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Amerikas Balkan

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Die neue Welle politischer Morde und die auf den 1. März angesetzten Präsidentschaftswahlen rücken wieder einmal den mittelamerikanischen Staat Guatemala, den viele nur als Ursprungsland guten Kaffees kennen, in den Mittelpunkt des Welt-Interesses.

Auf diesem „Balkan Amerikas“ gab es bis 1944 nur Militärdiktaturen. Dann kamen zehn Jahre, in denen Linksintellektuelle durch schnelle

Sozialreformen ein Säkulum zu überspringen suchten. Aber Foster Dulles erreichte auf dem panamerikanischen Kongreß, 1954, einen damals ausschließlich auf Guatemala gemünzten Beschluß gegen die „kommunistische Infiltration auf dem Kontinent“. So begann eine neue 15jährige Ära von Militärdiktaturen, als der ultrarechte Oberst Castillo Armas sein „Befreiungsheer“ zu der „Invasion von Guatemala“ führte — ein Unternehmen, wie es später in der Schweinebucht gegen Kuba mißlang. Castillo Armas wurde 1957 von einem Mitglied seiner Garde ermordet, aber sein Geist ist in der heutigen Partei „M. N. L.“ (Movimiento de Liberaciön Nacional“ — „Nationale Befreiungsbewegung“) sehr lebendig geblieben.

Die Welle politischer Morde

erreichte ihren ersten Höhepunkt in den Jahren 1967 und 1968. Auf der rechtsradikalen Seite sind „M. A. N. O.“ („Movimiento de Acciön Nacional Organizada“ — „Bewegung für organisierte National-Aktion“) und „N. O. A.“ („Nueva Organizaciön Anticomunista“ — „Neue antikommunistische Organisation“) am aktivsten.

Die „M. A. N. O.“ ist 1967 in das Dorf Oratorio eingefallen und hat den kommunistischen Dorfsekretär und die einzige dortige Lehrerin erschlagen. Sie haben dann ein Elendsviertel („la Limonada“), das sie als „kommunistisch verseucht“ betrachteten, in Brand gesteckt, wobei u. a. fünf Kinder den Flammen zum Opfer fielen. Weiters haben sie Rogelia Cruz Martinez, die 1959 zur „Miß Guatemala“ gewählt worden war und als Parteigängerin der Guerilla bekannt war, vergiftet. Sie haben dann den Erzbischof von Guatemala, Monsignore Mario Casariego, auf vier Tage entführt, um die jetzige Regierung des linksliberalen Universitätsprofessors Dr. Julio Montenegro zum Rücktritt zu zwingen.

Auf der linken Seite

geht der Terror von den Guerillas aus, die in der „F. A. R.“ („Fuerzas Armadas Rebeides“ — „Revolutionäre Streitkräfte“), jetzt unter dem Rechts-Studenten Cesar Montes, und dem „Movimiento Rebeide 13 de no-viembre“ („Revolutionäre Bewegung 13. November“) unter dem Trotzki-sten und Peking-Parteigänger Yon Sosa organisiert sind. Sie haben den Chef der Militärmission der USA, John Webber, den Marineattache, Korvettenkapitän Ernest A. Munro, den nordamerikanischen Botschafter John Gordonn Mein, und den Führer der „M. A. N. O..“ Raul Lorenzana

1968 erschossen. Bei der neuen Attentatswelle, die im Dezember 1969 begann, sind bisher 14 Personen getötet worden. Zu den Opfern gehört einer der angesehensten Journalisten des Kontinents, der Mitgründer und stellvertretende Chefredakteur der Zeitung „Prensa Libre“, der 61jäh-rlge Isidro Zarco. Weiter ist u. a. der Chef der Geheimpolizei Attentaten zum Opfer gefallen. Die neue Terrorwelle hat die Regierung zur Verhängung des „kleinen Ausnahmezustandes“ veranlaßt, bei dem Verhaftungen und Durchsuchungen ohne richterlichen Befehl zulässig sind. Die Opposition hat daraufhin behauptet, daß die Regierung dadurch die Wahlpropaganda störe und eventuell auch die Wahlen absagen werde, bei der sie im übrigen einen weitgehenden Wahlschwindel befürchte. Der Kandidat der Regierungspartei (des „Partido Revolu-

cionario“), der liberale derzeitige Finanzminister Mario Fuentes Per-ruchini, hat daraufhin die Regierung aufgefordert, Beobachter der „O. A. S.“ („Organisation amerikanischer Staaten“) einzuladen. Die Opposition von rechts — der „M. L. N.“ hat den Obersten Manuel Arana Osorio aufgestellt, der die Guerillas erfolgreich, aber mit barbarischen Methoden bekämpft hatte und nun die Rolle des „starken Mannes“ spielen will. Die Opposition von links hat sich mit der in Guatemala zum erstenmal auftretenden christdemokratischen Partei vereinigt; ihr Kandidat ist paradoxerweise der frühere Oberst Lucas Caballero, zur Zeit Professor für Nationalökonomie an der Staatsuniversität, der unter zwei früheren rechtsgerichteten Regierungen (denen von Ydtgorai Fuentes und Peralta Azurdio) das Amt des Finanzministers bekleidete.

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