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119 Tage und ein bißchen weiser

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Mit Klienten in der Kanzlei zu verhandein ist eine Sache, in der politischen Arena zu kämpfen eine andere. Das scheint eine frustrierende Erfahrung für den ehemaligen Steuerberater Andreas Staribacher zu sein.

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Mit Klienten in der Kanzlei zu verhandein ist eine Sache, in der politischen Arena zu kämpfen eine andere. Das scheint eine frustrierende Erfahrung für den ehemaligen Steuerberater Andreas Staribacher zu sein.

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diefurche: Haben Sie sich Politik so vorgestellt, als Sie die Berufung zum Finanzminister angenommen haben, oder gab es negative Überraschungen? Finanzminister Andreas Staribacher: Der größere Teil ist so, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Ich tu mir vielleicht auch ein bißchen leichter, weil mein Vater (Handelsminister Josef Staribacher, Anm. d. Red.) ja auch in der Politik war. Ich war zwar damals noch sehr jung, bekam aber doch einen Eindruck, wie Politik läuft. Es gibt allerdings auch Sachen, die für mich neu waren und die ich mir nicht so vorgestellt hatte. Dazu gehört^ beispielsweise, daß in der Politik mitunter nicht immer die besseren Argumente gewinnen. Andererseits ist es auch so, daß die Politik ein sehr kommunikatives Geschehen ist.

Bloß schriftlich unterbreitete Anregungen - jetzt überspitzt formuliert - führen in der Politik meistens nicht zu einer Meinungsbildung oder Aktion. Es muß immer viel diskutiert werden. Das persönliche Gespräch ist ganz wesentlich. Ich war in meiner Funktion als Steuerberater eher gewohnt, etwas zu schicken, und das hatte dann genauso viel Gewicht wie wenn in einer Verhandlung darüber gesprochen wurde. Dennoch: verhandeln und kommunizieren bin ich von meiner früheren Tätigkeit her gewohnt, das war auch vorher nicht anders. Und noch etwas habe ich gelernt: Alles, was man sagt, kann am nächsten Morgen gedruckt werden ...

diefurche: So wie das „Geheimtreffen ” der SP-Minister, von dem es hieß, daß dort über neue Schröpfaktionen zur Budgetsanierung diskutiert wurde? staribacher: Das ist kein Geheimtreffen gewesen. Es wußte ja ganz Osterreich, daß es stattgefunden hatte.

diefurche: Welchen Sinn haben in einer großen Koalition denn solche Fraktionstreffen? staribacher: Es war eine ganz gewöhnliche Strategiebesprechung unter den Ministerkollegen der sozialdemokratischen Fraktion. Es ging um Einsparungen und die Budgeterfordernisse des Jahres 1996. Es ist ja nicht so, daß nicht auch die ÖVP sich berät, was sie machen möchte.

diefurche: Was möchten Sie denn machen, um jene Milliarden zu bekommen, die angeblich ausgabenseitig nicht mehr einzusparen sind? staribacher: Es geht zunächst einmal darum, daß die Ausgaben durchforstet werden. Wir haben da eine Differenz zwischen Budgetrahmen und Ressortwünschen von 31 Milliarden. Daher muß man sich das alles jetzt anschauen. Wir sind noch nicht so weit, daß wir über einnahmenseitige Maßnahmen diskutieren

diefurche: Aber es gab einen Artikel im Nachrichtenmagazin „profil” und seither ist ständig von konkreten Maßnahmen wie Erhöhung der Körperschafts- und Kapitalertragssteuer, neuen Energiesteuern, der Halbierung des Absetzbetrages für Sonderausgaben die Rede...

staribacher: Das sind nur „profil”-Vorschläge. Ich habe die auch gelesen. Der betreffende Redakteur war ja sogar danach bei mir und hat gesagt, er könne sich einnahmenseitig diese Maßnahmen vorstellen. Ich sehe zwar ein, daß er sich das so denkt, aber ein Vorschlag des „profil” ist noch lange kein Vorschlag der Bundesregierung. Da muß man schon unterscheiden.

