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Administrator für Prag

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Ein Jahr später, 1964, kamen nach den vatikanisch-ungarischen und den vatikanisch-jugoslawischen Gesprächen auch solche von Msgr. Casaroli mit der Tschechoslowakei zustande. Bewegung in die sich hinschleppenden Gespräche kam Anfang 1965, als am 25. Jänner vom Vatikan die bevorstehende Ernennung von 27 Kar- dinälen gemeldet wurde, unter denen sich auch Josef Beran, amtsbehinderter Erzbischof von Prag und Primas Bohemiae befand. Im Gegensatz aber zur Ernennung des Erzbischofs von Agram, Seper, war diese Maßnahme keine Krönung erfolgreicher Ver handlungen; sie konnten auch nicht als Vorleistung des Vatikans gegenüber der Tschechoslowakei angesehen werden, für die Beran ja einer der bestgehaßten Männer war. Nachdem die tschechische Presse Berans Ernennung großteils mit Schweigen übergangen hatte, konnte schließlich die offizielle Agentur CTK am 19. Februar 1965 melden, daß am selben Tag der „gewesene Erzbischof von Prag“, Beran, die Tschechoslowakei verlassen und sich nach Rom begeben habe. Gleichzeitig wurde gemeldet, daß Bischof Tomäsek, Priester der Erzdiözese Olmütz, am 18. Februar 1965 seinen Treueid auf die Republik als neuer Apostolischer Administrator der Erzdiözese Prag geleistet habe, wobei von vatikanischer Seite hinzugefügt wurde, daß dies mit dem ergänzenden Satz „sicut decet episcopi“ (wie dies einem Bischof entspricht) erfolgt sei.

Das blieb bisher das einzige (wenn auch hoch einzuschätzende) Ergebnis der Verhandlungen Casarolis mit Prag. Wie hastig alles erfolgt sein muß, ersieht man aus der Tatsache, daß Beran seinen Nachfolger nur kurz am Flugplatz, unmittelbar vor seinem Abflug, sprechen konnte, daß man Beran erst hier informierte, daß er vermutlich nie mehr in seine Heimat zurück könne und daß der neuernannte Kardinal, der unmittelbar anschließend von Papst Paul empfangen wurde, in Rom in Bergschuhen eintraf.

Wie steht es um die Gläubigkeit?

Nun könnte man der Meinung sein, Fragen der Kirchen- und der Diözesanführung seien organisatorische Fragen, die mit dem Glauben und der Gläubigkeit der Bevölkerung in keinem Zusammenhang stehen. Mag dies auch keineswegs stimmen, so ist es doch interessant und bemerkenswert, wie trotz allem von staatlicher und von kommunistischer Seite die religiöse Situation beobachtet wird. Eine Untersuchung, die nach 15 Jahren kommunistischer Herrschaft durchgeführt und im ideologischen Organ des ZK der KPTsch veröffentlicht wurde, ergibt folgendes interessantes Bild: Auf die Frage „Glauben Sie an Gott?“ antworteten 1946 63,8 Prozent positiv, 16 Prozent mit Vorbehalt, 11,8 Prozent mit nein und 8,4 Prozent waren unschlüssig. 1963 waren die entsprechenden Verhältniszahlen bereits: 34, 10,37 und 16 Prozent. Auf die Frage nach dem Kirchenbesuch gab es 1963 folgende Antworten (in Klammer 1946): 13 Prozent (20) regelmäßig, 21 (42,8) Prozent manchmal, 15 (13,6) Prozent an hohen Feiertagen und 50 (23,6) Prozent niemals. 1963 erklärten 15 Prozent (1946: 27,7), regelmäßig zu beten, 16 (28,8) Prozent erklärten gelegentlich zu Hause zu beten und 11 (14,4) Prozent behaupteten, dies bei besonderer Gelegenheit zu tun. Schließlich behaupteten 51 (29,1) Prozent, nie zu beten.

Eine 1965 durchgeführte staatliche Untersuchung soll ergeben haben, daß bei den Tschechen 31 Prozent Atheisten, 29 Prozent Gläubige und 40 Prozent Indifferente seien. Unter des Slowaken sollen 13 Prozent Atheisten, 30 Prozent Gläubige und 57 Prozent Indifferente sein. Noch wesentlich günstiger soll die Situation bei der allerdings sehr kleinen polnischen Minderheit sein, wo neun Prozent Atheisten, 75 Prozent Gläubige und 16 Prozent Indifferente sein sollen.

Diese Zahlen ergeben eigentlich ein Bild, das, verglichen mit dem Stand der kirchlichen Organisation und den dürftigen Möglichkeiten eines seelsorglichen Wirkens, nicht allzüdüster aussieht. Dabei muß man solchen Untersuchungen und Befragungen eher skeptisch gegenüberstehen, wenn solche bei uns, erst recht, wenn sie in einer Volksdemokratie durchgeführt werden. Hier wirkt allerdings eine Fülle von Umständen mit, von denen im Vorhinein nicht ohne weiteres gesagt werden kann, ob sie sich letztlich negativ oder positiv auswirken. Überwiegend negativ wirkten sich auf die Katholische Kirche die Nationalitätenkämpfe aus, die Umstände der Jahre 1918,1938 und 1948. Völker, die in einen Nationalitätenkampf oder Abwehrkampf verquickt sind oder glauben, einen solchen führen zu müssen, vernachlässigen nur allzuoft den religiösen Bereich, auch wenn gerade die Kirche vielfach Hüter ihrer nationalen Eigenart ist. Hinzu kommt, daß man in Böhmen von alters her — weniger schon in Mähren — einem gewissen Extremismus zuneigt — auch im kirchlichen Bereich. Hier ist vor allem auch der Hang zum Sektiererischen eine nicht geringe Gefahr vor allem dann, wenn die normale Kirchenführung nicht mehr intakt ist. Die Zwangsverschickung von Geistlichen in der nationalsozialistischen Zeit, die kommunistischen Maßnahmen gegen den Ordensklerus, aber auch gegen Weltgeistliche, die vielfach nicht mehr als Priester wirken dürfen, zeigte Schatten-, aber auch Lichtseiten. Mag damit auch das normale seelsorgliche Wirken unterbrochen, ja gefährdet sein, so führte es doch — gewiß unfreiwillig — zu einer Stärkung der außerordentlichen Seelsorge.

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