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Auf altspanischem Freiheitsboden

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Vor einigen Monaten brachte die Weltpresse eine Nachricht über eine Rede Nikita Chruschtschows in Anwesenheit der akademischen Behörden und Studenten der Nationaluniversität von Gadjahmada (Indonesien). Diese Ansprache bedeutete gleichzeitig die Bekanntmachung der Schaffung einer sogenannten „Universität für die Freundschaft aller Nationen“ in Moskau, deren Zweck die „Bildung der Führungselite der Länder dreier Kontinente“ (Afrika, Asien und Lateinamerika) sein soll.

Nun kann man an die Bemühungen der Christen in aller Welt denken, die internationale Universitäten gründen, um den Studenten aller Nationen eine unserem abendländischen Kulturgeist entsprechende Bildung zu vermitteln. Seit einigen Jähren schon besteht in der spanischen Stadt Pamplona der große Entwurf einer internationalen Universität, die schon jetzt alle in sie gesetzten Hoffnungen übertrifft.

In Wirklichkeit entspricht das Wort „Universität“ nicht dem, was schon in Pamplona besteht. Besser würde man sagen „Studium generale“, da sich diese Universität so nennt („Estudio General de Navarra“). Studium Generale war der Name, den ursprünglich die jetzt tausendjährige Institutionen von Paris, Oxford, Salamanca und Bologna geführt hatten. Daher entspricht dieser alte Name besser den Tatsachen. In Pamplona befindet sich heute die jüngste Hochschule Europas, die der kulturellen

Richtung von Oxford, Paris, Bologna oder einst Heidelberg folgt.

Das Estudio General de Navarra wurde 1952 vom Säkularinstitut Opus Dei gegründet. Damals hatte es mit einer einzigen Fakultät begonnen, jetzt verfügt es bereits über viele Fakultäten oder Institute: kanonisches Recht, Philosophie, Medizin (und medizinisch-technische Fächer), Journalismus und Naturwissenschaften. Dieses rasche Wachstum, das vielleicht keinen Vergleich mit der Geschichte anderer nichtstaatlicher Universitäten zuläßt, hat das Interesse vieler akademischer Kreise in aller Welt erweckt, die, durch ihren engeren Kontakt mit dem akademischen Milieu, die technischen, juridischen und finanziellen Schwierigkeiten der Schaffung und Führung eines so großen wissenschaftlichen Zentrums sehr gut zu schätzen vermögen.

STUDIEN- UND LEBENSGEMEINSCHAFT

Alle Professoren des Estudio General de Navarra, deren Zahl (150) und wissenschaftliches Niveau das der staatlichen Universität übertrifft, wirken ausschließlich an diesem Institut. Das ermöglicht eine fruchtbare Zusammenarbeit, die sich in verschiedener Art offenbart: häufige Studiensitzungen, 'um die Entwicklung des Stoffes zu überprüfen, Initiativen vorzuschlagen, die Fortschritte der Studenten zu überwachen, Koordinierung der theoretischen und praktischen Prüfungen usw. Gleichzeitig finden pädagogische

Arbeitssitzungen mit dem „Studienleiter“ statt sowie mit den Leitern der an die Universität angeschlossenen Colleges und verschiedenen Kultur-, Sport- und Kunstvereinen, denen die Studenten angehören.

Die akademischen Behörden bestehen darauf, daß das Estudio General nicht nur gute Wissenschaftler heranbildet, sondern eher eine integrierende Gesamtbildung vermitteln soll, die sowohl dem wissenschaftlichen, geistlichen als auch dem menschlichen Aspekt Rechnung trägt. Dieses Ziel wird durch die Fakultäten, Studienleiter und Colleges erreicht. In Pamplona hat man sich dieselbe Methode wie in Oxford und Cambridge angeeignet, und zwar das „tutorial System“. Nach diesem System haben Gruppen von fünf oder sechs Studenten je einen „Tutor“ (Studienleiter), mit dem sie alle sich im Laufe des Studiums ergebenden Probleme zu lösen versuchen. Jeder Student wählt seinen Studienleiter freiwillig aus dem Kreis der Professoren seiner Fakultät. Die Colleges bilden auch grundsätzliche Bestandteile des Erziehungssystems. Sie werden von Professoren geleitet und wollen nicht nur ein bequemes Heim bieten, in dem die Studenten wie in Familien wohnen, sondern stellen auch eine Ergänzung der von den Fakultäten vermittelten Bildung dar.

Ein besonderes Merkmal des Estudio General ist die kosmopolitische Universalität der Studentenschaft. Jugend aus vielen Ländern studiert heute in Pamplona: aus den USA, Irland, Italien„

Chile und Kolumbien.

Das Rechtsstudium, das in allen Universitäten immer eine wichtige Rolle gespielt hat, war die erste im Estudio General gepflegte Disziplin. Vom Standpunkt einer modernen und katholischen Weltanschauung ist wohl das Interessanteste die Schaffung eines Instituts für kanonisches Recht. Seit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches umfaßte die juridische Bildung der Rechtswissenschaftler zwei große Zweige: „ius civile“ und „ius canonicum“. Erst mit dem Auftauchen der staatlichen Universität nach napoleonischem Modell (Mitte 19. Jahrhundert) — das heißt der Universität, wie sie gegenwärtig in der Mehrzahl der europäischen Länder, darunter auch Österreich und Spanien besteht — verschwanden allmählich die „kanonischen“ Fakultäten, und langsam verlor das Kirchenrecht seine Bedeutung. Das Ergebnis dieser Entwicklung war ein Studienplan für Staatsrecht mit einem kurzen und ungenügenden Überblick über das Kirchenrecht. Jetzt, durch die Gründung des von der Päpstlichen Universität des Laterans angegliederten Instituts für kanonisches Recht, bietet sich die Möglichkeit, die Harmonie in der wissenschaftlichen Bildung des Studenten wiederherzustellen.

Eine der Fakultäten, die größeres Prestige erlangt hat, ist die medizinische Fakultät. Die Zahl der Studenten beziehungsweise das Übungsmaterial wird begrenzt, so daß jeder Studierende die Möglichkeit hat, mit Professoren und Kranken in Kontakt zu bleiben. Ihr Tagespensum ist ausgefüllt und manchmals erstreckt es sich von 9 Uhr bis 20 Uhr. Der Reihe nach besuchen die medizinischen Studenten das Spital von Navarra, das dem Estudio zur Verfügung gestellt wurde, und in dem sie neben einem Arzt Nachtdienst versehen.

Auch das Institut für Journalismus wird bald von sich reden machen. Diese Art von Fakultäten ist selbst an den modernen Universitäten noch selten, und viele der schon bestehenden Institute — besonders die amerikanischen — vermitteln nur eine empirische Bildung. Andersgeartet ist das Institut von Pamplona: Dort erhalten die Studenten eine tiefe soziale, wissenschaftliche und auch theologische Bildung. Natürlich werden auch die technischen Disziplinen gepflegt, und zwar nach modernsten Gesichtspunkten der öffentlichen Meinungsbildung. Während des Sommers werden Systems H=ch Fachseminarien veranstaltet, in denen bekannte Persönlichkeiten aus dem internationalen Leben Vorlesungen halten.

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