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45 Stunden - und die Zukunft

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Ueber ein Thema kann man derzeit ganze Spalten in den Zeitungen gefüllt sehen: die 4 5 -Stunden-Arbeits woche.

Ende des letzten und Anfang dieses Jahri hunderts gab es eine tägliche Arbeitszeit bis zu 13 Stunden effektiver Arbeitszeit, die sich allerdings später mit 12 effektiven Stunden einspielte. Diese Arbeitszeit, die damals nur noch für das flache Land volle Gültigkeit hatte, hatte seine Begründung in der bäuerlichen Arbeitszeit im Sommer, die sich im Winter nach den Lichtverhältnissen regelte. Von den durch diese Arbeitsleistung und damit verbundenen sparsamen Lebensweise eingesparten Reserven zehren wir noch heute, obwohl einige Kriege mit ihren Folgen über uns hinweggegangen sind.

Das waren die Verhältnisse, welche die heute im Absterben begriffene Generation vorfand, als sie in das praktische Leben eintrat. Es sage aber niemand, daß damals weniger Zufriedenheit herrschte, ja daß die Zufriedenheit nicht größer war als heute. Im Gegenteil, die Situation wurde mit Gleichmut als Selbstverständlichkeit, mit mehr Gelassenheit hingenommen als die

ÄJÄITAcv C\ MOHJM heutige Generation die heutigen Verhältnisse hinnimmt. Es war eben so, daß die Sonne überall gleich rosig oder schwarz schien und der Wind überall gleich über die Stoppeln wehte. Daß man damals für drei Tage Arbeit ein festes Paar Schuhe oder Stiefel erhielt, sei nur nebenbei erwähnt. Der Taglohn war damals 0.80 oder 1.— fl., bis 1.2Ö fl., wozu noch der Unternehmerzuschlag von 10 Prozent kam, von dem der Arbeitgeber noch die Krankenkasse bezahlte und sein Verdienst mit inbegriffen war. Heute machen die sozialen Lasten allein bis zu 50 Prozent des bezahlten Lohnes aus. Es ergibt sich nun, wie im Beispiel Schuhe, in fast jedem Artikel dasselbe Gegenspiel, daß kein Mensch heute trotz des auf dem Papier höheren Entgeltes für seinen Taglohn mehr Waren kaufen kann, als seine Väter oder Großväter mit ihrem Lohn kaufen konnten. Dieses Beispiel ließe sich noch um Jahrhunderte zurückverlegen, wo der Taglohn 20 bis 30 Kreuzer oder Pfennig betrug und es dennoch darum die gleiche Ware zu kaufen gab.

Es ergibt sich daraus die alte wirtschaftliche Faustregel, daß der Preis einer Ware immer so hoch sein wird, wieviel Arbeitsstunden oder Minuten darauf lasten, wozu heute noch, um teure Arbeitsstunden zu ersparen, teure Investitionen kommen; diese Arbeitszeit, vervielfacht mit dem jeweiligen Stundenlohn samt allen Zuschlägen an sozialen Lasten usw., die es früher weniger gegeben hat, werden immer den Preis einer Ware bilden. Wenn also an dem Lohn-gefüge gerüttelt wird, muß auch zwangsweise das Preisgefüge in Bewegung geraten, es sei denn, daß der Mehrlohn durch eine höhere Leistung, modern ausgedrückt, durch eine Steigerung der Produktivität, ausgeglichen wird.

Für die Abgeltung einer bereits vorhandenen realen Leistungssteigerung — der Name Produktivitätssteigerung soll absichtlich vermieden werden — gibt es zwei Wege: 1. Verbilligung des Produktes, 2. Erhöhung des Lohnes. Obwohl der erste Weg der naheliegendere, gerechtere wäre, wurde er bis jetzt, mit wenigen nicht Ins Gewicht fallenden Ausnahmen, nicht beschritten. Dabei ist in Betracht zu ziehen, daß die durch eine Leistungssteigerung ausgelöste Preis-verbilligung genau so eine Erhöhung des Reallohnes bedeutet wie die Barhonorierung. Beschritten wurde leider nur der zweite Weg: immer mehr Lohnerhöhungen als Leistungssteigerungen. Daß solche Lohnerhöhungen, die nicht auf bereits erbrachten Leistungssteigerungen beruhen, unweigerlich zu Preissteigerungen führen müssen, lehrt uns die Wirtschaftsgeschichte seit eh und je, ob man diese Zwangsregel an gewissen Stellen wahrhaben will oder nicht.

Einen klaren Beweis dieser Zwangsregel liefern die fünf Lohn- und Preisabkommen unseligen Angedenkens, di£ mit die Ursache unserer Währungsverschlechterung sind. Fünfmal mußte man dasselbe Spiel spielen, bis man daraufkam, daß man damit lediglich das Lohn-und Preisgefüge erhöht, die Währung verschlechtert und die Sparer um ihr im Schweiß Erspartes gebracht hatte.

Eine weitere, volkswirtschaftlich schwer ins Gewicht fallende Gegebenheit ist durch die dauernde schleichende Währungsverschlechterung, erreicht worden: Milliarden von guten Schilling wurden durch die ERP-Hilfe der Wirtschaft zu einem halbwegs tragbaren Zinsfuß zur Verfügung gestellt; da die enormen Beträge Oesterreich geschenkt wurden, könnten diese Summen dauernd in der österreichischen Wirtsdhaft mit demselben Wert durch die Rückzahlungsquoten in der Wirtschaft fruchtbringend wirken. Wenn, ja wenn die Währung stabil geblieben wäre und die rückgezahlten Darlehen durch die Währungsstabilität mit demselben realen Wert wieder für neue, dringend notwendige Investitionen verwendet werden könnten! Die Situation ist aber so, daß mit den durch die Rückzahlung der Darlehen wieder für Investitionen zur Verfügung stehenden Summen kaum mehr als der sechste bis zehnte Teil von dem geschaffen werden kann, was ursprünglich geschaffen wurde.

