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Angriffe gegen den Altkanzler

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Die Niederlage im Landhaus wurde von den Streitern der linken Reichshälfte mit Blickwinkel auf die Herbstwahlen prompt ausgewertet. Allerdings anders, als erwartet. Wie üblich, nahm man Landeshauptmann Figl ins Kreuzfeuer, man bezeich- nete ihn aber nun nicht als „Landvogt“ — als den man ihn vor nicht langer Zeit hingestellt hatte —, sondern als einen schwachen Mann, der den Weg Gorbachs gehen und nach der Landtagswahl nicht mehr lange im Amt sein werde. Figl, so erklärte der SPÖ-Landesobmann NR Winkler, hätte mit den Sozialisten sicherlich einen Kompromiß in Sachen Schulgesetz geschlossen, doch seien die ÖVP-Mitglieder des Schulausschusses schroff dagegen gewesen.

Ein ÖVP-Manctatar meinte dazu: „Das ist nur ein raffinierter Propagandatrick; weil der Landvogt bei der Bevölkerung nicht die beabsichtigte Wirkung erzielte, will man die große Popularität Figls durch die neue Legende vom schwachen Mann untergraben. Im übrigen haben die Sozialisten die geringste Ursache, Parteidisziplin als Schwäche auszulegen, weil gerade in ihrer Partei ein eiserner Klubzwang herrscht.“

Man könnte diese Auseinandersetzungen und Angriffe als Vorwahlgeplänkel abtun, wenn, ja wenn es nicht innerhalb der Volkspartei einige namhafte Funktionäre gäbe, die an der Politik des Landeshauptmannes Kritik führten. Nun, es ist bekannt, daß die ÖAAB-Mannen nicht alle zur Prätorianergarde des Altbundeskanzlers gehören, schließlich ist Landeshauptmann Figl (auch dem „Bekenntnis“ nach) ein Bauem- bündler. Und kleine Spannungen muß man in einer demokratischen Partei in Kauf nehmen. Auch sachliche, positive Kritik müßte man anerkennen; übrigens hat Landeshauptmann Figl bei diversen Parteitagen dazu aufgefordert; denn es ist auch in der ÖVP-Hochburg Niederösterreich nicht so, daß einer, der es wagt, der Parteiführung Unpopuläres zu sagen, auf dem Scheiterhaufen endet, besser ausgedrückt, Ins politische Ausgedinge geschickt wird.

Kritik sollte freilich offen und nicht hinterrücks, sie sollte die Form einer, wenn auch harten Diskussion zwischen Angreifern und Angegriffenen haben, aber nicht die Form einer Mundpropaganda. Wäre das der Fall, würde aus einer für die Demokratie durchaus charakteristischen Auseinandersetzung eine innerparteiliche Blutvergiftung. Und solche Späße kann sich selbst die starke niederösterreichische Volks- partea nicht leisten, vor allem dann nicht, wenn Wahlen vor der Tür stehen.

Im übrigen sollten sich jene Kreise innerhalb der ÖVP, die negative Kritik am Landeshauptmann üben, im klaren sein, daß es derzeit im Wirtschaftsbund und im ÖAAB keinen Mann gibt, von dem man annehmen könnte, daß er die naturgegebenen Spannungen zwischen den Bünden zu überbrücken vermöchte. Dazu ist es in Ndederöster- reich ein ungeschriebenes Gesetz — das wird sich wohl auch nicht von heute auf morgen ändern —, daß der Bauernbund den Landeshauptmann stellt. Nun leben wir aber nicht mehr im Heldenzeitalter des Bauernbundes, und Bauemführer vom Format eines Stockier, Buchin- ger und Reither müssen aus der jüngeren Generation erst hervorgehen.

Welche Angriffe sind es nun, die gegen den niiederösterreichischen Landeshauptmann, der mehr als so mancher andere für seine Heimat getan hat, vorgebracht werden? Nicht selten hört man in gewissen Kreisen, daß Landeshauptmann Figl zuwenig hart in seinör Politik gegenüber den Sozialisten sei, daß er deren Salamitaktik — sich Stück für Stück die Positionen zu erkämpfen — nicht durchschaue.

Ein ausgezeichneter Start

Drehen wir das Rad der Zeitgeschichte etwas zurück: Am 31. Jänner 1962 wurde der damalige

Erste Nationalratspräsident, Dipl.- Ing. Leopold FigJ, nach dem Tod von Johann Steinböck einstimmig zum neuen Landeshauptmann von Niederösterreich gewählt. Ganz gegen die politische Tradition gab die „Opposition“ (die 25 sozialistischen Abgeordneten) keine weißen Stimmzettel ab. Das war wohl in erster Linie eine Achtung der Verdienste eines Mannes, der in entscheidender Zeit für Österreich an der Front stand. Tatsächlich hatte die Zusammenarbeit zwischen Landeshauptmann Figl und seinem Stellvertreter, Exjustizminister Dr. Tschadek, wie überhaupt zwischen Volkspartei und Sozialisten, einen guten Start.

Damals gab es noch keine Beamtenversetzungen durch den Innenminister, im ÖAAB-Organ fand man wohl die Ratschläge des „Onkel Rudi“ bei allerlei Liebeskummer, jedoch keine politischen Knüller; die Beschlüsse in der niederösterreichischen Landesregierung wurden meist einstimmig verabschiedet, und von einer „schwarzen Volksderho- kratie“ war noch keine Rede.

Als Landeshauptmann Figl und seine Mannen bei den Novemberwahlen im Jahre 1962 einen glänzenden Sieg buchen konnten — die SPÖ büßte in Niederösterreich ein Nationalratsmandat ein —, kündigte sich bereits eine erste Wetterverschlechterung am politischen Him mel an. Die Zusammenarbeit mit den Sozialisten wurde schwieriger. Es kamen die linken Angriffe gegen die Bezirkshauptmannschaften, gegen die ÖVP-Personalpolitik, und der Slogan von der „schwarzen Volksdemokratie“ wurde geprägt. Das ruhige Kernland Österreichs war plötzlich zum politischen Krisenherd geworden.

Zwei Seelen in einer Brust

Die neue Ära des politischen Stils in Niederösterreich hat innerhalb der beiden großen Parteien zu nicht geringen Auseinandersetzungen geführt. Auch in der SPÖ kam es zu Frontenbildungen. Es hieß, daß Landeshauptmannstellvertreter Doktor Tschadek mit der Gangart, die Staatssekretär Rösch und Minister Olah einschlugen, zuerst nicht einverstanden war. Die Diskussion um die „verschiedenen Wege zum Sozialismus in Niederösterreich“ dürfte aber mit dem Parteitag, der noch vor den Sommerferien in Sankt Pölten stattfand, beigelegt worden sein. Es war offenbar ein Sieg der Parteidisziplin, denn NR Winkler bleibt Landesparteiobmann, Doktor Tschadek fungiert als Spitzenkandidat für die Landtagswahlen, und Minister Olah kam ins Parteipräsidium.

Die scharfen Auseinandersetzungen mit den Sozialisten haben die ÖVP-Schlachtreihe offenbar nicht im selben Maß gestärkt. Die zwei Seelen in der Brust der Volkspartei reagierten verschieden auf den neuen Kurs der SPÖ. Die einen, mit Landeshauptmann Figl an der Spitze, traten für eine weitere Zusammenarbeit ein, bemühten sich um ehrliche Kompromisse; eine andere Gruppe, geführt von einigen ÖAAB-Funktionären, drängte auf eine Politik nach der Art „auf einen harten Klotz gehört ein harter Keil“.

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