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An den Round geschrieben

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WIRBEL UM DAS HEER. Österreichs Bundesheer scheint seit einiger Zeit — weit mehr, als ihm lieb ist — immer wieder im Mittelpunkt innenpolitischen Zwists zu stehen. Nach Abrüstungs- und Diensfzeitverkürzungsvorschlä- gen, die von der einen Seite ebenso vehement forciert wie von der anderen Seite abgelehnt werden, brachte der Landesverfeidigungsbericht für kurze Zeit Ernüchterung über die beiden streitbaren Heerhaufen: Die triste Situation unserer Verteidigung, das erschreckend realistische Bild, das sosehr im Gegensatz steht zu den pathetischen Parlamentsreden, dies alles brachte für kurze Zeit wieder jene Gemeinsamkeit von 1955 zum Ausdruck, als sich beide Koalitionsparteien entschlossen, ein Instrument zum wirkungsvollen Schutz der Grenzen aufzustellen. Diesmal hat sich die Auseinandersetzung um das Heer an einer Aktion entzündet, die der Bevölkerung Einzelheiten der Ausrüstung demonstrieren sollte. Nicht mehr. Der Vergleich freilich, den sich das sozialistische Zentralorgan leistete, ist mehr als übertrieben, schrieb es doch von „verletzten Gefühlen bei der Bevölkerung”, die die Okkupation des Landes durch militärische Verbände 30 Jahre nach dem 12. Februar 1934 zweifellos hervorrufen muffle. Und damit scheint der gemeinsamen Verantwortung für Fragen der Landesverteidigung endgültig das Lebenslicht ausgeblasen zu sein! Denn die mehr als unzarte Erinnerung an eine Tragödie und deren Opfer, derer man vor einem halben Jahr in schönen Reden gedachte, drückt das ganze Mißtrauen und Unbehagen der zweiten Regierungspartei dem Heer der Zweiten Republik gegenüber aus.

WSW. Lang zogen sich die Verhandlungen, bis schliefflich die deutschen Siemens-Werke den beiden verstaatlichten österr. Siemens-Werken das Recht, den tradifionsreichen Namen zu führen, entzogen. Der Grund? Nichteinigung über die prozentuelle Beteiligung des deutschen Siemens- Hauses. Und so wird Siemens auf dem innenpolitischen Tisch zum Schwarzen Peter, den sich — zum Mißvergnügen der Kiebitze — die beiden Partner gegenseitig zuzuspielen suchten. Nicht ganz verantwortbar freilich war die Propaganda, die größtenteils auf Kosten der Arbeitnehmer betrieben wurde. Vom drohenden Verlust der Arbeitsplätze wurde da ebenso gesprochen wie von mangelnder Konkurrenzfähigkeit. Manche Blätter wußten sogar zu berichten, daß Techniker der Entwicklungsabteilung bereits auf der Suche nach einem neuen Posten sind. Inzwischen hat sich die Unruhe gelegt. Die Arbeitsplätze bleiben gesichert. Und auch der Eindruck einer nationalen Katastrophe, der von mancher Seife über das Scheitern der Beteiligungsverhandlungen hervorgerufen wurde, verblaßt bereits. Die Wiener „Siemens”-Leufe — auch wenn sie den Namen nicht mehr führen — sind sicherlich auch ohne kräftige Kapitalinjekfionen in der Lage, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Und die verstaatlichte Industrie sieht sich plötzlich aus dem etwas behäbigen Dasein herausgerissen. Sie soll und muß am Beispiel WSW ihren Kritikern beweisen, daß sie auf eigenen Beinen stehen kann.

IM DIENSTE DER LANDWIRTSCHAFT. Im Alter von 61 Jahren ist dieser Tage nach langer, schwerer Krankheit der ehemalige Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und Vorsitzende der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, Okonomierat Josef Strom- mer, auf seinem Hof in Mold verschieden. Schon 1962 hatte Josef Sfrommer aus gesundheitlichen Gründen beide Funktionen, die er über ein Jahrzehnt innegehabt hatte, zu- rückaelegf. Die österreichische Land- und Forstwirtschaft hat durch die Tätigkeit Josef Strommers einen großen Aufschwung erfahren, nahm er doch entscheidenden Einfluß auf das Zustandekommen des Marktordnungsgesetzes, des Landwirtschaftsgesetzes mit dem „Grünen Plan” und vieler anderer Gesetze zugunsten der österreichischen Land- und Forstwirtschaft. Mit besonderer Sorgfalt widmete sich Präsident Strommer stets allen Preis- und Absatzfragen und damit auch Problemen des Außenhandels. Österreichs Landwirtschaft hat viel nachzuholen, um den Anschluß an eine moderne, zeitgemäße Agrartechnik nicht zu verpassen. Präsident Strommer hat dies klar erkannt und in zahlreichen Reden, Artikeln und Broschüren immer wieder dargelegt. Die österreichischen Bauern haben einen Fachmann und guten Ratgeber verloren.