Das was sich bei den Milliarden Schilling ERP-Darlehen abspielt, wiederholt sich ebenso bei den Milliarden des Wohnhauswiederaufbaufonds .wie auch bei den für Wohn- und Siedlungszwecke investierten. Milliarden.

Nicht zu vergessen sind in diesem Rahmen die dem soliden Sparer durch dieselben Ursachen verlorengegangenen Werte. Die durch die Währungsverschlechterung und der dadurch — über die Gründe der Verwässerung unserer Währung wurde schon gesprochen — verursachten Preissteigerungen in der österreichischen Wirtschaft verlorenen Unsummen sind mit 20 bis 25 Milliarden Schilling nicht zu hoch eingeschätzt.

Wollte man dieses Spiel zum Unglück Oesterreichs weitertreiben, so könnte wieder einmal die Zeit kommen, da wir 1:14.400 einwechseln müssen. Denn wenn dieses Rad in Bewegung ist, wird es fraglich sein, ob die notwendige Bremskraft vorhanden ist. Es wird sich dann aber wieder, wie immer, zeigen, daß es Lohnerhöhungen ohne Preiserhöhungen als Folge nicht gibt. Ob aber die Sparer dem Staat ihre durch Schweiß verdienten Schillinge weiter anvertrauen werden, um wie bisher damit alle weiteren Inlandsanleihen erst zu ermöglichen, wird eine schicksalhafte Frage Oesterreichs werden. Um einer Preissteigerung auszuweichen, bleibt dem schon so oft geschädigten Sparbürger beim ersten derartigen Anzeichen kein anderer Ausweg als die Flucht in die Sachwerte, womit er zu noch weiteren Preissteigerungen und damit weiterer Geldentwertung beiträgt.

Um aber den Einlegern ihre Sparschillinge, die von den Geldinstituten dem Staat und der Wirtschaft zur Verfügung gestellt wurden, auszahlen zu können, bleibt wieder nur ein Weg übrig, der aber noch weiter ins Unglück führt — neues, dünneres Geld!

Eine Vorahnung davon erleben wir schon heute. Die 45-Stunden-Woche im Bergbau brachte prompt eine Verteuerung der Kohle um 6 Prozent — das Eisen wird folgen. Diese Verteuerung der wichtigsten Rohprodukte läßt Preissteigerungen in allen Sparten der Wirtschaft erwarten, was wieder Grund genug gibt, neue Lohnforderungen infolge Preiserhöhungen zu stellen. Und so ohne Ende bei immerhin hohen Lebensverhältnissen, die aber durch diese Kettenreaktion keinesfalls günstig beeinflußt werden können. Das Gegenteil wird sich beweisen!

Es ist daher gut zu überlegen, ob man die Verkürzung der Arbeitszeit auf 45 Stunden, somit einer Verteuerung des Produktes um etwa sechs Prozent, mit Ausnahme von Betrieben, bei denen diese Erhöhung auch der Bevölkerung gegenüber tragbar erscheint und sie aus gesund-j heitlichen Gründen notwendig erscheinen las-I sen - allgemein i durchführt. Abgesehen davon, daß wir schon heute gegenüber Staaten mit niedrigeren Lebensverhältnissen nicht mehr konkurrenzfähig sind, wird uns die kommende Zeit, da die Milliarden Geschenkzuschüsse, die unseren derzeitigen Lebensstandard und auch den Wiederaufbau erst ermöglichten, immer kleiner werden und zwangsweise einmal aufhören werden, dieses bei einer Währungsentweftung, wie bereits erwiesen, um so früher, vor Riesenaufgaben stellen. Es ist besser, erst dann an solche einschneidenden Maßnahmen, die praktisch nicht lebensnotwendig sind, zu denken, wenn wir die vor uns stehende Zukunft mit dem kommenden, allseitigen Wettstreit gemeistert haben. Und dann ist es erst fraglich, ob nicht der Weg eins — Preisverbilligung — beschritten werden soll. Dieser Weg, der allenfalls mit äußerster Strenge erwungen werden müßte, würde der Weg zu einer stabilen, realen Erhöhung der Lebensweise sein.

Es soll und darf in Zukunft auch nicht mehr vorkommen, daß Angehörige eines Betriebes an einer Rationalisierung ihres Betriebes durch Lohnerhöhung allein teilhaftig werden. Denn dieses Beispiel zwingt andere Betriebe zur Nachahmung, und damit zur Eigensucht. Es soll jede verbilligte Erzeugung jedes Betriebes„ einerlei j welcher Branche, zur Verbilligung der Preise verwendet werden und soll damit nicht nur den zufälligen Angehörigen des Betriebes zugute kommen, sondern der gesamten Bevölkerung.

Wenn es gelingt, das Volk zu diesem Gedankengang zu bekehren, mit ihm zu befreunden, ist der erste Schritt getan, den wirtschaftlichen Frieden dauernd aufrechtzuerhalten und damit einen stabilen Lebensstandard, aber auch unserer Währung den Geldwert zu sichern.

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