Zauberhaft poetisch und messerscharf

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Eine der besten Ausstellungen des zu Ende gehenden Kunstjahrs: die William-Kentridge-Schau in der Albertina. Sie konzentriert sich auf fünf Themenkomplexe - gesellschaftspolitische wie kunsthistorische -, die den Künstler die letzten drei Jahrzehnte beschäftigt haben.

In den 1990er Jahren tauchte William Kentridge plötzlich bei den europäischen Kunstgroßereignissen wie der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig auf. Und sorgte für Furore. Denn mit seiner gleichermaßen "altmodischen" wie aktuellen und politisch brisanten Kunst stellte er vieles in den Schatten, was um ihn geschah. Danach ging es Schlag auf Schlag. Ausstellungen und Auszeichnungen häuften sich, und die Preise seiner Arbeiten schnellten in die Höhe. Erst kürzlich wurde William Kentridge mit dem renommierten Kyoto-Preis geehrt.

Geboren wurde Kentridge 1955 in Johannesburg, wo er heute noch lebt und arbeitet. Zunächst studierte er Politik und Afrikawissenschaften, später Kunst und schließlich auch Schauspiel und Theater. Bevor Kentridge 1989 mit seinen mittlerweile legendären Animationsfilmen begann, war er Schauspieler, Designer und Theaterregisseur. Der inzwischen bekannteste Künstler Südafrikas changiert auch heute noch zwischen den Disziplinen. So machte er im heurigen Frühjahr mit einer aufsehenerregenden Inszenierung von Dmitri Schostakowitschs "Die Nase" an der Metropolitan Opera in New York von sich reden, während das MoMA parallel dazu eine Retrospektive seiner Kunst zeigte.

Von Kolonialismus bis "Zauberflöte"

Jetzt ist diese Schau in der Wiener Albertina zu sehen - eine der besten Ausstellungen des heurigen Kunstjahrs. Während des Parcours durch die mehr als 15 Räume umspannende Werkpräsentation in der obersten Etage der Albertina wird man anhand von Zeichnungen und Filmen immer mehr in die zauberhaft poetische und zugleich messerscharfe Welt Kentridges gezogen.

Die Ausstellung konzentriert sich auf fünf zentrale Themenkomplexe, die Kentridge die letzten drei Jahrzehnte beschäftigt haben. Sein breites Spektrum umfasst gesellschaftspolitische Themen wie die Folgen des Kolonialismus genauso wie kulturhistorische. So befasst er sich in neueren Werken mit Mozarts "Zauberflöte" oder der Formensprache der russischen Avantgarde.

Ausgangspunkt von Kentridges Filmen ist immer die Zeichnung. Er selbst nennt seine Arbeitsweise "steinzeitliches Filmemachen" und schließt an die großen politischen Zeichner wie Honoré Daumier oder George Grosz an. Seine charakteristischen Kohlezeichnungen, in denen das Ausradieren eine große Rolle spielt, bringt er durch eine "Stop-Motion-Technik" in Bewegung. Insofern ist die Albertina ein idealer Ausstellungsort, demonstriert Kentridges Kunst doch, wie zeitgemäß man mit diesem klassischen Medium umgehen kann.

Geschichten über Ausbeutung und Gewalt

Entwickelt hat Kentridge seinen improvisatorischen Stil in dem 1989 begonnenen Filmzyklus über die fiktionalen Figuren "Soho und Felix". Soho Eckstein verkörpert einen habgierigen Industriemagnaten im Südafrika der späten 1980er Jahre. Der poetische Träumer Felix Teitlebaum ist sein Alter Ego. Mittels eindrucksvollen Schwarzweiß-Bildern prangert Kentridge die Gräuel der Apartheidpolitik an. Aber er belehrt dabei nie, sondern erzählt auf elegisch-traurige und zugleich bissig-absurde Weise Geschichten über Ausbeutung und Gewalt. Besonders überzeugend ist dabei die prozessartige Herangehensweise an ein Thema, sodass man als Betrachter das Gefühl hat, mitten im künstlerischen Prozess zu sein: "Meine Bilder greifen soziale und politische Zustände auf, aber sie entstehen allmählich, beim Zeichnen. Vielleicht fange ich mit einer politischen Idee an, und am Ende geht es um einen leeren Stuhl in meinem Atelier. Oder umgekehrt."

William Kentridge. Fünf Themen

Albertina

Albertinaplatz 1, Wien 1

bis 30. 1. 2011, tägl. 10-18, Mi bis 21 Uhr

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