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Albrechtsrampe — Albrechtsstiege

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Im Stadtinnern von Wien gehört dei Wiederaufbau der Albertina und die Sanie- rung der Albrechtsrampe zu den Ge- staltungsproblemen von allgemeinem Interesse. Man war sich nach eingehenden Beratungen schon vor mehr als Jahresfrist klar geworden über seine Lösung. Alleir die Knappheit der finanziellen Mittel hai es verhindert, das kriegszerstörte Samm- iungsgebäude und seine Basteivorbauter seither im Rohbau planmäßig fertigzustellen.

Eine Erleichterung der Kreditlage hai nach halbjähriger unfreiwilliger Pause wieder pulsierendes Leben an den großen staatlichen Baustellen erweckt. Nun soll auch bei der Albertina mit dem Wiederaufbau ernstlich begonnen werden. Wie es immer so ist bei Bauproblemen, die nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen gelöst werden müssen, nimmt auch die Öffentlichkeit an der Diskussion dieser interessanten Frage des Wiederaufbaues warmen Anteil. Das war schon so, als vor mehr als Jahresfrist alle fachlich zuständigen Beratungskörper nach dem Ausgleich mancher Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich die Richtlinien für diesen Wiederaufbau festgelegt hatten. Und das ist jetzt wieder so, da es mit der Durchführung jener Richtlinien Ernst wird und manche, die seinerzeit schon anderer Meinung waren als die verantwortlichen Stellen, noch einmal den Versuch machten, ihren Willen zu erreichen. Es gibt Informationen, Memoranden, Proteste, Pressekonferenzen und Verlautbarungen von hüben und drüben. Angesichts dieser Vielfalt von Darstellungen mag es wünschenswert erscheinen, einmal authentisch auf die Frage Antwort zu erhalten, wie ein Stadtbild künftig aussehen wird, das jedem Wiener sehr am Herzen liegt.

Ein knapper Rückblick auf die Entwicklung der Dinge bis zur Festlegung der endgültigen Bauplanung gibt folgendes Bild: Vorerst war 1946 der Vorschlag gemacht worden, zwecks Schaffung von Parkplätzen für die Besucher der einmal wiederaufgebauten Staatsoper sämtliche Bastionsvorbauten der Albertina samt dem Brunnen mit dem Reiterdenkmal und samt den beiden Rampen am Burggarten und an der Augustinerstraße bis auf einen schmalen Vorbau von etwa drei Meter Breite gänzlich abzutragen. Man einigte sich aber sehr bald, in der Meinung, daß ein Verzicht auf den vorgelagerten Basteibau den Reiz des architektonischen Gesamteindruckes zerstören und daß die Aufstelzung der Albertina auf freigelegtem Sockelgeschoß vor allem die Wirkung der Stirnfassade dieses historischen Bauwerkes sehr ungünstig beeinflussen würde. Zur möglichsten Erhaltung eines altgewohnten Stadtbildes sollte vielmehr die vorgeschobene Bastion als Baumasse in ihren großen Umrissen erhalten bleiben, zumal den Notwendigkeiten des Verkehrs mit kleineren Umgestaltungen der früheren Baukörper Rechnung getragen werden konnte, ohne daß eine radikale Abtragung aller Vorbauten das wertvolle Stadtbild auslöschen müßte. Der erste Vorschlag wurde also sehr bald fallen gelassen und man entschied sich gleichzeitig dafür, hinreichende Parkplätze für die Opernbesucher in der zu verbreiternden Goethe- gasse längs des Burggartens zu schaffen.

Was aber über den Wunsch der Verkehrsfachmänner des Stadtmagistrats ernstlich berücksichtigt werden mußte, das war die immer unleidlicher empfundene Verkehrsgefährdung am Eingang der Augustinerstraße, wo die absteigende Rampe die Verkehrslinie in eine unübersichtliche S-Form zwingt. Den Engpaß selbst könnte man nicht ohne zumindest teilweise Abtragung eines Gebäudes erweitern, was tunlichst zu vermeiden war. Es blieb nur die naheliegende Lösung, die für Fahrzeuge unnötige Rampe zur Augustinerstraße zt entfernen, um so viel an Verkehrsfläche zt gewinnen, daß die Verkehrslinie flachgestreckt und dadurch die Sicht in den Engpaß und aus ihm heraus für den Verkehi freigelegt würde. Da die Einbahnlösung vom Magistrat unter Hinweis auf die Unmöglichkeit, den Verkehr der Gegenrichtung zweckmäßig umzulagern, abgelehnt wurde, konnte dem Gebot einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und eines vorbedachten Schutzes von Menschenleben in der Tat nur durch die Entfernung der Rampe Rechnung getragen werden. Wer sich dieser Erkenntnis anschloß, der mußte auch der Argumentierung der Magistratsvertreter beipflichten, es würde später einmal unverständlich erscheinen, daß man gerade den Zeitpunkt, in dem ohnehin über die Form des Wiederaufbaues der dort kriegszerstörten Bauteile zu entscheiden war, nicht benützt habe, um gleichzeitig eine Verkehrssanierung durchzuführen, die früher oder später auf alle Fälle unabweislich war. Darum haben sämtliche in dieser Frage zuständigen Behörden den Forderungen der städtischen Verkehrsfachmänner schließlich zugestimmt. Denn es war gleichzeitig allen bewußt, daß hier ein altgewohntes Stadtbild eine Veränderung erfahren müsse.

