Zeitgemäßer Blick auf gegenwärtige Verhältnisse

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Das Theater in der Josefstadt eröffnete seine Spielzeit mit Horváths "Kasimir und Karoline“: eine genaue Bestandsaufnahme einer von der Wirtschaftskrise geschüttelten Gesellschaft.

Während der Wirren der Weimarer Republik verfasst, ist die tragische Verknüpfung vom wirtschaftlichen und privaten Absturz des arbeitslos gewordenen Kasimir beinahe so aktuell wie damals. Schnelles Vergnügen erscheint in Krisenzeiten umso wertvoller. "Ich habe doch nur mit der Achterbahn fahren wollen“, sagt Karoline am Oktoberfest und lässt sich von ihrem Verehrer Eugen Schürzinger (Peter Scholz) zuerst auf ein Eis, vom saturierten Kommerzialrat Rauch (Heribert Sasse) später auf einen Samos einladen. Denn wer weiß, wann sich wieder eine solche Gelegenheit bietet. Auf die Wiesn begleitet hat sie allerdings ihr Verlobter Kasimir, der jedoch mangels Job nun auch ohne Geld - und in der Folge ohne Selbstvertrauen dasteht.

Knappe, schnörkellose Regie

In der Josefstadt spielt ihn Harald Windisch äußerlich kontrolliert, voll unterschwelliger Aggressionen. Denn sobald er sich unbeobachtet fühlt, drischt er in den mit Glühlampen ausgeleuchteten Kubus. Bühnenbildner Harald Thor hat für die Spektakel des Rummelplatzes einen von allen Seiten illuminierten Raum etabliert, der zugleich die verschiedenen (gesellschaftlichen) Ebenen markiert, aber auch seine Besucher buchstäblich "blendet“. Denn für einen Augenblick, beim Zuprosten und in ihrer Schaulust sind hier alle gleich: die Unternehmer, Richter, die kleinen Leute und auch die verwahrlosten Mädchen. Aber nur für einen Moment, denn beim Anbahnen der Beziehungen greift das Wissen um die ökonomische Macht und den jeweiligen Wert.

Georg Schmiedleitner hat Horváths Volksstück aus dem Jahr 1931 ohne große Regie-Einfälle knapp und schnörkellos in Szene gesetzt. Bei ihm stehen die Figuren für sich allein, in ihrem individuellen Universum an Sehnsüchten und Hoffnungen, wo keiner zum anderen passt.

Nicht zuletzt ging es Horváth ja auch darum, die Beziehungslosigkeit innerhalb dieser Gesellschaft zu zeigen, in welcher man sich anderer Menschen wie im Selbstbedienungsladen bedient. Karoline, die "Wiesenbraut“, wie Horváth sie und ihre Fräulein Schwestern benennt, hofft auf ein paar Stunden Glück, ohne zu bemerken, dass sie hier allein als Ware reüssieren kann.

Katharina Straßer spielt sie nicht so ganz unschuldig, wie man diese Figur aus anderen Inszenierungen kennt, sondern durchaus abgebrüht und wissend um den Preis, den der gesellschaftliche Aufstieg (oder zumindest ein bisserl Vergnügen) hat. Doch noch wiederholt Karoline ihren guten Vorsatz: "Wenn es dem Mann schlecht geht, dann hängt das wertvolle Weib nur noch intensiver an ihm …“ Leise aber fügt sie die Worte hinzu: "Könnte ich mir vorstellen.“ Affirmativ wiederholt sie auch später dieses Diktum, längst schon nicht mehr daran glaubend. Denn was in Krisenzeiten zählt, das ist die Pensionsberechtigung, und ein Beamter macht diesbezüglich schon mehr her als ein arbeitslos gewordener Chauffeur.

Schutzengel als Todesbote

Schmiedleitner konzentriert sich auf die Entlarvung der Verhältnisse und verzichtet auf einen pompösen Rahmen. Die Jahrmarkt-Abnormitäten und "Liliputaner“ streicht er zur Gänze, das Hippodrom wird zum Wink mit dem Zaunpfahl, der Karoline als pures Sexualobjekt ausweist. Dass sie sich ihrer Wahrnehmung bewusst ist und damit kokettiert, ist bereits beim lasziven Eislutschen klar.

Dem Merkl Franz (Thomas Mraz) seine Erna (Gerti Drassl) hingegen ist hier alles andere als ein dummes Trutscherl, das sich nur quälen lässt, sondern eine wache, junge Frau, die die Zustände durchschaut, auch wenn sie längst resigniert hat, weil sie keinen Handlungsspielraum für sich ausmachen kann. Da hilft nur mehr der Glaube an einen Schutzengel (Friedrich Schwardt-mann), der jedoch eher als Todesbote daherkommt. Er ist Sinnbild von Karolines Erkenntnis: "Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich, aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär man nie dabei gewesen.“

Weitere Termine

20., 21., 26., 27., 28. September

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