VOR ZWANZIG JAHREN. Am 1. August 1944 brach der „Sturm” — so das Losungswort des großen Aufstandes — über Warschau aus. Mehr als zwei Monate kämpften die in der AK (Heimatarmee) organisierten Polen, gelenkt von einem ehemaligen k. u. k. Offizier, dem General Bor-Komo- rowski, gegen eine gewaltige deutsche Übermacht, nichts ahnend von der Tragik, daß bereits der „Kalte Krieg” der Zukunft die Operationen dieses verzweifelten Befreiungsversuches bestimmte. Denn die nahe Rote Armee griff nicht in den Kampf ein. Moskau hatte kein Interesse am Sieg einer nichtkommunisfischen, bewaffneten polnischen Armee. Und so kostete das Zögern Stalins einer Viertelmillion Warschauern das Leben. Jahrelang wurde der Aufstand von dem neuen Regime totgeschwiegen. AK waren Buchstaben, die in „Volkspolen” Verfemung, ja neue Verfolgung bedeuteten. Seit 1956 denkt man etwas anders. Aber selbst heute, nach zwei Jahrzehnten, erinnert sich das offizielle Polen, daß der Befehl zum Aufstand aus London gekommen war. So erklärte etwa die „Tribūna Ludu”: „Wir gedenken der Opfer des Aufstandes; aber wir können nicht vergessen, daß dies ein politisches Spiel war, dem die Furcht vor den linksgerichteten Kräften, vor einem Volkspolen, zugrunde lag.” „Gloria victis” steht auf dem schlichten Denkmal, das auf dem Warschauer Powazki- Friedhof zu Ehren der Opfer enthüllt wurde. Ruhm den Opfern — und ehrendes Andenken ihrem einsamen Kampf.

EIN WEISSER PUNKT UND DANN STAUB. Die Männer an den Fernsehschirmen jubelten, als sie dieses etwas ungewöhnliche Programm beobachteten. Allerdings handelte es sich bei dem weißen Punkt, dessen Explosion beobachtet wurde, um das US-Raum- schiff „Ranger VII”, dessen erfolgreicher Flug von den Wissenschaftlern mit Spannung beobachtet und dann der stolzen Nation mitgeteilt wurde. Groß war die Begeisterung in den Vereinigten Staaten, die unruhige Wochen hinter sich hatten und die mit einiger Besorgnis dem Ergebnis des Wahlkampfes, der allerdings noch gar nicht begonnen hat, entgegensehen. Das Weltraumschiff vom 1. August war das nicht zu übersehende Startsignal eben dieses Wahlkampfes, ein Startsignal, das für Präsident Johnson nicht zuletzt eine gute Starthilfe ist. Johnson, dessen Renommee durch seine undurchsichtige Haltung in der „Bobby-Baker-Affäre” ohnehin leicht angeknackt ist, hat gegen den anscheinend unbeirrbar wei- terschreifenden Goldwafer wieder einiges Terrain gewonnen. Die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur bezeichnete in einem Kommentar den „Ranger’-Versuch als wünschenswerten Fortschritt und als bemerkenswerten Beitrag zum Studium des kosmischen Raumes. Die kleinen grünen Männer freilich — schrieben einige weitverbreitete Zeitungen bedauernd — hatten sich dem Photographiertwerden entzogen…

KATASTROPHE UNTER TAG. Die unglücklichen Bergleute in der Grube von Champagnole haften schon mit dem Leben abgeschlossen. Seit einer Woche im Berg verschüttet, scheiterten die ersten Rettungsversuche an der Ungunst der Witterung und des Geländes. Auch technische Pannen treten immer wieder auf. So zielte eine der Rettungsbohrungen genau auf die Stelle, an der unter Tag Sprengmaterial aufbewahrt wird. Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes wäre eingetreten, Retter und Opfer wären getötet worden. Seit einer Woche warten nun schon die Angehörigen vor den geschlossenen Toren der Grube. Die zweifelhaften Geschäfte, die findige Reporter während der Bergung der Verschütteten in Lengende gemacht hatten, wurden von der Polizei bisher unterbunden. Die menschliche Solidarität und Hilfsbereitschaft und die Anteilnahme ganz Europas ist bei den Bergleuten, die eben dem unterirdischen Gefängnis entrissen wurden.

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