Daß diese Veränderung möglichst wenig Verlust und, wenn begabte Hände dies vermöchten, vielleicht sogar einen Gewinn am baukünstlerischen Gehalt des lokalen Stadtbildes bedeute, das war nun die nicht leichte Aufgabe der folgenden Planung. Denn es ist allbekannt, daß es in Fragen der bildenden Kunst, die sich zuletzt immer in Geschmacksfragen verästeln, ungemein schwierig, wenn nicht ausgeschlossen erscheint, ungeteilten Beifall zu erringen. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau und seine Hochbauabteilung, der hier die Führung der Geschäfte zukam, pflegt baukünstlerisch bedeutsame Probleme des Wiederaufbaues unter Heranziehung von qualifizierten Mitgliedern der freischaffenden Architektenschaft zu behandeln. Der Gedanke, an Stelle der Rampe eine wesentlich verkürzte Freitreppe zur Ersteigung der Basteiplattform zu erbauen, wurde zunächst in mehrfacher Form entwürflich variiert. Diese Varianten wurden in einer Reihe amtlicher Konferenzen auch von namhaften Sachverständigen der Baukunst aus dem Bundesdenkmalamt und aus dem Stadtbauamt begutachtet und beeinflußt. Im vorgeschrittenen Stadium der Entwurfsverfassung wurde auf Wunsch des Bundesministeriums für Unterricht ein führender freischaffender Baukünstler zur Begutachtung beigezogen. Der Präsident der Zentralvereinigung der Architekten hat den entwürflich festgelegten Baugedanken seine grundsätzliche Zustimmung ausgesprochen und wertvolle Ergänzungen vorgeschlagen. Unter Beachtung der empfangenen Anregungen haben die vom Ministerium mit der Ent-. Wurfsverfassung betrauten freischaffenden Architekten schließlich die endgültigen Ausführungspläne für die Neugestaltung der Basteivorbauten und für die Erbauung eines monumentalen Stiegenaufganges bei der Albertina bereitgestellt. Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens beim Magistrat wurde sodann die neue Baulinie festgelegt und damit der Beginn der Wiederaufbauarbeiten bauplanmäßig und rechtlich sichergestellt. Für eine architektonisch glückliche Lösung des teilweise umgestalteten Gesamteindrucks hatten die im Zusammenwirken berufenster Faktoren geschaffenen Baupläne jede Vorsorge getroffen.

Das Hindernis für den Beginn von zügig durchzuführenden Bauarbeiten lag aber, wie eingangs erwähnt, in jener Beengtheit der Baukredite, die im ersten Halbjahr dieser Bausaison den Fortschritt an allen Aufbauarbeiten des Staates lähmte. In den letzten Wochen konnten nun die erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt und auch das schrittweise Anlaufen der Bauaktion Albertina veranlaßt werden. Eine kleine, aber streitbare Gruppe von Gleichgesinnten, die für die unberührte Erhaltung jeder Einzelheit im alten Stadtbild kämpft und dabei jedes Opfer ablehnt, das der neuzeitliche Verkehr hinsichtlich einer Korrektur von allzu beengt verlaufenden Baulinien beansprucht, wendete sich in diesem Zeitpunkt noch einmal mit scharfen Protesten gegen die reiflich überlegten Baumaßnahmen an Regierungsmitglieder und im Wege der der Presse an die Öffentlichkeit. Dabei wurde den Behörden kurzerhand das Bewußtsein ihrer kulturellen Verantwortlichkeit abgesprochen und die Meinung geäußert, daß mit den bestehenden Bauabsichten eine Verschandelung des Stadtbildes geschaffen würde.

Um da volle Klarheit zu schaffen und der Allgemeinheit den weitestgehenden Einblick zu geben, wurde im neuen Laubengang durch die Stallburg, also dort, wo das Wiederaufbauministerium mit dem Bundesdenkmalamt schon einmal das Stadtbild aus Verkehrsgründen umgestalten mußte, eine Ausstellung jener Entwürfe veranlaßt, die im Einvernehmen der zuständigen Dienststellen und in Zusammenarbeit mit freischaffenden Baukünstlern für die Ersetzung der Augustinerrampe durch eine breite, steinerne Freitreppe verfaßt wurden. Viele Vorberatungen zwischen den beteiligten Ministerien mit den Vertretern aller zuständigen Magistratsabteilungen, mit dem Bundesdenkmalamt, mit der Direktion der Albertina und mit führenden Baukünstlern haben ebenso zahlreiche Skizzen und Vorentwürfe zur Folge gehabt, als deren reifes Endergebnis diese Baupläne gelten dürfen. Hier war in ernstem Bemühen ein Stück Wiederaufbauarbeit geleistet worden, das mit Recht die Anerkennung eines ausgeprägten Bewußtseins kultureller Verantwortung beansprucht und das nicht ohne Gebühr auch die Anerkennung beanspruchen darf, an Stelle eines Bauteiles von sehr umstrittenem künstlerischem und historischem Wert eine Lösung gefunden zu haben, die nicht nur berechtigten Verkehrswünschen entspricht, sondern auch einen architektonisch unvergleichlich wertvollerem Bauteil hinstellt, als die lang abgleitende Schräge der früheren Rampe mit ihren wenig schönen und stilfremden Ladeneinbauten.

