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Abschied von Karl Kummer

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Manschen, wie Karl Kummer einer gewesen ist, gibt es nicht viele, besonders nicht in der Politik. Er war kein Politmanager, kein Techniker der Macht, kein Demagoge, kein Weltverbesserer. Er war klug, gebildet, hat immens viel gearbeitet und war fest davon überzeugt, daß sich das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen mit Vernunft und viel Herz doch zunehmend verbessern lassen müßte. Mit ihm ist einer der letzten Großen aus der Reihe der christlichen Sozialreformer von dieser Welt geschieden.

Der „dritte Weg“

Was ihm vorschwebte, war die klassenfreie Gesellschaft der christlichen Soziallehre, in der alle Kapital besitzen. Er lehnte sowohl individualistische als auch kollektivistische Philosophien ab. Für ihn ließ

sich der Bau der menschlichen Gesellschaft weder auf die bloßen Individuen zurückführen noch auf das Kollektiv: er lebte und arbeitete in der Überzeugung, daß der „dritte Weg“, der sowohl der Individual-als auch der Sozialnatur der Menschen gerecht wird, eine echte gesellschaftspolitische Möglichkeit ist. Er wußte, daß der auf dem Boden der christlichen Soziallehre stehende Politiker kein Paradies auf Erden versprechen durfte, weil es das nicht gibt, ebenso wie er jede gesellschaftspolitische Lehre ablehnt, die sich als geschlossenes System darstellt, aus dem rasch und einfach Antworten auf alle Fragen des gesellschaftlichen Lebens abgeleitet werden können; für ihn stand daher das Ringen um praktikable gesellschaftspolitische Lösungen im Vordergrund seiner Tätigkeit, die Grundsätze der christlichen Soziallehre waren ihm Orientierungsbehelf. So bot er auch nie Patentrezepte an und war immer bereit, seinen eigenen Standpunkt zu überprüfen und darüber zu diskutieren.

In der Sprache der Ökonomie

Er glaubte daran, daß die soziale Partnerschaft auf betrieblicher Ebene, die Vermögensbildung der Arbeitnehmer echte gesellschaftspolitische Fortschritte mit sich bringen würden. Und es war für ihn eine tiefe Genugtuung, daß in den letzten Jahren in der Nationalökonomie wieder stärker verteilungspolitische Fragen behandelt wurden. Dort fand er viele Gedanken wieder, die er jahrelang vertreten hatte, und er freute sich darüber, weil er nun hoffen durfte, Unterstützung für seine Ideen zu bekommen. Was in der Sprache, der Ökonomie, was noch vor wenigen Jahren als „Sozialromantik“ abgetan worden war, war nun plötzlich Gegenstand der wissenschaftlichen und politischen Diskussionen, war salonfähig geworden.

Er hat das Prinzip der Wirtschaftlichkeit immer anerkannt, er hat es aber immer abgelehnt, die Wirtschaft nur unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, auch in der Wirtschaft sah er in erster Linie den Menschen und erst in zweiter Linie einen Prozeß, der sich rechenhaft darstellen läßt. Die Wirtschaft war für ihn eine menschliche Veranstaltung und sie sollte menschlich sein und nicht unmenschlich.

Karl Kummer war nicht nur Sozialpoldtiker, sondern auch ein glänzender Jurist, er galt als einer der führenden österreichischen Arbeitsrechtler. Mit seinem Lehrbuch des österreichischein Arbeitsrechtes, mit vielen weithin beachteten Aufsätzen und mit seiner politischen Arbeit trug er wesentlich zur Entwicklung dieses Rechifcsge-bietes bei. Für ihn ist das Arbeitsrecht immer der Niederschlag der Sozialpolitik gewesen, er hat es nie isoliert gesehen, sondern immer im Gesamtzusammenhang der gesellschaftlichen Entwicklung.

Patriot und Demokrat

Der Politiker Karl Kummer war ein österreichischer Patriot, der unerschütterlich auf dem Boden der Demokratie und der Republik stand. Seihst aus kleinen Verhältnissen stammend, bat er sich immer als Vertreter der kleinen Leute gefühlt, er war Arbeitnehmervertreter aus einer echten und tiefen Überzeugung heraus. Er war eine der zum Symbol gewordenen Gestalten des linken Flügels der ÖVP, seine politische Heimat war der österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund. Er scheute niemals eine Auseinandersetzung, um seiner Auffassung Gehör zu verschaffen. Seine Kompromißbereitschaft hörte dort auf, wo der Opportunismus begann. Er war kein bequemer Mann, er machte es sich, seinen Parteifreunden und seinen politischen Gegnern nicht leicht. Wenn er von der Richtigkeit seiner Idee überzeugt war, vertrat er sie zäh und konsequent. Selbst die, die seiner Auffassung nicht zustimmten, konnten niemals an der Lauterkeit seiner Absichten zweifeln. Rückschläge konnten ihn nicht entmutigen, für ihn war eine Sache nie verloren, nie aussichtslos. Politisch ist die Lücke, die er hinterläßt, nicht zu schließen. Sein besonderes Bemühen galt der

Jugend. Viele verdanken ihm unendlich viel. Er hat ihnen die ersten wichtigen Schritte ins Berufsleben, ins politische Leben geebnet, niemals ist einer, der sich an ihn um Hilfe wandte, abgewiesen worden. Wenn er konnte, half er jedem, selbst solchen, auf die er nicht gut zu sprechen war. Seine Menschlichkeit war immer größer als sein Zorn und seine Abneigung. Er selbst hat es nicht leicht gehabt, seine Karriere ist ihm nicht in den Schoß gefallen, sie war hart erarbeitet, kein Höhenflug, sondern mühsam, voll Enttäuschungen und Rückschlägen.

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