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11 FUSSABALLER / DURCHBRUCH ZUM INTERNATIONALEN GESHÄFT

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Der Karikaturist der „Arbeiterzeitung” ließ Bundeskanzler Klaus mit einer grün-weißen Dreß einen Luftsprung der Freude machen — aber schwarze und unabhängige Zeitungen jubelten in Balkenlettern ebenso wie die Fernseher in 700.000 Haushalten, in denen das Europacupspiel Rapid-Wien gegen Real- Madrid übertragen wurde.

Denn die Wiener Meistermannschaft warf den sechsmaligen Europacupsieger aus Spanien aus dem populärsten Fußballbewerb Europas. Und Rapid-Präsident Sektionschef Dr. Pruckner konnte feststellen: „Es gibt schöne Stunden, aber das ist die schönste…die Heimat ist stolz auf euch!”

Tatsächlich wiegt der Sieg der Österreicher nicht nur finanziell schwer, sondern ist auch ein ernsthafter Prestigeaufstieg des österreichischen Fußballs. Denn der Erfolg der Grünweißen aus dem Wiener Vorort ist der spektakulärste Erfolg einer Mannschaft seit 1945.

War vor dem zweiten Weltkrieg der Mitropacup attraktiver Anziehungspunkt der Massen, so ist es nach 1945 der Europacup. Und seit das Fernsehen die Massen von den Rängen vertrieben hat, machte die Eurovision diese Europäische Meisterschaft der Sieger der Nationalligen zum internationalen Patschen-Happe- ning, das keine Fernsehanstalt auszulassen wagt.

Rapid hatte in der ersten Runde den norwegischen Meister zum Gegner und schlug die langen Burschen aus dem Norden schon in Drontheim. In Wien lief das Rückspiel weniger gut, und niemand glaubte an ein Überleben in der zweiten Runde, dem Achtelfinale.

Denn Rapid mußte gegen Real- Madrid antreten, die wohl populärste Mannschaft des Europacups.

Doch in Wien lief die Partie gegen Real besser als erwartet: Mit 1:0 fuhren die Spanier wieder nach Hause — und Rapid konnte nach diesem guten Spiel hoffen, die Spanier auch in Madrid zu biegen. Denn im Ausland geschossene Tore zählen doppelt — und ein Tor der Wiener in Madrid bedeutete, daß die Spanier drei Tore brauchen würden, um sicher aufzusteigen.

Die Rechnung des provisorischen Trainers, Altinternationaler Karl Decker, ging auf: der dänische Gastspieler Jörn Bjerregaard erzielte nach einem spektakulären Sololauf aus schrägem Winkel ein Tor, und die Spanier konnten trotz vitaler hispanischer Nervosität doch nicht genügend Tore mehr schießen.

Rapid steigt damit trotz einer 1:2-Niederlage auf. Nun freilich geht das Nüsseknacken weiter, denn der nächste Gegner der Wiener ist der letztjährige Europacupsieger Manchester United, Englands Spitzenelf.

Mittlerweile freilich ist die internationale Sportwelt wieder auf Österreich aufmerksam geworden. Denn nach den vielen Niederlagen im Europacup und nach einer Serie des Niedergangs des Nationalteams seit 1963 glaubte niemand mehr so recht an eine österreichische Auferstehung. Damals war es zum letztenmal Karl Decker gelungen, eine Siegesserie zu erzielen. Österreich gewann in Rußland gegen das sowjetische Team und gegen Ungarn in Budapest.

Aber während man sich damals in Österreichs Fußballvereinen diesen Zwischenspurterfolgen hingab, begann auf der ganzen Welt ein systematischer Zug zum Professionalismus. Die Spieler wurden zu Maschinen, die zu laufen hatten, die Vereine zu Sklavenhaltern, die die Vollprofis um teures Geld über ganz Europa rochierten. Schweden spielten in Italien, Ungarn in Spanien, Deutsche in England und Österreicher in deutschen Bundesligateams. Die Vereine investierten Millionen in Sportanlagen und Trainingsstätten, die Spieler wurden Angestellte gegen Leistungsnachweis. Harte Trainer wie der Österreicher Max Merkel holten die letzten Reserven aus den Spielern heraus — das Training wurde zur Fließbandarbeit müder Fußballerbeine.

In Österreich freilich rekrutierten sich die Vereinsspitzen nicht aus Managern, sondern aus freizeitlichen Gschaftelhubern.

Man stritt sich in den Vorständen um die Funktionen, spann Intrigen und verübelte es den Bundestrainern des Nationalteams, wenn diese auf Reformen drängten. So packte Bundeskapitän Walter, Prokurist einer Wiener Autofirma, bald seine Sachen wieder ein, und auch der Exilungar und Spitzentrainer Bela Guttmann hatte schnell die Nase von den Querulanten voll. Selbst der harte Vorarlberger Alge kam gegen den Mist der Vereinswirtschaft nicht auf und packte seinen alemannischen Hut.

Erst in der letzten Zeit gelang es Bundestrainer Leopold Stastny, wieder gewisse Aufstiegsanzeichen zu erreichen. Zwar verlor Österreichs Nationalmannschaft die Weltmeisterschaftsqualifikation gegen Deutschland und wird höchstwahrscheinlich auch keine Chance mehr haben, an der nächsten Fußball-WM teilzunehmen; aber die Spieler zeigten Können und hatten wenig Respekt vor prominenten Gegnern.

Immerhin: der populärste Massensport Österreichs hat wieder gewisse Chancen, ins internationale Geschäft zu kommen. Und Bjerregaards Goldtor soll — wie Vereinskassiere meinen — seine zweieinhalb Millionen Schilling für die Meistermannschaft einbringen.

Und die elf Rapidler können jedenfalls mit ihrer Prämie von 20.000 Schilling je Mann gleichfalls zufrieden sein.

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