Kunstfragen, also auch Fragen der Baukunst, können in positiver Form nur bei Respektierung gewisser allgemein verpflichtender Grundregeln gelöst werden. Bei allen überhaupt möglichen Lösungen, die auf diesen Grundregeln aufbauen, hängt es aber letztlich von Empfindungen des individuellen Geschmacks ab, ob das Kunstwerk als mehr oder weniger gelungen beurteilt wird. In Geschmacksfragen gibt es kein Diktat, da empfiehlt sich vielmehr Toleranz. Wenn von hundert Meinungen alle bis auf eine einzige das Werk für gut befinden und nur diese einzige für mißlungen, so kann der Träger dieser Einzelansicht noch immer ein tüchtiger Mann sein.

Was die baukünstlerischen Entwürfe für die Schaffung der großen Freitreppe an Stelle der Rampe anlangt, so sind alle Faktoren, die am Zustandekommen der ausgestellten Entwürfe mitgewirkt haben, naturgemäß überzeugt, ihr Bestes gegeben und damit etwas Gutes, geschaffen zu haben. Sie sind völlig überzeugt davon, das kleine Stückchen von Wien beim Lobkowitzplatz werde nach dem Wiederaufbau sogar schöner geworden sein ,als es vordem war. Sie haben nicht ohne Stolz und nicht ohne Spannung auch ganz großen Baukünstlern in ihre Pläne Einblick gegeben —, dem Präsidenten der Architektenvereinigung und dem international geschätzten Baukünstler, der dem guten Namen österreichischer Baukunst in drei Weltteilen Geltung -schafft. Und sie haben sich über die Beurteilung ihrer Bauabsichten durch diese führenden Fachmänner mit derselben Genugtuung gefreut, wie über das Urteil der vielen Kunstverständigen aus der Stallburgpassage, die ihren Beifall zum Ausdruck gebracht haben.

Das Bundesdenkmalamt, das bei aller pflichtgemäßen Strenge in der Erhaltung und Betreuung kultureller Werte unter allseits geschätzter Führung auf dem Boden der Realitäten bleibt, ist zu dem objektiven Urteil gelangt, die Rampe habe wegen der völligen Veränderung ihrer Funktion seit der

Auflassung der Bastei, wegen der baulichen Umgestaltung der Stützmauer und der Brüstung, und schließlich wegen des Einbaues von Gesch'äftsgewölben so sehr an Denkmalwert eingebüßt, daß die Zustimmung zu ihrer Abtragung verantwortet werden könne, zumal gewichtige öffentliche Vorteile ihrem Verlust gegenüberstehen. Es darf sich auch ein privater Verein für Denkmalpflege dieser Wohlmeinung der amtlich zuständigen Stelle unbesorgt anschließen. Brennpunkte modernen Großstadtverkehrs sind einmal nicht geeignet als Museum für Heimatkunst. Sie gehorchen härteren Imperativen. Auch das soziale Gebot verlangt es, daß der Schutz jedes einzelnen durch die zunehmende Verkehrsmisere bei der Albrechtsrampe gefährdeten Menschenlebens wichtiger erscheine als der Wiederaufbau eines Schwerbeschädigten Bauteiles, .dessen historischer Wert umstrit ten. ist und der sich durch einen künstlerisch wesentlich wertvolleren Bauteil sehr vorteilhaft ersetzen läßt.

In wenigen Jahren soll der Traum verwirklicht sein, daß man aus dem Laubengang in der Stallburg durch kunstgeschmiedete Gitter der großen Bogenfenster in den einzigschönen Innenhof blicken kann mit seinen durch alle Stockwerke wieder freige- . legten alten Bogengalerien. Ein Stück weiter beim Ausgang der Augustinerstraße wird man dann erzählen, daß dort mitten aus dem beengten Verkehr einmal eine verlassene Straße zur Höhe führte, die das Portal und viele Fenster der Albertina verlegte, und die Verkaufsläden eingebaut hatte für Schuhe, für Küchengeschirr und für Lehrmittel, wie aufgespießte Käfer und bunte Schmetterlinge, dort, wo jetzt die Albrechtsstiege ist".

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