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An den Rand geschliben

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IN GANZ KLEINEM KREIS. „Es sind sowieso Antrittsbesuche fällig ... In ganz kleinem Kreis, in persönlichem, menschlichem Gespräch mul zuerst die Ausgangsbasis zwischen den Koalitionspartnern gefunden werden." Mit dieser Ankündigung antwortete der neugewählte Bundesparteiobmann der Volkspartei, Doktor Klaus, auf den „Mißtrauensvor- schuf)",mit dem sich die sozialistische Presse aus der Affäre ziehen wollte. Auf die beleidigenden Äußerungen und Verdächtigungen sozialistischer Spitzenpolitiker zu antworten, lehnte Klaus zugleich ab, er beschränkte sich bei dieser seiner ersten Begegnung mit der Presse als Obmann der OVP auf die Klarstellung, daß sich die neue Führung dieser Partei selbstverständlich an das Arbeitsübereinkommen mit dem Koalitionspartner, das die Unterschrift Bundeskanzler Gorbachs trägt, halten wird. Auf die Zwischenfrage eines sozialistischen Journalisten, warum der Generalsekretär der Partei dieses Abkommen nicht unterschrieben hat und ob er es nun unterschreiben werde, antwortete dieser: „Darüber läßt sich reden." Klaus nannte drei Alternativen für einen Ausweg aus der gegenwärtigen innenpolitischen Krisensituation: Fortsetzung der gegenwärtigen Koalition, falls diese neue Impulse und neue Aufgaben erhält; Zusammenarbeit aller staatstragenden Parteien; die dritte Alternative sei gegenwärtig nicht aktuell. Inzwischen hat der erste persönliche Kontakt zwischen den beiden Koalitionspartnern stattgefunden, der nach Ansicht der ÖVP-Politiker zu einer neuen Interpretation des bestehenden Arbeitsübereinkommens hinsichtlich einer Erweiterung des koalitionsfreien Raumes dienen soll.

BOMBEN UND BOMBENWERFER.

Während die österreichische UNO- Delegation sich gerade zur Flugreise nach New York rüstete, wo die nächsten Kontakte und Auseinandersetzungen über die Südtirolfrage stattzufinden haben, explodierte eine Zeitbombe in der Saline in Ebensee, wobei der Rayonsinspektor Gruber von der Bombe zerrissen wurde und zwei weitere Beamte der Erhebungsabteilung Linz schwer verletzt wurden. Auch die übrigen Zeitbomben, die in der Saline und auf einer Seilgondelbahn, ęntstefikl WMfd D, JÖwie. das in die Luft gesprengt ; Denkmal, an der Traunsee-Uferstraße zeugen von einem Plan, der auch Menschenopfer unbedingt einkalkulieren mußte. Der Bombenkrieg auf Kosten zweier zivilisierter Völker im Herzen Europas geht also „munter" weiter, ja, er verlangt nach Menschenleben, nach Blut und zerrissenen Gliedmaßen, nach Witwen und Waisen. „Hände weg von den Carabinieri!" stand auf Zetteln, die in der Nähe der Tatorte gefunden wurden. Welche Verblendungl Die Täter und Initiatoren, die in solchen und ähnlich hohlen Phrasen genügend Grund sehen, andere in den Tod zu schik- ken und Gewaltakte mit unabsehbarem Ausgang zu verüben, weisen auf ein Problem hin, das tiefer liegt als der ganze Südtirolkonflikt, und dessen Ursachen liegen tief genug.

AUFGESCHOBEN. Wenn der für den letzten Mittwoch angekündigte Streik der dreihunderftausend Arbeiter in der — zumeist verstaatlichten — Metallbranche abgesagt wurde, um den Sozialpartnern Zeit für eine weitere Annäherung der Standpunkte und schließlich für eine Einigung zu lassen, dann bedeutet das auch, daß der Großteil der Redner bei der feierlichen Eröffnungssitzung des Gewerkschaftsbundkongresses recht behielt und daß der Vizekanzler, der in seiner Rede, im Gegensatz zu seinen Mitrednern, nicht den Geist der Zusammenarbeit, sondern den des Klassenkampfes heraufbeschworen hatte, nicht recht behalten konnte. In diesem Zusammenhang ist es besonders zu bemerken, daß die Hauptstoßrichtung der Forderungen der Metallarbeiter und auch der Grund des vorläufigen Scheiterns der Verhandlungen nicht so sehr der Wunsch nach mehr Lohn war, sondern der nach einer Abfertigung und nach mehr Urlaub, wie auch die gleichen Forderungen unter den Anträgen, die bei dem Kongreß eingebrachf wurden, im Vordergrund des Interesses stehen. Zur sachlichen Zusammenarbeit, zur Demokratie, aber darüber hinaus auch zur christlichen Soziallehre bekannten sich schließlich die Teilnehmer an einer Kundgebung, welche die Bundessektion Christlicher Gewerkschafter am Vorabend des Gewerkschaftskongresses in Wien abhielt und auf der Unterrichtsminisfer Drimmel eine richtungweisende Rede für den „Christ in der Gesellschaft und im Staat von heute" hielt. „Ordnung ohne Gott muß immer Unordnung und krasse Ungerechtigkeit sein", sagte Minister Drimmel unter anderem.

