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Anschluß an den ..Westen”?

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Der Haushaltsplan eines Bundeslandes ist ohne Zweifel ein Gradmesser für die wirtschaftliche Stärke, für die soziale Situation und Stoßkraft wie auch für die kulturelle „Kapazität” eines Landes. Niederösterreich versucht mit seinem Budget für 1966, das jüngst im Landtag beschlossen wurde, den allmählichen Anschluß „an den Westen” — an den Standard der westlichen Bundesländer — zu erreichen. Das fast zweieinhalb Milliarden umfassende Budget bietet einigen Spielraum für die Förderung der Wirtschaft und des Fremdenverkehrs, für die so notwendige Verbesserung der Infrastruktur, für die Hebung des Gesundheitswesens und für die Intensivierung der kulturellen Ausstrahlungskraft.

Spiegelbild der Wünsche

Um es gleich vorwegzunehmen: die Debatte im niederösterreichischen Landhaus, wie gewöhnlich ein Spiegelbild der Wünsche und Forderungen der Volksvertretung und damit auch der Bevölkerung im Land unter der Enns, ging verhältnismäßig ruhig über die Bühne. Sieht man von dem scharfen Angriff der jungen Avantgardisten in der niederösterreichischen SPÖ gegen die Newag ab, ein Angriff, der möglicherweise auch nicht ganz im Sinne des alten SPÖ-Trium- virates, verkörpert durch Landeshauptmannstellvertreter Dr. Tscha- dek und die Landesräte Kuntner und Vf enger, gelegen war.

Der Schuß vor den Bug der Newag, für deren Arbeit ja auch die Sozialisten mitverantwortlich zeichnen, könnte unter Umständen mehr als ein Wahlkampfgeschoß gewesen sein, er könnte auch mit innerparteilichen Auseinandersetzungen der sozialistischen Führungsgremien in Niederösterreich verbunden sein. Die ÖVP hat die große Wachablöse bekanntlich bei den letzten Landtagswahlen vollzogen, in der SPÖ wurde sie verschoben. Möglich, daß der Tag X nicht mehr allzu lange auf sich warten läßt, zumal die Gesundheit des sicherlich allseits geachteten und stets maßvollen Landeshauptmannstellvertreters Doktor Tschadek etwas angeschlagen ist. Staatssekretär Rösch, SP-Landes- parteisekretär Marsch und Genossen befürworten eine härtere Politik gegenüber der ÖVP-Mehrheit und sie werden wohl früher oder später das Zepter in- den linken Bankreihen des niederösterreichischen Landhauses in die Hand nehmen. Ob aber eine Politik der harten Hand in Niederösterreich — olala, wir erinnern uns noch — der SPÖ Zinsen einbringen wird, muß erst abgewartet werden.

Wirtschaft und Infrastruktur

Daß das Budget in Niederösterreich schließlich doch einstimmig verabschiedet werden konnte, ist ein Zeichen für den noch vorhandenen Willen zur Zusammenarbeit, der stärker ist als die divergierenden Kräfte. Einer Zusammenarbeit, für die bei der Verwirklichung des Haushaltsplanes für 1966 noch ein großes Bündel an Aufgaben und Problemen wartet.

Die schweren Kriegsschäden in Niederösterreich und die zehnjährige Besatzungszeit waren bekanntlich ein großer Hemmschuh für die Entwicklung der Wirtschaft im Lande unter der Enns. Leider hat sich Niederösterreichs Wirtschaft von den damaligen Rückschlägen noch immer nicht ganz erholt. Es bedarf noch kräftiger Injektionen, um den Anschluß an den „Westen” einigertnaßen zu finden, einen Anschluß, der im Zeitalter der großen Märkte zu einer Existenzfrage werden kann. Wie der Vizepräsident der niederösterreichischen Handelskammer, Abg. Schneider, jüngst erklärte, würde die Wirtschaft in Niederösterreich ein Kapital in der Höhe von 20 Milliarden (!) Schilling benötigen um „gleichzuziehen”. Auf Grund einer eingehenden Untersuchung hat man festgestellt, daß ullein die 21.000 Betriebe im Handel derzeit rund vier Milliarden Schulden haben. Da ist also vieles nicht Gold, was glänzt!

Im niederösterreichischen Haushaltsplan für 1966 scheinen zehn Millionen für den sogenannten Be- triebsinvestitionsfonds auf, durch den industrielle Neugründungen gefördert werden. Dem Wirtschaftsförderungsfonds werden vier Millionen zugeführt. Als Beihilfe für die Errichtung von Lehrlingsheimen sind zwei Millionen vorgesehen, für allgemeine Förderungsbeiträge und Notstandsmaßnahmen scheinen 5,25 Millionen im Budget auf. Für Maßnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs wurden übrigens mehr als 16 Millionen Schilling eingesetzt. Hier ist eine gewaltige Steigerung gegenüber den letzten Jahren zu verzeichnen (1965: 7 Millionen, 1964: 4,9 Millionen). Diese Anstrengungen müssen nicht zuletzt deshalb gemacht werden, damit Niederösterreich das Ausflugsland und die Skischule der immer anspruchsvoller werdenden Wiener bleiben kann.

