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Auf den Spuren der „Windischen“

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Drittens — und hauptsächlich — erscheint das Kärntner Slowenenproblem heute durch die Frage der sogenannten Windischen belastet und nahezu unlösbar. Wenn man von abstrusen Ideen absieht, die die Slowenen als Kelten oder — so zur Zeit des Dritten Reiches — als sla-wisierte Langobarden ansehen, sind die Alpenslawen auf der Flucht vor den Awaren und Tataren nach Nori-cum gekommen, während gleichzeitig Germanen (Bajuwaren) um 500 in eben diesem Gebiet bis tief nach Krain und Istrien Handelsplätze und Städte gründeten. Besonders reizvoll ist diese wechselseitige Durchdringung in der Skisteiermark zu beobachten, dies an Hand der Werke von Doris Kraft und Pirchegger'. Auf deutscher Seite wurden diese Alpenslawen, die sich selbst Slowenen nannten, Winden genannt. Viele Namen bezeugen dies: Windisch-Graz, Windische Büheln, Windisch-garsten, Windisch-Matrei. Windisch war stets identisch mit Slowenisch, und die Slowenen Kärntens hatten, wie K. G. Hugelmann nachwies, schon im Mittelalter ein ausgeprägtes Volksbewußtsein8.

In deutscher Sprache scheint die Bezeichnung „Windische“ und „windisch“ die ältere als „Slowenen“ und „slowenisch“ gewesen zu sein, was insbesondere auch Manfred Straka in einer leider nur schwer zugänglichen grundlegenden Arbeit herausstellte9. Später hat sich dann mehr und mehr auch in der deutschen Sprache und schließlich in den Gesetzen des alten Österreich das Wort „Slowenen“ und „slowenisch“ durchgesetzt. Die Bezeichnung „Windische“ und „windisch“ blieb aber als Synonym für die Slowenen in Kärnten (einschließlich des heute italienischen Kanaltals) und die Südsteiermark als Vulgärbezeichnung bestehen und wurde auch für die Slowenen Krains gebraucht (wenn man nicht einfach „die Kraner“ sagte), während in Krain und im Küstenland selbst die Bezeichnung „Windische“ völlig unbekannt blieb.

„Heimattreue“ und „Nationale“

Martin Wutte, der bedeutende nationaldeutsche Kärntner Historio-graph und später10 Hauptpropagator einer strengen Unterscheidung zwischen „slowenisch“ und „windisch“, kennt in seinen frühen Schriften11 die Bezeichnung „Windische“ und „windisch“ noch gar nicht, das heißt, er hat sie als Kärntner mit „slowenisch“ identifiziert. Entgegen der an sich sehr gründlichen und um Objektivität bemühten neuesten Arbeit zum Windischen-Problem von Joh. W. Mannhardt12 kann von einem Unterschied zwischen windisch und slowenisch bis herauf nach dem ersten Weltkrieg gar nicht gesprochen werden. Wohl aber gab es in Kärnten die noch zur Zeit der Kärtner Volksabstimmung 1920 sogenannten „deutschfreundlichen Slowenen“ (im Slowenischen abfällig „nemskutari“ = „Deutschtümler“ genannt), die man dann wegen ihrer Abstimmung für den Verbleib bei Österreich gern „heimattreue Slowenen“ nannte, was die „nationalen“ Slowenen nicht gerade an Österreich band.

Das böse Wort von den „Tschuschen“

Nun hatten diese „nationalen“ Slowenen nur von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch gemacht, als sie (übrigens nur ein eher kleiner Teil von ihnen) am 10. Oktober 1920 für Jugoslawien stimmten. So berechtigt es auch war und auch heute noch (nach dem Muster vieler solcher vaterländischen Feiern, wie zum Beispiel der Eidgenössischen Erinnerung an den Sieg von Murten vom 22. Juni 1476 über Karl den Kühnen) sein mag, den wirklich heldenhaften Kärntner Abwehrkampf gegen die von“ außen hereingetragene projugoslawische Bewegung und gegen die Invasion, und dann den Abstimmungssieg von 1920 zu feiern, so muß doch mit einem merklichen Bedauern festgestellt werden, daß auf deutschkärntnerischer Seite keinerlei Anstalten gemacht wurden, die Versprechungen zu erfüllen, die man den (für Jugoslawien abstimmenden) Nationalslowenen gemacht hatte. Sie wurden gesellschaftlich („Kulturgefälle“), das heißt, im Sozialprestige in juristisch nicht erfaßbaren Bereichen diffamiert (das Schimpfwort „Tschuschen“, vor 1914 unbekannt, wurde nach 1920 für sie erfunden), die Volkszählungsergebnisse zu ihrem Nachteil verformt13 und schließlich in erklärten Gegensatz zu den „heimattreuen“ Slowenen gestellt.

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