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„13 Uhr Flug in den Himmel”

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Die Gesellschaft Jesu war für die Nazis ein besonderes Feindbild. Ein Jesuit gedenkt damals ermordeter Mitbrüder aus der österreichischen Provinz.

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Die Gesellschaft Jesu war für die Nazis ein besonderes Feindbild. Ein Jesuit gedenkt damals ermordeter Mitbrüder aus der österreichischen Provinz.

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Die Jesuiten Österreichs erinnern sich heuer ihrer von den Nationalsozialisten ermordeten Mitbrüder. Zugleich muß aber angemerkt werden, daß das, was damals bei uns geschah, heutzutage anderswo immer noch geschieht. In verschiedenen Teilen der Welt sind in den letzten 20 Jahren - genau zwischen 1. Dezember 1973 und dem 7. April 1994, vom Libanon bis Indien, von den Philippinen über Afrika bis Süd- und Mittelamerika - 36 Jesuiten in Ausübung ihres apostolischen Dienstes absichtlich und gewaltsam umgebracht worden. In dieser Zahl nicht eingeschlossen sind jene, die im selben Zeitraum etwa in Gefängnissen oder Arbeitslagern starben oder eher zufällig im Zusammenhang mit irgendwelchen Unruhen getötet wurden!

Daß für die Nazis die Jesuiten ausgemachte Feinde sein mußten, konnte man schon bei dem „Mann, der Hitler die Ideen gab” (Lanz von Liebenfels, siehe Wilfried Daim, „Der Mann, der Hitler die Ideen gab”, Wien 1985) nachlesen. (Ich persönlich habe das erste Mal von den Jesuiten im Schulunterricht der Nazizeit erfahren, was vermutlich meine Sympathie für diesen Orden geweckt hat.) Dementsprechend wurden sie auch in ganz „Großdeutschland” behandelt: oft mit Predigtverbot und Gauverweisung, Gefängnis und KZ „bestraft”. Nicht wenige sind im Krieg gefallen, bevor sie die über Angehörige der Gesellschaft Jesu verhängte „Wehrunwürdigkeit” erreicht hat.

Neben dem nunmehr bekannteren P. Alfred Delp und dem zur selben süddeutschen Ordensprovinz gehörenden P. Alois Grimm wurden damals auch zwei österreichische Jesuiten zum Tode verurteilt: P. Johann Schwingshackl und P. Johann Stein-mayr, beide aus Südtirol stammend.

Das sei, heißt es, in der schweren Zeit des Nationalsozialismus sein tägliches Gebet zur verstorbenen Mutter gewesen: sie möge ihm helfen, kein Wort zu viel, aber auch keines zu wenig zu sagen. Und seinen Provinzial bat er 1943, für ihn zu beten, „daß ich recht handle, daß ich zwar auch nie unklug sein möge, aber ja nie feige!” Nun, feig war Pater Schwingshackl sicher nie. Manche Wohlmeinende meinten wohl, daß er, etwa in seinen Predigten, auch weniger sagen könnte, und es soll ihm sogar angedeutet worden sein, daß er vielleicht besser aus dem Orden austräte, um dessen Existenz nicht zu gefährden. Was ihn tief getroffen hat: „Man muß heute schon fast ein schlechtes Gewissen haben”, sagte er zu Bischof Rusch, „wenn man bei diesem Regime noch nicht eingesperrt ist.”

Als Spätberufener wurde der 1887 Geborene nach Jahren der Arbeit als Knecht, des Kriegsdienstes als Tiroler Kaiserjäger und der russischen

Kriegsgefangenschaft 1919 ins Noviziat der Jesuiten aufgenommen („Ausgerechnet zu den Jesuiten, die immer eine Zielscheibe der Verfolgung sind ”, wie sein Vater einwendet. „Gerade deshalb!”, antwortet er). 1924 zum Priester geweiht, 1931 Novizenmeister, 1933 nach seinem sehnlichen Wunsch Volksmissionär, wurde Schwingshackl 1936 nach Straßhof in Niederösterreich geschickt, um dort als Novizenmeister einer anderen Ordensgemeinschaft tätig zu werden.

Angezeigt von einem, den er wegen Ungehorsams entlassen hatte (der junge Mann wollte das Hitlerbild nicht von seinem Nachtkästchen entfernen!), entging er noch einmal einer Verurteilung. Ein allzu deutlicher Brief, vom oberösterreichischen Bad Schallerbach aus am Ignatiusfest 1943 an den Provinzial und einen anderen Mitbruder geschrieben, der der Gestapo bei seiner Verhaftung am 18. Februar 1944 in die Hände fiel, war dem diesmal in Salzburg richtenden

Boland Freisler willkommener Grund für das Todesurteil am 16. Dezember 1944. Noch vor der täglich und stündlich erwarteten Vollstreckung starb P. Johann Schwingshackl in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1945 in seiner Gefängniszelle in München-Stadelheim.

Geboren 1890,1911 in die österreichische Provinz eingetreten, wurde Steinmayr 1919 zum Priester geweiht und war danach vorwiegend in Wien seel-sorglic'h tätig. Er leitete als Präses verschiedene Marianische Kongregationen, war als Prediger vor allem von Akademikern geschätzt, hielt Exerzitienkurse und wissenschaftliche Vorträge, vor allem auf dem Gebiet der Astronomie und der Parapsychologie, setzte sich-^ritisch mit Alfred Rosenbergs „Mythus” auseinander und pflegte daneben das Hobby komplizierter Uhrenreparatur. 1937 holte ihn Bischof Busch nach Innsbruck und beauftragte ihn nach dem „Anschluß” sehr bewußt mit der Familien- und

Männerseelsorge, die ihn mit Einkehrtagen und Glaubensschulungen in viele Pfarren brachte.

Weil sie ihm anders nicht ankonnte, setzte die Gestapo schließlich einen am Hafelekar stationierten Berliner Flaksoldaten als Spitzel auf ihn an. Unter dem Vorwand des Konvertitenunterrichtes und persönlicher Gewissensprobleme bezüglich der Teilnahme an diesem ungerechten Krieg gelang ihm die „Überführung” des Paters. Im Berliner Gefängnis kam dieser dann drauf, daß sein deutscher Mitbruder Grimm in Feldkirch-Tisis vom selben Mann - der seine Familie dahin evakuiert hatte ~ nach derselben Methode hineingelegt worden war!

Vom rasenden Boland Freisler wegen Defaitismus und Wehrkraftzersetzung zum Tod verurteilt, starben beide in Brandenburg-Görden unter Hitlers Fallbeil, Grimm am 11. und Steinmayr am 18. September 1944. Des Letzteren letztes Wort ist sozusagen zum geflügelten geworden: „Gnadengesuch abgelehnt, heute 13 Uhr Flug in den Himmel.”

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