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Digital In Arbeit

Arbeitnehmer mit Vermögen

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Schon lange strebt man einen Vermögensausgleich innerhalb der Gesellschaftsschlichten an. Es geht darum, einen möglichst gerechten Ausgleich in der Vermögensbildung zu erreichen und damit möglichst alle Arbeitnehmer zu Eigentümern, in welcher Form immer, zu machen. Es wurde auch erwogen, gesetzlich die Vermögensbildung jener Volksschichten zu ermöglichen, denen es bisher nicht möglich war, Vermögen und damit auch Eigentum zu bilden.

Erstmals tauchen bei uns Gedanken dieser Art in dem sogenannten Wiener Programm des ÖAAB 1946 auf. Wenn der Punkt 4 dieses Pro-grammes vom Recht auf den Ertrag der Arbeit in Einklang mit den Pflichten gegenüber Betrieb, Berufsgemeinschaft und Staat spricht, so ist damit auch schon die Erstrebung eines gerechten Interessen-, Eigentums- und Vermögensausgleiches mit inbegriffen. Im Gegensatz zum Liberalismus und Kollektivismus baut dieses Programm auf dem gesellschaftlichen Personalismus auf, der gerade in unserer Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Mit Recht heißt es daher in einer Neuauflage des Programmes 1964:

„Das Wiener Programm des ÖAAB ist in seiner klassischen Formulierung durch Karl Lugmayer ein so ehrwürdiges und kostbares, ein so lebensfrisches und zukunftsweisendes Dokument, daß es Experimenten entzogen bleiben muß. Es kommt vielmehr darauf an, dieses Grundsatzprogramm unbeirrbar und tatkräftig zu verwirklichen.“

Der kürzeste Weg dahin wäre ein Gesetz, das die Vermögensbildung der Arbeitnehmer in den Betrieben begünstigt.

Das deutsche „Wunder“

Die deutsche Bundesrepublik hat bereits vor Jahren das sogenannte 312-DM-Gesetz geschaffen, das nunmehr in einer verbesserten Auflage beschlossen werden soll. Die „Welt der Arbeit“, die Wochenzeitung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, veröffentlicht in ihrer Nummer vom 9. April unter dem Titel „Inflation der Millionäre statt Eigentum für alle“ ein interessantes Ziffemma-terial über die Vermögensverteilung in der Deutschen Bundesrepublik. Diese Ziffern sind der Steuerstatistik entnommen und besagen:

1953 gab es 1566 Vermögensmillionäre mit einem Gesamtvermögen von 4,6 Milliarden DM.

1957 : 3503 mit 9,8 Milliarden DM.

1960: 9217 mit 29,4 Milliarden DM.

1963: 11.663 mit einem Gesamtvermögen von 37,7 Milliarden DM.

Diese Vermögenswerte schlüsseln sich mit 1. Jänner 1963 so auf:

1 bis 2,5 Millionen DM Vermögen: 8242 Personen (71 Prozent).

Von 2,5 bis unter 5 Millionen DM: 2145 Personen (17 Prozent).

Von 5 bis unter 10 Millionen DM: 836 Personen (sieben Prozent).

Von 10 Millionen und mehr: 440 Personen (vier Prozent).

Der Artikel schließt mit den Wor-

ten: „Das Parlament hat diese Inflation der Vermögensmillionäre zugelassen und gefördert. Es muß in Zukunft dafür sorgen, daß die Vermögensbildung breiten Schichten des Volkes zugute kommt. Eine Steuerreform, die dieses Ziel anstrebt, ist unumgänglich.“

Die Situation in Osterreich

Und wie steht es damit bei uns?

Sicherlich sind die Verhältnisse in der Bundesrepublik mit denen in unserem Lande nicht zu vergleichen. Vor allem müßte noch aufgeklärt werden, wie die Situation bei den Einkommensmillionären ist, da anzunehmen ist, daß diese nicht im gleichen Ausmaß angewachsen sind wie die Vermögensmillionäre. In Österreich fehlt jede Art von Statistik darüber. Wie immer es sich aber um das Verhältnis der Vermögensmillionäre zu den Einkommensmillionären verhält, und wie immer die aufgezeigten Zahlen gewertet werden: die Tendenz zur Kapitalakkumulation besteht. Man wird nicht weit fehlgehen, wenn man darin in Österreich das gleiche annimmt wie in der Bundesrepublik, nämlich, daß das., wachsende Sozialprodukt und die Steigerung des Volksvermögens immer wieder dorthin gravitiert, wo schon Vermögen besteht, und nicht dorthin, wo neues Vermögen zu bilden wäre.

