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Aufbau im Glauben

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farrheime und Kindergärten wie in Lackenbach, Stoob und in anderen Gemeinden. Und nicht zuletzt hängt ein wichtiger Teil der kirchlichen Bautätigkeit mit den Vorarbeiten für die Diözese zusammen, wie der Bischofshof und die Ausstattung der Stadtpfarrkirche in Eisenstadt, und ebenso das Knabenseminar in Mattersburg und die geplante Katholische Lehrerbildungsanstalt in Eisenstadf. All das liegt auf der Linie der historischen Bautätigkeit, denn auch unsere Vorfahren waren nicht mühig. Und doch kann man am gegenwärtigen Bauen der Kirche drei Merkmale aufzeigen, die es vom früheren deutlich abheben; Es Ist zunächst getragen vom Volk. Kein großzügiger Gönner nimmt uns die Sorge ab, alle Gläubigen müssen zum großen Werk zusammenhelfen. In einigen Fällen konnte auch im Burgenland der Bauorden rrut seinen Gesellen eingesetzf werden. Und nicht minder erfreulich ist es, daß auch durch öffentliche Mittel die Bausorgen der Kirche herabgemindert wurden. — Ein weiteres Merkmal ist, daß auch die Kirche für das Bemühen nach einem neuen, zweckmäßigen Baustil autgeschlossen ist, der in vielfältigen Variationen die örtlich gegebene Lösung sucht. — Und endlich wird wieder mehr als bisher vom Liturgischen her gebaut, der Opferaltar gewinnt seine zentrale Bedeutung zurück, und die Mitfeier des Volkes bestimmt den Raum, Damit wird offenbar, daß es beim Bauen der Kirche um mehr geht als um Zusammenfügen von Steinen, ebenso wie das Wort „Kirche“ nicht nur das Gotteshaus meint, sondern auch den mystischen Leib Christi, der sich aus lebendigen, unsterblichen Seelen aufbaut.

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farrheime und Kindergärten wie in Lackenbach, Stoob und in anderen Gemeinden. Und nicht zuletzt hängt ein wichtiger Teil der kirchlichen Bautätigkeit mit den Vorarbeiten für die Diözese zusammen, wie der Bischofshof und die Ausstattung der Stadtpfarrkirche in Eisenstadt, und ebenso das Knabenseminar in Mattersburg und die geplante Katholische Lehrerbildungsanstalt in Eisenstadf. All das liegt auf der Linie der historischen Bautätigkeit, denn auch unsere Vorfahren waren nicht mühig. Und doch kann man am gegenwärtigen Bauen der Kirche drei Merkmale aufzeigen, die es vom früheren deutlich abheben; Es Ist zunächst getragen vom Volk. Kein großzügiger Gönner nimmt uns die Sorge ab, alle Gläubigen müssen zum großen Werk zusammenhelfen. In einigen Fällen konnte auch im Burgenland der Bauorden rrut seinen Gesellen eingesetzf werden. Und nicht minder erfreulich ist es, daß auch durch öffentliche Mittel die Bausorgen der Kirche herabgemindert wurden. — Ein weiteres Merkmal ist, daß auch die Kirche für das Bemühen nach einem neuen, zweckmäßigen Baustil autgeschlossen ist, der in vielfältigen Variationen die örtlich gegebene Lösung sucht. — Und endlich wird wieder mehr als bisher vom Liturgischen her gebaut, der Opferaltar gewinnt seine zentrale Bedeutung zurück, und die Mitfeier des Volkes bestimmt den Raum, Damit wird offenbar, daß es beim Bauen der Kirche um mehr geht als um Zusammenfügen von Steinen, ebenso wie das Wort „Kirche“ nicht nur das Gotteshaus meint, sondern auch den mystischen Leib Christi, der sich aus lebendigen, unsterblichen Seelen aufbaut.

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Als vor 36 Jahren der Heilige Stuhl für das neue österreichische Bundesland „Burgenland“ in der Person, des Kardinals Piffl 'einen Apostolischen Administrator bestellte und damit auf die ohnehin schwerbelasteten Schultern dieses Wiener Erzbischofs die höchste Verantwortung für die Seelsorge und das kirchliche Leben dieses kleinen Grenzvolkes legte, dachte

wohl niemand daran, daß dieser Zustand mehr als ein Provisoriuni sein werde.

Trotzdem begann der neue Oberhirte den Aufbau der kirchlichen Führung mit bewährten Mitarbeitern nach bewährten Methoden. Das Hauptaugenmerk wurde auf die Haltung der kirchlichen Positionen, besonders der katholischen Schule, und auf die Heranbildung neuer Seelsorger für die neue Aufgabe gelegt.

