Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Albanien waet den Trotz
Die albanischen Parteiführer haben sich seit der Entfremdung zwischen Albanien und der UdSSR in den letzten eineinhalb Jahren bereits von fast allen wichtigen kommunistischen Konferenzen und Veranstaltungen ferngehalten.
Das Land ist zwar klein und schwach, aber es hat mächtige Protektoren. Und die Geschichte übertrifft mit ihren überraschenden Wendungen oft die Phantasie der besten Romanschriftsteller. Tirana wäre nämlich nicht abgeneigt, mit seinem ehemaligen Peiniger und „faschistischen Ausbeuter“ Italien Kreditverhandlungen einzuleiten, was vorläufig entschieden dementiert wird. Aber manche hören eben das Gras wachsen, so zum Beispiel die Mailänder Zeitungen „II Giorno“ und „Ventiquattro Ore“, die diese „teuflische Provokation“, welche nach albanischer Darstellung „gerade jetzt von entschlossenen, reaktionären und revisionistischen Kreisen Jugoslawiens gestartet wurde“, in Umlauf gesetzt haben.
Chruschtschows nicht schmeichelnde Ausfälle gegen die albanische Partei-und Staatsführung sind bis zum Überdruß bekannt, man braucht sie ja nicht wiederholen. Daß er vermutlich den Albanern eins auswischen wollte, ohne die Chinesen damit gleichzeitig anzugreifen, aber ein bißchen zu verärgern, liegt nahe. Auf einen nüchternen Nenner gebracht kann seine Stellungnahme einfach bedeuten, daß Albanien weiterhin dem Ostblock zugezählt werden soll, ohne daß man willens ist, eine ideologischen Abweichungen wortlos zu akzeptieren.
Auf Chruschtschows Angriff waren drei albanische Reaktionsmöglichkeiten gegeben:
1. Öffentlich alles zu widerrufen und Selbstkritik zu üben und beim Moskauer Großinquisitor um Verzeihung zu bitten.
2. Die Vorwürfe auf eine versöhnliche Art zu leugnen und zu sagen, Chruschtschow befinde sich in einem bedauerlichen Irrtum, man ist aber geneigt, die Mißverständnisse zu be-. reinigen.
3. Zum arroganten Gegenangriff überzugehen, was natürlicherweise zu einer heftigen Auseinandersetzung führen muß und den Ausschluß Albaniens aus dem kommunistischen Lager nach sich ziehen müßte.
Es bestand kein Zweifel darüber, daß die Haltung der Chinesen ausschlaggebend sein wird. Hätte Mao die Albaner in Stich gelassen, so hätte das chinesische Prestige im „sozialistischen Lager“ äußerst schwere Einbuße erlitten. In diesem Fall hätte die Pekinger Führung den chinesischen Anspruch auf eine führende Rolle wenigstens in Asien innerhalb der kommunistischen Bewegung auf lange Sicht begraben müssen. So haben sich Mao und Hodscha für die dritte, gefährlichste Möglichkeit entschieden. Die Chinesen konnten überhaupt nicht mehr zurück, weil sie damit ihren großen ideologischen Fehler auch anerkannt hätten. Darum tadelte Tschu in Moskau „jede einseitige, öffentliche Kritik einer brüderlichen Partei“, die seiner Meinung nach nicht als „wahre marxistisch-leninistische Haltung“ gewertet werden kann. Moskau war wieder einmal peinlich überrascht. Aber was konnte man tun?...
Eine neue Kominform kommt nicht zustande
Es ist wohl verständlich, wenn die Chruschtschow-Clique maßlos verstimmt ist. Sie hegte den Plan, auf dem XXII. Parteikongreß das zweite Kominform in Szene zu setzen. Albanien hat den vielversprechenden Plan durchkreuzt. In Belgrad kommentierte man dieses Ereignis mit einer scheinheiligen Schadenfreude folgendermaßen: Die Russen haben die Albaner aus dem sozialistischen Lager ausgeschlossen, während die Albaner und Chinesen ihrerseits mit den Russen ebenso verfuhren. Und so hat jetzt die Chruschtschow-Clique auf internationaler Ebene neben dem verfemten „jugoslawischen Revisionismus“, dem „sowjetischen Stalinismus“ und dem chinesischen Maoismus die neueste eigene Modekreation: den „Hodschismus“. Um die ideologische Einheit des einst so stolzen kommunistischen Block ist es nicht gerade glänzend bestellt. Und die muß eigentlich auch auf die sowjetische Außenpolitik abfärben. Peking und Tirana bestehen auf 'er Behauptung, eine chinesische Ato ..ombe werde in der nächsten Zeit „die Welt vor Kriegen bewahren“. Moskau ist in dieser Beziehung entschieden anderer Meinung.
Interessanterweise war Jugoslawien das einzige kommunistische Land, Jas die scharfe Antwort des Zentralkomitees der albanischen KP an Moskau veröffentlichte. Der Sowjetblock überging sie mit diskretem Schweigen und erwähnte nur da Eintreffen eines „albanischen Telegramms“ ohne Inhaltsangabe. Dagegen
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!