Eine staatspolitische Aufgabe

Diese Frage ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern eine staatspolitische Frage und auch als solche zu lösen. Vor allem ist es die Produktion in der Wirtschaft, die neues Volksvermögen schafft. Es muß also dort mit der Steigerung des Volksvermögens und seiner gerechten Verteilung begonnen werden.

Schon seit langem geht die Diskussion in Österreich auch darum, die Vermögensbildung der Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern. Man war versucht, gesetzliche Maßnahmen abzulehnen, da man mit Recht auf die Einsicht der Unternehmer hoffte und den Grundsatz der Freiwilligkeit nicht aufgeben wollte.

In der letzten Zeit hat sich aber die Meinung durchgesetzt, daß man doch auch in Österreich ein Rahmengesetz schaffen solle, das zur Vermögensbildung den im Betrieb für diesen Zweck ausgeworfenen Betrag von der Lohnsteuer und von der Sozialversicherung befreit. Dieser Betrag müßte selbstverständlich nach oben begrenzt sein, um nicht die Staatseinnahmen und die Einnahmen der Sozialversicherung zu schädigen. Das „Wie“ der Ausschüttung muß der betrieblichen Vereinbarung beziehungsweise auch der überbetrieblichen im Wege des Kollektivvertrages vorbehalten bleiben. Wenn zunächst Bedenken gegen letztere Maßnahmen erhoben werden, so wird man dennoch auf solche Vereinbarungen nicht verzichten können, denn schließlich ist es auch Aufgabe der Sozialpartner, auf der überbetrieblichen Ebene auf diesem

Gebiet regelnd einzugreifen. Leider fehlt es an einem geeigneten rechtlichen Instrument auf der betrieblichen Ebene, um vollwirksame Vereinbarungen abschließen zu können, denn weder die Betriebsvereinbarung noch eine Arbeitsordnung können als geeignete Rechtsinstrumente bezeichnet werden.

Das Institut für Sozialpolitik und Sozialreform hat in seinem zweiten Heft der neuen Schriftenreihe „Gesellschaft und Politik“ das Thema ..Vermögensbildung durch Investiv-lohn?“ behandelt und hinter das Thema bewußt das Fragezeichen gestellt, ob der sogenannte Investiv-lohn, dessen Probleme in Österreich so gut wie unbekannt sind, geeignet ist, die Vermögensbildung zu fördern.

Die Haltung der Sozialisten

Im Gegensatz zur deutschen Bundesrepublik verhalten sich leider unsere Sozialisten und ihre Fraktion im Gewerkschaftsbund im Gegensatz zu Deutschland zu dieser Frage ablehnend. So besteht bei uns die Gefahr der Kapitalskonzentration nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch für die bei uns sehr weit vorgeschrittene Verstaatlichung. Von daher ist auch die Haltung der Sozialisten zu erklären, da die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand unterschwellig noch immer der bevorzugten Verstaatlichungsdoktrin widerspricht. Eine Lockerung der Kapitalakkumulation, die mit der Teilnahme der Arbeitnehmer am wachsenden Unternehmensvermögen verbunden ist, bietet natürlich für den Sozialismus alter Prägung kaum Anlaß zur Begeisterung, da dadurch die Marxsche Prognose von der unumgehbaren Konzentration des gesamten Produktivvermögens in einigen wenigen Händen widerlegt werden könnte.

Leider nimmt diesen Standpunkt auch die sozialistische Gewerkschaftsfraktion ein. wie aus dem ge-werkschaftskundlichen Gespräch 1964 hervorgeht.

Es wäre hoch an der Zeit, ^venn unsere Gewerkschafter dem Beispiel ihrer deutschen Kollegen folgen würden, die sich nicht nur theoretisch mit der Frage der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand befassen, sondern Wege suchen, diese auch zu verwirklichen.

Bekanntlich ist der sogenannte Leber-Plan, der ursprünglich von den Unternehmerverbänden sehr heftig bekämpft wurde, nunmehr dadurch realisiert worden, daß dieser Plan in einem Tarifvertrag seinen Niederschlag gefunden hat. Nach diesem Tarifvertrag wird von Arbeitnehmerseite 2 Pfennig pro Stunde und vom Unternehmer 9 Pfennig bezahlt, die (zusammen 11 Pfennig) dem Arbeitnehmer gehören und zur Vermögensbildung im Betrieb verwendet werden. Es mag das zwar nur ein bescheidener Anfang sein, aber immerhin: es ist ein Anfang, auf dem aufgebaut werden kann. Von Österreich aus gesehen können wir nur sagen: Wären wir nur schon soweit!

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