Architekt der Versuchung, in Krems das erste und einzige Karikaturmuseum Österreichs zu entwerfen, nicht widerstehen.

Omnipräsenter Deix

38,5 Millionen kostete der Neubau mit hohem Wiedererkennungswert. Er trägt Peichls Handschrift: weder sensationell, noch avantgardistisch, dafür pragmatisch, funktionell, freundlich und gediegen. Zwei Deix-Skulpturen am Vorplatz haben Signalwirkung, die Glasfassade im Erdgeschoßbereich lässt in den Museumsshop blicken, hinter dem Eingang lockt nochmals eine Deix-Skulptur. "Nicht der Architekt, die Kunstwerke und der Inhalt sollen Stars des Hauses sein", meint Peichl. Im "Ironimus"-Kabinett im Erdgeschoß mit Peichls Karikaturen der 50er und 60er Jahre wird der Architekt so selbst zum Star.

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