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Achtung, EWG: Osthandel

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Angeregt durch das Beispiel der Vereinigten Staaten und den neuen Fünfjahresplan der Sowjetunion streben gegenwärtig sämtliche Staaten des freien Westens, besonders Frankreich, Großbritannien und die Deutsche Bundesrepublik, nach einem Ausbau ihres Handels mit Osteuropa. Ihre Blicke sind natürlich in erster Linie nach Rußland gerichtet, aber viele Hoffnungen werden auch an andere Oststaaten geknüpft, vor allem an die Haltung Polens und Rumäniens.

Für den Westen ist aber der Handel mit dem Osten noch vielfach ein Neuland. Österreich, das durch das späte Inkrafttreten des Staatsvertrages im Handel mit Übersee und Westeuropa oft als Nachzügler auftreten mußte, verfügt dagegen — abgesehen von seiner günstigen geographischen Lage — heute über den Vorteil praktischer Erfahrungen, weil es auf Grund seiner langfristigen Handelsabkommen und der Praxis der Kontingente bereits alle Wege und Methoden erproben konnte, die trotz zahlreichen Hemmungen und Schwierigkeiten letzten Endes doch zu einer Erweiterung des Osthandels in Etappen geführt haben. /

In einem Augenblick, da im Westen geradezu ein Wettlauf um die künftigen Absatzgebiete in Osteuropa beginnt, wäre es gewiß ein Fehler, die eigenen Anstrengungen zu verringern oder gar einzustellen, erreichte doch das Volumen unseres Osthandels ohne Jugoslawien im Vorjahr 12,23 Milliarden Schilling (plus 14 Prozent) mit einem Exportüberschuß in Höhe von 467 Millionen Schilling.

Korrekturen der Rangordnung

Obwohl ohne Unterlaß versichert wird, einer Zunahme des Güteraustausches seien wegen der geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Osteuropas enge Grenzen gezogen, ist jedenfalls im Vorjahr abermals eine beträchtliche Erweiterung des Handelsvolumens gelungen. Erstaun licherweise waren due Zuwachsraten nach beiden Richtungen nahezu gleich hoch.

Die Importe (5879 Millionen Schilling, plus 14,2 Prozent) verdankten ihre Erhöhung in erster Linie der Tschechoslowakei (plus 26 Prozent) durch vermehrte Lieferungen von Holz, Koks, Eisen und Automobilen. Einen Aufschwung erzielten ferner Bulgarien (plus 45 Prozent) durch Stahlroheisen und Ostdeutschland (plus 21 Prozent) mit Hilfe von Schrott und Futtergerste. Polen (1181,8 Millionen Schilling, plus 14 Prozent) vermochte den Rückfall bei Steinkohle mit Leichtigkeit durch Holz und Gerste auszugleichen, ebenso Rumänien, das seine Einbußen bei Holz und Erdölprodukten durch Fleisch, Obst und Gemüse decken konnte. Ein typisches Beispiel der schrittweise durchgeführten Umgestaltung der Warenordnung bot die Sowjetunion, die erhebliche Verluste bei Rohöl und Steinkohle, Eisen und Erzen mit Hilfe von Gerste, Baumwolle und Wasserfahrzeugen neutralisierte, um wenigstens die Stabilität ihrer Lieferungen zu sichern. Abgesehen von Steinkohle, die seit jeher aus Polen, Rußland und der Tschechoslowakei stammte, stützten sich Rumänien noch immer auf Mais und Ostdeutschland auf rohe Kalisalze, Polen auf Holz und Fleisch, Ungarn auf Eisen und Pflanzenöl, die Sowjetunion auf Erze, Rohöl und Wasserfahrzeuge, die Tschechoslowakei auf Koks, Automobile und Erdölprodukte, zuletzt Bulgarien auf Blei, Zink, Eier, Obst und Gemüse. Trotzdem ist im Rahmen des Ostblocks eine teilweise Spezialisierung im Gange. Unter dem Druck der Agrarkrisen und auf der fortgesetzten Suche nach Ersatzprodukten beobachtete man einige Korrekturen der Rangordnung, vor allem eine Zunahme der Importe von Holz und Erzen, Eisen und Stahl, Fleisch und Gerste, Obst und Gemüse.

