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An der dritten Schwelle

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Anläßlich der Italienischen Bischofskonferenz im April dieses Jahres befaßte sich Papst Paul VI. eingehend mit den Arbeiten des Konzils und sagte dazu folgendes: „Ihr wißt, welch großes Ereignis dieses ist und ihr kennt die schwierigen und komplexen Probleme, die es aufwirft und die mit dem Fort- schreiten des Konzils immer mehr an den Tag kommen. Selbst die Tatsache, daß es nur langsam zu plausiblen Schlußfolgerungen kommt, führt zu einer gewissen Müdigkeit, zu eiher gewissen Ungeduld und zu manchen willkürlichen Prophezeiungen.“ Das Konzil müsse man aber absolut positiv beurteilen. Es sei „eine Gnade, die der Herr der Kirche ge&heiikt hat“, eine einmalige Gelegenheit für die Kirche, so viele praktische und besonders seelsorgliche Fragen ausführlich und gemeinsam zu studieren, aber auch solche Fragen, die wichtige Punkte der Lehre betreffen. Das Konzil sei „ein Versuch auf höchster Ebene, das Wirken der Kirche den Verpflichtungen ihrer Sendung und den Bedürfnissen ihrer Zeit anzugleichen. Weder Lasten noch Mühsal noch Schwierigkeiten, weder Änderungen noch Ansprüche, die das Konzil mit sich bringen kann, dürfen uns davon abhalten, es mit voller geistiger Hingabe zu begehen“.

Das Programm des Konzils

Die Konzilskommissionen haben zwar ihre Arbeit noch nicht ganz, aber trotzdem weitgehend abgeschlossen. Man weiß heute, was noch auf dem Programm dės Konzils steht: sechs Schemata und sechs Reihen von Vorschlägen und ein Votum. Diese Arbeit wird wahrscheinlich erst in einer 4. Sitzung im Frühjahr 1965 abgeschlossen werden können. Ein außerordentlich präziser Bericht Kardinal Döpfners auf einer Zwischensitzung hat zu einer strengen Überprüfung geführt. Zwar wird die allgemeine Geschäftsordnung des Konzils nicht geändert, aber man wird sie straffer anwenden, um Wiederholungen zu vermeiden. Die Moderatoren werden größere Vollmachten erhalten, so daß sie eigentlich wirkliche Legaten des Papstes genannt werden können.

Es bleibt also zur Behandlung:

1. das Schema über die Offenbarung, das überarbeitet ist und diskutiert und zur Abstimmung gebracht werden muß;

2. das Schema über die Kirche, bereichert durch ein neues Kapitel über die Gottesmutter, und ein zweites über die Wiederkunft Christi am Ende der Tage;

3. das Schema über die pastorale Aufgabe der Bischöfe in der Kirche, das sehr stark modifiziert wurde;

4. das Schema über den Ökume- nismus, ebenso nach einer vorausgehenden Diskussion modifiziert und erweitert durch zwei Deklarationen über die religiöse Freiheit und über die Juden und die Niditchristen;

5. das Schema über das Apostolat der Laien;

6. schließlich das große Schema 17 über die Kirche in der Welt von heute, über das man noch nicht viel sagen kann.

Es folgen sechs Reihen von „Pro- Positionen“, eine neue Benennung der alten Schemata, die ohne vorausgehende Debatte zur Abstimmung gebracht werden könnten, außer wenn die Konzilsväter eine Debatte verlangen: 1. die orientalischen Kirchen, 2. die Missionen, 3. die Reli giösen, 4. die Priester, 5. die prie- sterliche Bildung, 6. die katholischen Schulen.

Schließlich sind die Konzilsväter aufgerufen, über ein Votum abzustimmen, das das Sakrament der Ehe betrifft.

Der Großteil der Texte befindet sich schon in der Hand der Konzilsväter. Die dritte Konzilsperiode wird reich an Überraschungen sein, um so mehr, als sich das Konzil seinem Ende nähert. Es begann mit der Diskussion über das siebente Kapitel des Kirchenschemas, besonders über die Kollegialität der Bischöfe.

Kommt es zur Heiligsprechung Johannes’ XXIII.?

Vielleicht wird diese dritte Konzilsperiode noch durch eine andere Überraschung ihr Gepräge erhalten: Wird die Welt die Überraschung einer Heiligsprechung, nämlich der Johannes’ XXIII. erleben? Zeitungen haben schon öfters darüber gesprochen. Besonders anläßlich des ersten Jahrestages des Todes Johannes’ XXIII. Unter der Initiative der Kongregation der Väter vom Heiligsten Herzen, die durch Msgr. Radini- Tedeschi begründet war, dessen Sekretär Msgr. Roncalli war, wurde in der Diözese Bergamo auf Grund von 50.000 Unterschriften die Bitte der Seligsprechung Papst Johannes’ XXIII. vor dem Bischof erhoben. Diese Bitte ist ein eleitet durch einen feierlichen Text aller Kanoniker der Kathedrale. Man sagt, daß ähnliche Petitionen' in großer Zahl aus ganz Italien den Bischof von Bergamo erreichen.

Man erinnere sich daran, daß eine ähnliche Initiative schon im vergangenen Jahr für den Bischof von San Sebastian erhoben wurde. Man fragt nun, ob dieser Beatifikations- prozeß alle langen und minutiösen Prozeduren der Ritenkongregation durchlaufen müsse. Die Erinnerung an den „guten Papst Johannes“ ist so lebendig, die Verehrung so allgemein, besonders auch von Seite Papst Pauls VI., daß man die Hoffnung jener nicht für unvernünftig halten kann, die eher an eine Kano- nisation nach sehr alter Tradition glauben. Das Konzil könnte in einem begeisterten Elan an den Papst die Bitte richten, Johannes XXIII. in den Katalog der Heiligen einzutragen.

Von einem gewissen Standpunkt aus würde dieses Ereignis in der Welt einen größeren Widerhall finden als eine andere Nachricht oder feierliche Erklärung. Von der Möglichkeit träumen nicht bloß die Journalisten oder Sensationsgierigen, sondern sehr ernste Spezialisten der Ritenkongregation. Schon während der zweiten Sitzungsperiode hat man davon gesprochen, und die Idee wurde mit großer Freude aufgenommen. Auch hier kann man sagen, daß Pius XI. den Seligen Albert den Großen ohne Prozeß der Ritenkongregation heiliggesprochen hat.

Wie denkt Papst Paul VI. über diese Angelegenheit? Er hat noch als Erzbischof von Mailand ein Buch veröffentlicht unter dem Titel „Papst Johannes XXIII. im Geiste und im Herzen seines Nachfolgers“. Bei der Wahl Johannes XXIII. sagte der Erzbischof von Mailand über ihn in prophetischer Weise: „Er wird größere und erhabenere Dinge tun, als sich unsere Einbildung vorstellen kann.“ Die Überraschung einer solchen Heiligsprechung würde jedenfalls wieder weit über die Kirche hinaus ihren Widerhall finden. (Vgl. „Orbis catholicus“, 18, 1964 Seite 462 bis 464; „Informations catholiques internationales“ 218, 15. Juni 1964, Seite S.)

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