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10 Jahre (ßwown (Bovert im neuen “Staat

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Als sich im April 1945, nachdem das Kampfgeschehen über Wien hinweggezogen war, die Belegschaft von Brown Boveri das erste Mal wieder versammelte, fand sie ein durch mehrere Bombentreffer beschädigte Fabrik vor, Kaum waren dann die ersten Ansätze zur Beseitigung des Schadens gemacht, kam der zweite, viel schwerere Schlag. Nahezu alle Werkzeugmaschinen und der ganze Rohstoffvorrat wurden als Beufegut weggeführt. Uebrig blieb, was, noch vom Bombenschutt bedeckt, nicht bemerkt worden war. Ein leerer, schwer beschädigter Bau, das war der Ausgangspunkt für den Wiederaufbau des Unternehmens.

Man hat heule schon Mühe, sich die Welt vor zehn

100.000-Volt-Druckluftschnellschalter in der Oberstufe des Tauernkraftwerkes Kaprun

Jahren und die Ausweglosigkeit jener Zeil vorzustellen. Es gehörte ein ungeheurer Optimismus dazu, auf die Suche nach Rohstoffen, nach Werkzeugmaschinen zu gehen, in einer Zeit, in der off sogar die Nahrung fehlte, eine Werkhalle auszubauen, als weder Baustoffe noch Bauarbeiter zu finden waren. Dennoch haben Leitung und Belegschaft des Unternehmens, wie überall sonst in Oesterreich, den Aufbau begonnen, haben vielfach selbst Hand angelegt, und schon im Spätherbst des Jahres, das den Krieg beendete, konnten die ersten Motoren erzeugt werden. Es war eine Leistung, deren Gröfje nur aus den Verhältnissen jener Zeit verstanden werden kann, dafj bald darauf die hundertste

Maschine das Werk verliefj und die Produktion, allen Nöten und Mängeln zum Trotz, rasch anstieg.

Noch war das Leben mif vielen Sorgen und Schwierigkeiten umgeben, noch war die Beschaffung der Rohstoffe mif den gröfjten Hindernissen verbunden, aber das Werk war doch schon in beachtlichem Mafje eingerichtet und produkfionsfähig, als der nächste Schlag erfolgte. Als angeblich Deutsches Eigentum wurde die Fabrik 1947 beschlagnahmt und trotz allen klaren Beweisen des Unrechtes dieser Mafjnahme wurde sie acht Jahre lang aufrechterhalfen.

Ein grofjer Teil zweijähriger mühe- und opfervoller Aufbauarbeit war damit dahin. Aber auch dieses Ereignis hat das Unfernehmen überwinden können. Wohl war die Fabrik selbst in fremde Hände geraten, doch waren noch grofje Teile des Geschäftsbetriebes, so vor allem die Montage- und Leitunqsbauabteilungen, österreichisch geblieben. Auf dieser Basis wurde nun das Geschäft weitergeführt, erweitert und ausgebaut und konnte innerhalb zweier weiterer Jahre auf eine Höhe gebracht werden, die es ermöglichte, eine neue Fabrik zu gründen und damit auch die Produktion wieder aufzubauen. Als Standort wurde Steyr in Oberösterreich gewählt.

In den nächsten sechs Jahren hat sich diese Fabrik aus kleinen Anfängen zu einem respektablen Betrieb entwickelt, der nun imstande ist, alle Maschinen und Geräte zu erzeugen, die das ausgedehnte Lieferprogramm des Unternehmens umfafjf.

Was Brown Boveri vordem Jahrzehntelana in Oesterreich gewesen war, ist es in den lefzlen zehn Jahren in erhöh'em Mafj wieder geworden: einer der, wichtigsten Betriebe der Starkstromindustrie, der Repräsentant eines Weltkonzerns und in beiden Eigenschaften ein wesentliches Glied der österreichischen Wirtschaft und damit des österreichischen Kulturschaffens.

Eine zielbewußte, folgerichtiq und geschickt verfolgte Wirfschaffsoolitik hat Oesterreich durch die Fährnisse einer durch vierfache Besetzung reichlich erschwerten Entwicklung hindurch zu einem Aufschwung qeführt, wie man ihn beim Kriegsende nicht erhoffen und kaum erahnen hat können. Der zunehmende Wohlstand und die steigende Lebenshaltung geben sich in den nüchternen Ziffern des Stromverbrauches kund, der sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht hat und rapid weifersfeigt. So ist denn auch der Ausbau der Energieerzeuguna eine wesentliche Komponente des wirtschaftlichen Aufsfieaes, ihn ebenso belebend, wie von ihm in Wechselwirkung be-

lebt und gefördert. Im Zuge des Ausbaues wurden grofje Kraftwerke erbaut, Leitungen errichtet, Schalt- und Transformatorenstationen aufgestellt, Ortsnetze gebaut und in vielen Industrien, im Gewerbe, in der Landwirtschaft und in den Haushaltungen elektrische Maschinen und Geräte in Gebrauch genommen. Auf allen diesen Gebieten ist Brown Boveri maßgeblich beteiligt, in manchen davon ist das Unfernehmen führend. Es wäre fahl am Platz, an dieser Stelle eine Aufzählung auch nur seiner wichtigsten Leistungen zu versuchen, einige Andeutungen müssen genügen. Die kühnsten, über hohe Gebirgszüge unserer Heimat führenden Hochspannungsleitungen, die leistungsfähigsten und modernsten Hochspannungsschalter, die neueste, in ihren Eigenschaften hervorragende Schnellzugslokomofive, der modernste, gleichrichtergespeiste Industrieanfrieb, das gröfjte Bahnumformerwerk Europas stammen von Brown Boveri.

Dafj das Unternehmen Mitglied eines der bedeutendsten Weltkonzerne der Starkstromindustrie ist, hatte für den Wiederaufbau unseres Landes eine wichtige Bedeutung, stehen ihm doch dadurch die letzten Ergebnisse von Forschung und Konstruktion und weltweite Erfahrungen in Fabrikation und Betrieb elektrischer Maschinen und Geräte in vollem Umfang zur Verfügung, die so, in österreichischen Fabriken eingesetzt, für die Entwicklung unserer Heimat fruchtbar werden. Aber auch die aus dieser Konzernverwandtschaft entspringende wirtschaftliche Verbindung mit

dem Schweizer Nachbarstaat kam wiederholt dem Ausbau der österreichischen Energiewirtschaft hervorragend zugute.

Heute erlebt unser Land eine Zeit wirtschaftlicher Blüte, wie sie vor zehn Jahren auch in kühnen Träumen nicht gedacht werden konnte. Dalj diese Entwicklung nun durch die endgültige Befreiung gekrönt wurde, gibt dem Unternehmen die Hoffnung, bald auch die volle Verfügung über die seinerzeit ihm zu Unrecht entzogene Fabrik zu gewinnen und mit doppelter Kraft der weiteren Entwicklung unserer Heimat und dem Wohlstand unseres Volkes dienen zu können.

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