KEIN PRIVATGESPRÄCH. Der Abschiedsbesuch des deutschen Bundeskanzlers bei seinem großen Freund Charles de Gaulle wurde in der Presse als private Begegnung angekündigt. Er war alles andere als das. Im Gegenteil: nicht einmal die Tatsache des Abschiednehmens wurde in den offiziösen Kommentaren besonders hervorgehoben. Nicht nur de Gaulle und Adenauer, sondern auch Frankreich und die Bundesrepublik sind und bleiben Freunde, die die Position des anderen verstehen und nach Kräften unterstützen wollen. Daran wird sich wohl auch nach dem bevorstehenden Rücktritt Adenauers als Kanzler zunächst nichts ändern, erstens, weil Adenauer und seine Politik noch immer genügend breite Unterstützung in Bonn finden wird, und zweitens, weil die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern in der Natur der Sache liegen. Gerade die Entspannungspolitik der USA macht ein Näherrücken der europäischen Verbündeten für diese zu einer selbstverständlichen Notwendigkeit, die wohl auch von allen Teilnehmern dieser Politik einkalkuliert und nicht zuletzt auch als wichtiger Stabilisierungsfaktor angesehen wird.

KENNEDY UND GROMYKO. Die bisherigen Hauptakzente der gegenwärtig laufenden Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York bildeten zwei Reden: die des amerikanischen Präsidenten und, vor ihm, des Außenministers der Sowjetunion. Wenige Tage später ratifizierte der Senat in Washington das Moskauer Atomteststop-Abkom- men mit überraschend großer Mehrheit. Die weltweite Entspannungs- ‘ politik zweier Großmächte und Rlva- len- .schickt sich an, -einen’ weiteren Schritt zu tun. Aus den beiden Reden konnte man manches heraushören, was auf die nächsten Ziele dieser Politik schließen läßt, auf der einen wie auf der anderen Seite. Gromyko schlug vor, die Massenvernichtungswaffen dem Weltraum fernzuhalfen. Seinen Beteuerungen der friedlichen Absichten und des Wunsches nach Koexistenz, die seine Regierung hege, widersprach allerdings seine Hetze gegen die Bundesrepublik Deutschland. Dieser Teil seiner Rede wurde von amerikanischer Seife auch umgehend beantwortet. Kennedy selbst betonte auch: Alle Schritte zu friedlicher Zusammenarbeit werden in Übereinstimmung mit Amerikas Verbündeten zu unternehmen sein. Er schlug reelle Zusammenarbeit im Weltraum — eine gemeinsame Expedition zum Mond etwa — vor, aber ließ zuqleich durchblicken, daß er die größere Schwierigkeit in der Zusammenarbeit auf der Erde erblickt...

WEITERE WETTERVERSCHLECHTE

RUNG. Bei andauernder Aufhellung der Großwetterlage melden die politischen Meteorologen eine weitere rapide Verschlechterung des Wetters über Moskau und Peking. Die Sowjetrussen sind kürzlich dazu übergegangen, von Grenzverletzungen — sie nennen gleich 5000, die sich in den letzten drei Jahren zugetragen haben sollen — und von dem Mißbrauch der „gewaltigen militärischen Hilfe der Sowjetunion" zu sprechen, wobei sie unter letzterem das chinesische Vorgehen gegen Indien meinen. Die indische Regierung habe Grund, sich darüber zu beklagen, daß die chinesischen Truppen sowjetische Waffen gegen Indien anwenden, heißt es in einer Moskauer Regierungserklärung. Der Streit hat also längst seine erste, wenn auch wichtigste, ideologische Phase überschritten, er ist in seine wohl konventionelle, aber gerade deshalb gefährlichste Phase getreten; nach den Ideologen haben jetzt die Diplomaten das Wort. Und morgen?

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