Kalt und warm gewalzt

Die Zunahme der Exporte (6346 Millionen Schilling, plus 13,8 Prozent) ruhte vor allem auf Bulgarien (plus 41 Prozent) dank Lieferungen von Eisen, Stahl und Lokomotiven. In Ostdeutschland

(plus 46 Prozent) haben den Ausschlag wieder Eisen und Stahl, Maschinen und Textilien. Polen (828,8 Millionen Schilling, plus 35 Prozent) verzeichnete Erhöhungen bei Zellulose, Chemikalien und Metallwaren, während sich die Tschechoslowakei (plus 28 Prozent) neuerdings lebhaft für Maschinen, Kunststoffe und NE-Metalle interessierte. Dagegen wurden die Rückfälle in Ungarn durch Chemikalien, in Rußland und Rumänien durch Maschinen verursacht. Trotzdem standen Eisen, Stahl und Maschinen mit einem großen Vorsprung an der Spitze, während in Rußland Wasserfahrzeuge und elektrische Apparate, in Polen Zellulose und Metallwaren, in Ungarn Papier und Chemikalien, in Rumänien Magnesit und Textilien, in Bulgarien Aluminium und Schienenfahrzeuge über einen vielleicht nicht stabilen, aber sehr zuverlässigen Absatz verfügten. Erwähnung verdient, daß der Ostblock allein von Jänner bis September warm gewalzte Grobbleche zu 75,3 Millionen und Rohre einschließlich Fittings zu 105,7 Millionen Schilling bezog, dagegen kalt gewalzte Feinbleche sogar im Werte von 402,8 Millionen Schilling.

Kein Anlaß zu Kritik

Die Entwicklung des Warenverkehrs mit Osteuropa gab bisher — abgesehen von dem unvermeidlichen Faktor der Unsicherheit — keinen Grund zu Bedenken. Die Behauptung, Österreich begebe sich in eine gefährliche Abhängigkeit von dem Comecon, ist übertrieben; denn im Vorjahr erreich ten, die Bezüge nur 10,8 Prozent des Gesamtimportes, die Lieferungen nach dem Osten erst 15,2 Prozent des Gesamtexportes, noch lange keine Symptome der Einseitigkeit. Nach dieser Richtung boten einige Vergleiche der Warenordnungen im Handel mit EWG, EFTA und Ostblock verschiedene aufschlußreiche Ergebnisse. Bei den Einfuhren (siehe Tabelle A) übertraf der Ostblock die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft nur bei Rohöl (246,6 Millionen Schilling) und Steinkohle (1043,2 Millionen Schilling), daneben natürlich bei Holz und Fleisch, Gerste und Eiern, Baumwolle, Pflanzenöl und natürlichen Düngemitteln, während die Verkehrsmittel vier Prozent, die chemischen Produkte fünf Prozent, Obs1 und Gemüse zwölf Prozent de1 Gesamtimportes erreichten. Höhere Anteile verzeichnete der Ostblock bei Mais, Eisen und Stahl, Erzen und Schrott.

Noch weniger Anlaß zur Kritik boten die Ausfuhren (siehe Tabelle B), weil die Lieferungen nach dem Ostblock bei Maschinen erst 27 Prozent, Eisen und Stahl 29 Prozent, bei chemischen Produkten allerdings 42 Prozent des Gesamtexportes umfaßten, wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß die Exporte nach Übersee im Vorjahr (6,02 Milliarden Schilling) Ihre höchsten Werte gerade bei Maschinen, Eisen und Stahl erzielen konnten, wie überhaupt die Relation zwischen den einzelnen Staatengruppen — EFTA, EWG, Ostblock, Randstaaten und Übersee — im vergangenen Jahr völlig neuen Tendenzen unterlag.

Brüssel und der Ostblock

Polen, Rumänien und die Tschechoslowakei haben vor kurzem Kontakte mit Brüssel aufgenommen, um sich zunächst einmal über die dor tige Lage zu orientieren. Gleichzeitig zeigten sich Frankreich, Italien und Westdeutschland stärker als bisher an einer Belebung des Handels mit Osteuropa interessiert.

Der EWG-Kommission bereitet es freilich Schwierigkeiten, die verschiedenen Wünsche und Aspirationen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, weil das wichtige Problem der Beziehungen mit den sogenannten Drittländern ebenso ungelöst ist wie der Streitfall über die künftigen Prinzipien des Osthandels, die man noch niemals diskutiert hat. Auf der einen Seite hindern die Schranken und Richtlinien des Römer Vertrags, auf der anderen Seite die dichten und weit verzweigten Netze der geltenden Ab kommen und individuellen Interessen, deren Gleichgewicht nicht gestört wenden darf. Außerdem beanspruchen die Kennedyrunde, die Agrarordnung und die Finanzfragen sowie die Fusion der EWG mit der Montanunion und dem Euratom gegenwärtig alle verfügbaren Kräfte. Trotz diesen vordringlichen Anliegen, die den Terminkalender belasten, besaßen die ersten Kontakte Brüssels mit dem Ostblock doch eine prinzipielle Bedeutung. Sie unterstützten jedenfalls den berechtigten Anspruch Wiens, daß sich im Falle eines „Arrangements mit der EWG“ der Osthandel Österreichs als unabdingbares Reservat frei von allen Bindungen, Eingriffen und Hypotheken entwickeln sollte.

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