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500.000 Tonnen Erdöl

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Dr. Fritz Bock war rund 20 Jahre Mitglied der österreichischen Bundesregierung als Staatssekretär, Handels- und Bautenminister und schließlich als Vizekanzler. In dieser Eigenschaft unternahm er viele Reisen und kam in Kontak mit fast allen wichtigen Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens. Was sich an nicht vorgesehenen Zwischenfällen, gewissermaßen am Rande des Protokolls, ereignet hat, zeichnete er zunächst für sich auf und hat jetzt seine amüsanten Erlebnisse dem Herold-Verlag zur Veröffentlichung übergeben, wo sie demnächst unter dem Titel „Im Protokoll nicht vorgesehen” (120 Seiten, mit acht Karikaturzeichnungen von Ironimus) erscheinen werden, werden.

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Dr. Fritz Bock war rund 20 Jahre Mitglied der österreichischen Bundesregierung als Staatssekretär, Handels- und Bautenminister und schließlich als Vizekanzler. In dieser Eigenschaft unternahm er viele Reisen und kam in Kontak mit fast allen wichtigen Persönlichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Lebens. Was sich an nicht vorgesehenen Zwischenfällen, gewissermaßen am Rande des Protokolls, ereignet hat, zeichnete er zunächst für sich auf und hat jetzt seine amüsanten Erlebnisse dem Herold-Verlag zur Veröffentlichung übergeben, wo sie demnächst unter dem Titel „Im Protokoll nicht vorgesehen” (120 Seiten, mit acht Karikaturzeichnungen von Ironimus) erscheinen werden, werden.

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Daß Julius Raab ein wirklicher Staatsmann von Format war, bedarf kelnes Beweises mehr. Zur Politik gehört aber auch die Tafetik, und von Raabs Taktik soli der nachfolgende Bericht erzählen.

Als Chruschtschew im Jahre 1959 seinen offlziellen Staatsbesuch in österreich r.iachte, war im Programm auch eine für drei Tage aniberaumte Rundfahrt durch die österreichischen Bundesländer vorgesehen. Sie fand im Anschluß an die offiziellen Ge spräche in Wien statt, bei denen es unter anderem auch um den öster- reichischen Wunsch gegangen war, von den nach dem Staatsvertrag noch ausständigen Öllieferungën Österreichs an die Sowjetunion eine Reduzierung um eine halbe Million Tonnen zu erreichen. Chruschtschew lehnte in den Verhandlungen diesen von Raab irnmer wieder vorgetrage- nen Antrag kategorisch ab. Während man sich in alien anderen Dingen relativ rasch geeinigt hatte, blieb dieser Verhandlungspunkt bis zum Anitritt der Rundfahrt durch die Bundesländer unerledigt. Der Bun- deskanzler erklärte uns, daß er, der Chruschtschew auf dieser Reise zu begleiten hatte, keine Gelegenheit versäumen werde, immer wieder darauf zu sprechen zu kommen. Das hat sich nun, wie uns Raab nachher berichtete, in der Form abgespielt, daß er am Abend des ersten Reise- tages beim Abendessen die öster- reichische Bitte dem sowjetischen Gast vortrug, worauf dieser den Bundeskanzler einiud, die Šache nach dem Abendessen bei ihm, im Appartement Chruschtschews, zu be- sprechen. Die Besprechung fand statt und hatte dasselbe Engebnis wie bisher, nämlich keines. Das Spiel wiederholte sich am zweiten Abend in derselben Form. Wieder sčhnitt der Bundeskanzler die Frage beim Abendessen an: wieder lud ihn Chruschtschow zu sich zu einer Besprechung, und wiederum war sie erfolglos.

Am dritten und letzten Abend der Rundfahrt durch die Bundesländer begann es in gleicher Weise. Julius Raab machte seinen Gast darauf aufmerksam, daß nicht mehr viel Zeit zur Lösung dieses Problems sei, und wiederum erfolgte die gleiche Einladung Chruschtschews wie an den beiden vorangegangenen Abeci- den. Nun aber war die Antwort des Bundeskanzlers elne andere. Sie lau- tete ungefähr so: „Nein, Herr Mini- sterpräsident, jetzt war ich schon zweimal vergebens bei Ihnen, ohne Erfolg zu haben. Wenn ich heute wiederum zu Ihnen in Ihr Zimmer komme, befiirchte ich dasselbe Ergebnis. Kommen Sie doch heute ein- mal zu mir.” Und Chruschtschew kam. Eine halbe Stunde später ließ Raab nach Wien telephonieren: „Die öllieferungen sind um 500.009 Tonnen reduziert!”

Das besagt nun nicht, daß es allein die Vorgangsweise Raabs war, die diesen Erfolg brachte, aber sie hat unzweifelhaft dazu beigetragen. Wie es ja auch Raab war, der lange vor dem Staatsvertrag seinen beruhmten Ausspruch getan hat: „Man möge den russischen Bären nicht dauernd in den Schwaniz zwicken.” Das Ge- fühl, wie man als Kleiner und Schwacher einem Starken und Mäch- tigen entgegentreten muß, um Erfolg zu haben, war eines der vielen Elemente von Raabs Staatskunst.

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