Zeigen, wer man ist und was man hat

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Das Mezzanin des Tiroler Landesmuseums wird zur italienischen Piazza, auf der sich Menschen begegnen, die um 1500 in Tirol den Ton angegeben haben. Dabei wird Selbstinszenierung als verbindendes Thema zwischen der Renaissance und der Gegenwart aufgegriffen.

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Das Mezzanin des Tiroler Landesmuseums wird zur italienischen Piazza, auf der sich Menschen begegnen, die um 1500 in Tirol den Ton angegeben haben. Dabei wird Selbstinszenierung als verbindendes Thema zwischen der Renaissance und der Gegenwart aufgegriffen.

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"Was anderes ist nun das Leben als ein Schauspiel, in dem jeder seine Maske vor das Gesicht nimmt, auftritt und seine Rolle spielt", schreibt Erasmus von Rotterdam in seiner Satire "Das Lob der Torheit". Das war 1509 und in den 500 Jahren seither hat dieser bedenkenswerte Satz nichts von seiner Gültigkeit verloren. Um die Rollen, die Kaiser, Kirchenmänner, adelige und bürgerliche Frauen und Männer und ihre Kinder am Beginn der Renaissance hierzulande gespielt haben, geht es in der Ausstellung "Nur Gesichter?" im Tiroler Landesmuseum. Zentral ist in diesem Zusammenhang besonders das Fragezeichen - war in dieser Zeit der Entdeckung des Individuums das Bildnis doch eine sehr spezielle bzw. exklusive Sache.

Der Besucher begegnet sich selbst

Um das dem Besucher zu vermitteln, haben sich die Kuratorin der Schau, Claudia Mark, und ihre Ausstellungsarchitektin Juliette Israel viele hübsche Details einfallen lassen. Diese stehlen den ausgestellten 130 höchstkarätigen Objekten jedoch nie die Show. Rund die Hälfte der 52 Gemälde, 24 Druckgrafiken, Zeichnungen, Schmuckstücke, Münzen und mit Porträts geschmückten Medaillen stammen aus dem Landesmuseum selbst, der Rest wurde u. a. aus dem New Yorker Metropolitan Museum, dem Frankfurter Städel, der Albertina und dem Belvedere ausgeliehen.

Inszeniert wird die Schau auf zwei Ebenen. Auf der unteren ist es dunkel und labyrinthisch. Der Besucher sieht sich selbst in Spiegeln oder er begegnet dem Blick von Menschen, die vor etwa 500 Jahren in Tirol gelebt haben. Die meisten der Bilder stammen von Jakob Seisenegger, Bernhard Strigel, Marx Reichlich oder Hans Maler, den Innsbrucker Hofmalern bzw. bevorzugten Porträtisten der Spitzen der damaligen Gesellschaft. Ganz auf sich selbst zurückgeworfen wird der Flaneur durch die Schau allerdings in einem kleinen Raum, der an die "Maske" von Theatergarderoben erinnert. Aufgerüstet mit Selfie-Stangen, die dazu einladen, sich auf sehr heutige Art und Weise selbst zu inszenieren.

Um Selbstdarstellung geht es letztlich auch in den Bildnissen aus der Renaissance, wo sich malen ließ, wer zeigen wollte was man hat und wer man ist - im Leben und selbst im Tod, wie die Porträts des toten Maximilian I. und von Martin Luther vorführen. Während es dem Kaiser im Leben wichtig war, mit allen Insignien seiner Macht und seiner charakteristischen Nase porträtiert zu werden, demaskiert ihn sein Totenbildnis in erschreckender Realistik als ganz "normalen" Menschen. Luther ist dagegen pompös als sanft Entschlafender dargestellt, der auf einem Kissen liegt, dessen Falten wie die Strahlen einer Aura ausschauen.

Reizvolle Nachbarschaften

Auf der Stiege, die beide musealen Geschoße verbindet, klingt es geschäftig wie auf einer italienischen Piazza. Die Porträts sind hier auf quer im Raum verteilte farbige Sockel montiert, die den Gesichtern die vage Anmutung von Körpern verpassen. Reizvolle Nachbarschaften ergeben sich auf diese Weise, Interaktionen untereinander und mit dem Besucher. Wenn er sich etwa in Augenhöhe mit dem Brixner Domherr Gregor Angrer konfrontiert sieht, um festzustellen, dass dieser durch ihn regelrecht hindurchsieht. Marx Reichlich hat dieses einzigartige Psychogramm eines mächtigen Kirchenmannes streng frontal gemalt, was es fast wie eine Ikone daherkommen lässt. In liebevollen Details ergeht sich der Lieblingsporträtist der Brixner Gesellschaft bei seinen Bildnissen von Frauen, denen er gerne zarte Blüten in die beschmuckten Hände legt.

Selten hat man in einer Ausstellung so viele Bilder von Hans Maler gesehen, dessen potentester Auftraggeber der Schwazer Gewerke Anton Fugger war. Der aus Schwaben zugewanderte Künstler zeigt den reichsten Mann der damaligen Welt, der die permanent unter Geldmangel leidenden Habsburger finanzierte, im Halbporträt vor einem zartblauen Hintergrund. Sein Blick ist ernst in die Ferne gerichtet, seinen Kopf bedeckt eine bestickte Kappe, sein Umhang ist aus Pelz. Gemalt in einer Raffinesse, die verblüffend ist. Getoppt wird das noch durch Jakob Seiseneggers Bildnisse diverser Habsburger, selbst der ganz kleinen, die trotz der Pracht ihrer Gewänder oft sehr unglücklich dreinschauen.

Nur Gesichter?

bis 28.8., Tiroler Landesmuseum Di bis So, 9 bis 17 Uhr www.tiroler-landesmuseen.at

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