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Als der große Krieg begann

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AUFSTAND IN BÖHMEN, DER BEGINN DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES. Von Hans Sturmberger. Janus-Bücher. Oldenbourg-Verlag, München und Wien. 103 Seiten, Preis DM 3.20

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AUFSTAND IN BÖHMEN, DER BEGINN DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES. Von Hans Sturmberger. Janus-Bücher. Oldenbourg-Verlag, München und Wien. 103 Seiten, Preis DM 3.20

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Den Beginn des Dreißigjährigen Krieges sehen wir in einem Zusammenhang, für den der Autor besonders kompetent ist. T a p i ė hat uns gezeigt, was Frankreich nach Heinrichs IV. Tode in Mitteleuropa getan und — unterlassen hat; Chudoba hat „Die Spanier am Weißen Berge“ geschildert; die Biographien der beiden Herren von Zierotin — Karl und Ladislav Velen — haben uns die kalvinische Außenpolitik der Böhmischen Brüder deutlich gemacht. Sturmberger ist der Biograph des Georg Erasmus Tschernembl: seine Sache ist der österreichische Zusammenhang der Ereignisse von 1618 bis 1620.

Es handelt sich da um einen ganz anderen österreichischen Zusammenhang als den, welcher auf den ersten Blick' sichtbar wird. Die böhmische Geschichtsschreibung, besonders seit Ernest Denis, hat am Weißen Berg einen österreichischen Sieg über Böhmen sehen wollen; es versteht sich, daß auch die habsburgische Geschichtsschreibung Oesterreichs die Ereignisse so sieht. Und dennoch ergibt sich aus Sturmbergers Schilderung die unabweisbare Tatsache: der Weiße Berg war ebensosehr, war im selben Sinne eine österreichische wie eine böhmische Niederlage. In Böhmen und in Oesterreich siegte die katholische und monarchische Sache über die protestantische und ständische. Mehr bedeutete der Sieg zunächst weder da noch dort. (Man muß immer wiederholen: die böhmische Staatlichkeit wurde durch den Umsturz von 1620 bis 1627 überhaupt nicht berührt; die Souveränität Deutschland gegenüber haben gerade die absolutistischen Habsburger völlig sichergestellt.)

Warum hat der Kampf von 1620 nachträglich für Böhmen und für Oesterreich so verschiedene Bedeutung bekommen? Zunächst bestand gar kein Unterschied. Da und dort wurde ein Großteil der gebildeten Stände zur Emigration gezwungen. (Wohl gemerkt: mit aller beweglicher Habe; wir sind nicht im 20. Jahrhundert!) Oder vielmehr: einen Volksaufstand gegen die neuen katholischen Herren gab es nur in Oesterreich (Fadinger), während die böhmischen Stände sich auf die Söldner verlassen hatten… Und katholische, dynastisch gesinnte Herren gab es da wie dort. Woher also der Unterschied?

Er ist weitgehend auf die akzidentielle Tatsache zurückzuführen, daß die neue, absolute Monarchie ihre Residenz in Wien wählte. Wäre Ferdinand II. in Prag statt in Wien geblieben, dann hätten sich die neuen Herrengeschlechter, all die Eggenberg und Piccolomini, n u r in Böhmen heimisch gefühlt; dann würde ein absolut beherrschtes, provinzielles Oesterreich an den emigrierten heimischen Adel, an die vertriebenen Starhemberg und Heberstein ebenso gedacht haben, wie Böhmen an die Hingerichteten und Exulanten. Vielleicht würden antihabsburgische Republikaner heute einem Tschernembl als dem letzten Kämpen österreichischer Unabhängigkeit Denkmäler bauen… So aber wurde die Barockzeit zur großen Zeit Oesterreichs.

Es kam noch etwas anderes hinzu. Jene Zeit wurde bald zur Verfallszeit der eigenen Nationalität Böhmens, auch deshalb, weil die neue Landesordnung Ferdinands II. der deutschen Sprache Gleichberechtigung verlieh. Auf diese wichtige Veränderung hätte der Autor übrigens mehr hinweisen sollen. Sonst aber hat er die wesentlichen Elemente der Zeit ausgezeichnet beschrieben.

Der Verfasser macht den Versuch sichtbar, eine — wenn ich so sagen darf — habsburgfreie Donauföderation zu errichten. Was die Rebellen wollten, war eine konföderierte Adelsrepublik; natürlich mit einem gewählten König an der Spitze, der zunächst sehr wohl hätte der angestammte Habsburger sein können. Hier ist nun die Schilderung interessant.

wie die Habsburger auch vor der eigentlichen Rebellion die Konföderation nicht förderten, die Länder vielmehr auseinanderhielten; man denkt an 1849, wo Felix Schwarzenberg die parlamentarische Einheitsverfassung der Monarchie auch zu verhindern wußte.

Wir müssen neben dem Inhalt auch den Stil des Buches loben: in leicht lesbarer Erzählung sind die Ereignisse — was oft noch schwerer zusammenzufassen ist — die ideengeschichtlichen Entwicklungen dargestellt. Die düstere Stimmung, die zum ganzen Zeitstil gehört, wird dem Leser faßbar. Welche Fehler wollen wir in dem spannenden Büchlein überhaupt anmerken?

Wir verzeihen dem Setzer, daß ihm der Name S m i f i c k y nicht gelingen will. Mehr bedauern wir,

daß der Autor in seiner „Auswahl" von Literaturhinweisen nur deutschsprachige Werke nennt. Es wäre doch zum „Bruderzwist“ wenigstens auf J. B. Novak zu verweisen; und zum ganzen Komplex eben doch auf Denis. Und sei es, um ihn zu widerlegen!

Einmal enttäuscht uns der Autor, als er mit wenigen Worten des Staunens über die unbegreiflichste, entscheidende Handlung des Winterkönigs hinweggeht: über dessen Einwilligung zur Kaiserwahl Ferdinands II. Wie war das nur möglich? Hier dürfte der Leser eine Erklärung verlangen. Mehr Eingehen auf anderes dürfen wir nicht verlangen; das handliche Format setzt dem Autor enge Grenzen. Der vorhandene Raum aber scheint uns vortrefflich ausgefüllt. Dr.

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