dieFurche: Na und? Taugen die Vjrschläge in Ihren Augen wenigstens etwas? staribacher: Man lernt immer dazu, noch dazu, wenn frei erfunden wird. Aber noch einmal: es geht darum, die Ausgaben zu durchforsten und sich mit den Einzelressorts Vorschläge anzuschauen, was man umsetzen kann. Das ist die Aufgabenstellung bis zum Herbst. Wer weiß, vielleicht kommen auch da neue Vorschläge, die das „profil” entr wickelt?

diefurche: Zurück zu Ihren Erfahrungen Bei welcher Gelegenheit hatten Sie das Gefühl, nichts zu bewirken, obwohl Sie die besseren Argumente hatten? staribacher: Da gab es verschiedene Gelegenheiten. Die Diskussion um die Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes war so eine Sache. Dauernd wurde von einer

Steuererhöhung gesprochen, und in Wirklichkeit brächte mein Vorschlag eine Steuererleichterung für über 90 Prozent der Gehaltsempfänger. Trotzdem ist das schwer zu vermitteln. Die ÖVP steht auf dem Standpunkt: Na gut, auch wenn wir mehr als neunzig Prozent der Dienstnehmer entlasten, so ist das für uns kein Gesprächsthema.

dieFurche: Haben Sie diese Pläne jetzt ad acta gelegt? staribacher: Nein, ich verabschiede mich nicht von diesen Überlegungen.

diefurche: Haben Sie nicht damit gerechnet, daß Ihre Pläne zu einem Aufschrei führen ? staribacher: Im Gegenteil. Ich bekomme ja auch Briefe und Anrufe zu allen möglichen Themen. Zum Th,ema Be-

Steuerung des 13. und 14. Gehaltes haben wir überwiegend positive Reaktionen. Rund 60 Prozent der einlangenden Briefe sind zustimmend, und es kamen sechs Wochen lang täglich 20 bis 30 Briefe.

dieFurche: Gibt es auch eine Untersuchung über die; Einstellung der Österreicher? Staribacher: Es gibt eine. 70 Prozent der Befragten stehen den Besteuerungsplänen für das 13. und 14. positiv gegenüber. Es hätte aber gar keinen Sinn, Meinungsumfragen zu präsentieren, wenn die ÖVP klar sagt, sie könne sich eine Umsetzung nicht vorstellen.

diefurche: Sie hätten mit solchen Daten aber sicherlich mehr erreichen können. Staribacher: Sie haben es ja an der Diskussion gesehen: Selbst wenn Sie das klar erklären, wird es nicht notwendigerweise auch so transportiert. Wenn ich sage, daß 2,800.000 Dienstnehmer eine Steuerentlastung bekommen, werden Sie am nächsten Tag trotzdem in der Zeitung lesen: 200.000 Steuerzahler werden höher belastet. Das stimmt ja auch. Aber über die 2,800.000 Entlastungen wird nicht berichtet. Wie wollen Sie das kommunizieren?

diefurche: Vielleicht mit einer besseren Strategie? Planen Sie das?

Staribacher: Nein. Dazu sehe ich überhaupt keine Veranlassung.

dieFurche: Ist die Strategie zielführend, die Österreicher ständig zu verunsichern? Sie machen Vjrschläge, der Kanzler dementiert Sie verspielen Ihr wertvollstes Kapital, nämlich das Vertrauen in den Schatzmeister der Nation. Staribacher: Sie sehen ja die Beaktionen, wenn bestimmte Sparvorschläge gemacht werden! Immer dann läßt das Interesse am Sparen stark nach. Und zwar sowohl bei denen, wo gespart werden muß, als auch in der veröffentlichten Meinung. Es ist nur das allgemeine Sparziel, das groß propagiert wird. AVenn es um die Umsetzung geht, beginnt sich die Meinung zu verändern.

diefurche: Es heißt immer wieder, die Koalition werde am Budget 1996 scheitern Staribacher: Das ist auch so ein Luftballon in den Medien. Ich bin jetzt schon einige Monate hier 'und habe keinerlei Hinweise, daß seitens irgendeines Beteiligten - auch nicht des Koalitionspartners - daran gedacht ist, die Koalition platzen zu lassen. Diese Regierung ist bestellt. Und zwar nicht nur, um das Budget 1996, sondern auch die Folgebudgets zu beschließen. Und so wird es sein.

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