Die Entwicklung der Wirtschaft, hier insbesondere auch des Fremdenverkehrs, hängt in nicht geringem Ausmaß von einer intakten Infrastruktur ab. Leider gibt’s gerade auf diesem Sektor im Lande unter der Enns noch vieles zu tun. Der vom ehemaligen Landeshauptmann Figl entworfene Plan „Jeder Gemeinde eine staubfreie Zufahrt” ist noch lange nicht erfüllt. Die Hochwasser des vergangenen Jahres haben enorme Schäden an verschiedenen Straßen angerichtet und eine baldige Verwirklichung des Konzeptes verhindert. Die Anstrengungen, die das Land macht, sind beachtlich: Für die Instandhaltung und Instandsetzung der Landeshaupt- und Landesstraßen sowie deren Brücken sind 55 Millionen Schilling vorgesehen (1965: etwa 45 Millionen). Für den Um- und Ausbau dieser Straßen wurden außerdem noch 22 Millionen Schilling ins Budget aufgenommen.

Stoßrichtung: Wohnbauförderung

Die Wohnbauförderung gehört zu den wichtigsten Anliegen jeder Landespolitik. Obwohl ja Niederösterreich in den letzten Jahren mit Glücksgütern nicht überaus gesegnet war, wurde auf diesem Gebiet schon sehr viel getan. Aus den Mitteln der Wohnbauförderung auf Grund des Gesetzes von 1954 wurden bis heute im Lande unter der Enns nicht weniger als 887 Millionen Schilling ausgegeben. Damit wurden folgende Wohnbauvorhaben gefördert: 5200 Eigenheime und Eigentumswohnungen, 2834 Gemeindewohnungen, 3357 Genossenschaftswohnungen, 1755 Barackenersatzwohnungen. Im Hinblick auf eine noch wirksamere Gestaltung der Wohnbauförderung geht Niederösterreich, wie man aus der Budgetdebatte entnehmen konnte, zwei Wege: •

• Höhere Dotierung.

• Allmählicher Umbau der in die

Kompetenz des Landes fallenden Wohnbauförderung von der Objekt- zur Subjektförderung (Schwerpunkt: besondere Förderung der kinderreichen Familien und der jungen Ehepaare).

Übrigens wird demnächst der niederösterreichische Landtag einen von ÖAAB-Abgeordneten ein- gebrachten Antrag auf Änderung der landeseigenen Wohnbauförderung beschließen. Der Gesetzesantrag sieht vor, daß die Förderungsmittel von derzeit 30.000 Schilling pro Wohnungseinheit auf 40.0 Schilling erhöht werden. Familien mit zwei Kindern haben dann Anspruch auf 45.000 Schilling, solche mit drei Kindern sowie Jungverheiratete können einen Kredit des Landes bis zu 50.000 Schilling in Anspruch nehmen.

Im Budget für 1966 scheint die Rekordsumme von 259 Millionen

Schilling für die Wohnbauförderung auf, davon entfallen auf die landeseigene Wohnbauförderung 7X Millionen Schilling. (Seit 1950 wurden auf Grund dieser Förderungsaktion mehr als 20.000 Eigenheime sowie ebenfalls mehr als 20.000 Gemeinde- und Siedlungsgenossenschaftswohnungen gefördert.) Ein Novum ist, daß drei Millionen aus Budgetmitteln ausschließlich für die Althaus- eanierung verwendet werden.

Ein schwacher Punkt

Schwacher Punkt im Budget des Landes Niederösterreich bleibt die Bereitstellung von Mitteln zum Ausbau der niederösterreichischen Krankenanstalten. Die landeseigenen Spitäler schneiden hier naturgemäß noch am besten ab. Freilich fallen die Millionenbeiträge des Landes zur Deckung des Defizits der Krankenanstalten in einen Sack ohne Boden, solange die Sozial- versicherungstrfiger nicht kostendeckende Tagessätze bezahlen können. Für den notwendigen Ausbau der rund 20 Gemeindespitäler bleiben nur acht Millionen Schilling übrig. Wie Landesrat Resch in seiner Budgetrede erklärte, könne man sich erst vom neuen Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Gebietskörperschaften eine wenigstens teilweise Lösung des Krankenhausproblems erwarten.

Fassen wir kurz zusammen: Schon diese wenigen Streiflichter aus dem mit großer Vorsicht erstellten Haushaltsplan — um den sich vor allem „Finanzmdnister”, Landesrat Resch, und Landeshauptmann Diplomingenieur Hartmann bemüht haben — lassen darauf schließen, daß vom Budget des Landes Niederösterreich für 1966 Impulse ausgehen werden, die für eine gesunde Entwicklung der Wirtschaft und des sozialen Zusammenlebens im Lande unter der Enns von großer Bedeutung sind.

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