Dieser ersten zwölfjährige Periode des Aufbaues folgte eine zweite von ebensolanger Dauer, die mit der unermüdlichen Tätigkeit des Kardinals Innitzer verbunden bleibt. Die

Saat ging nun auf und reifte heran. Die Reife mußte in schweren Störungsjahren geschehen. Auch für das Burgenland gilt in dieser Zeft das Wort, das Dr. Karl Rudolf in seinem Rechenschaftsbuch „Aufbau im Widerstand“ hierfür sehr treffend geprägt hat. Die Seelsorge greift nun in die Tiefe, und das katholische Leben blüht sogar inmitten der Ruinen der zerschlagenen kirchlichen Lebensformen, wobei das Burgenland am schwersten durch die Zerschlagung des Schulwesens getroffen wurde.

Seit 1945 stehen wir wieder weitere zwölf Jahre im Aufbau der Kirche des Burgenlandes.

Diese dritte Periode „ist gekennzeichnet .durch zwei Momente. Die äußeren Formen des kirch-' liehen Lebens Werden vollendet: die Seminarien, die Bildungswerke und die Bewegungen der Naturstände in der Katholischen Aktion tragen nun in erhöhtem Maße bei zur Vertiefung des religiösen Lebens, zum Widerstand gegen den Einbruch der materialistischen Geisteshaltung und Lebensgestaltung in das alte Gefüge des Dorfes. Was aus der ersten Periode des Aufbaues gerettet werden konnte, was in den Zeiten des Sturmes, vielfach aus der Not geboren, standhielt, das kann nun zum neuen Ausgang des Glaubenslebens werden.

Wir haben Priester unter uns, die schon länger als das Burgenland alt ist, Seelsorger ihrer Gläubigen sind. Wenn diese nun in einer besinnlichen Stunde den heutigen Stand der Seelsorge und des kirchlichen Lebens in ihren Pfarren mit jenem vor 36 Jahren vergleichen, werden sie merken, daß seither das Saatfeld Gottes größer und fruchtbarer geworden ist. Gewiß, die Urformen des seelsorglichen Wirkens und kirchlichen Lebens sind geblieben, sie werden auch weiterhin bleiben. Aber die Arbeit ist in die Tiefe gegangen und hat an Flächenausdehnung zugenommen.

Es gab eine Zeit, in der die Priester der Heimat an der sogenannten ordentlichen Seelsorge festhielten und die außerordentliche Betreuung der Seelen, zum Beispiel die Abhaltung von Volksmissionen, nur eben als synchronisierte Arbeit betrachteten. Diese Zeiten sind vorbei. Wo ist heute schon die Grenze zwischen der ordentlichen und außerordentlichen Seelsorge? Oder wo dürfte heute im Burgenland ein Pfarrer auf die eifrige und verantwortungsbewußte Mitarbeit der Laien verzichten? Der Weg zu dieser Erkenntnis und zum bewußten Einsatz in dieser Richtung war lang und nicht ohne Krümmungen und mußte auch im Burgenland mit Opfern und Rückschlägen erkauft werden.

Eine kleine Bestandsaufnahme des kirchlichen Lebens zeigt, daß das unermüdliche Wirken von bisher vier Apostolischen Administratoren, von denen die letzten zwei Bischöfe im Burgenland „hauptberuflich“ tätig sind, sowohl bei den Seelsorgern als auch bei den Gläubigen segens-

reich für das Heranreifen in der Reichgottesarbeit war.

Das geflügelte Wort, daß die Gemeinde so ist wie der Pfarrer, stimmt auch im Verhältnis des Bischofs zu den Seelsorgern und zu den Gläubigen. Welcher Wandel seit 36 Jahren I In ungarischen Zeiten war der Bischof „unendlich“ fern in seiner Bischofsstadt, heute steht er mitten unter den Seinen. Er teilt mit den Seelsorgern die Arbeit und Mühsal, mit den Gläubigen die Not und Gefahr. Der Bischof ist der erste Seelsorger des Burgenlandes. Er kennt sein kleines Gebiet und alle seine Priester genau. Von Kardinal Innitzer sagte ein Kreis-dechant einmal: Der Bischof arbeitet bei der kanonischen Visitation und Firmung mehr als ein Volkskommissar. Kardinal Innitzer ist von

uns gegangen, aber der Arbeitseifer des obersten bischöflichen Seelsorgers ist geblieben.

Wenn es gilt, daß der Pfarrer die „forma gregis ex animo“ ist, dann gilt dies auch vom Bischof. Linter der formenden Hand des Bischofs steht heute der Theologe im Seminar ebenso wie der Seelsorger draußen „im Schützengraben“; jedenfalls steht er unter der großen Verantwortung des Bischofs „ex animo“.

Der burgenländische Klerus mußte für die Aufgaben in der neuen Heimat vom Grunde her gebaut werden. Das schwere Werk gelang. Jung und alt bilden eine Einheit trotz der Verschiedenheit des Bildungsganges und der Muttersprache. Diese burgenländischen Priester sind nicht gleichgeschaltet oder gar gleichgewalzt. Jede solche Absicht hätten sie zu-schanden gemacht. Auch Meinungsverschiedenheiten gibt es unter ihnen; aber 36 Jahre Arbeit und Not haben es im Geiste ihrer priesterlichen Haltung bewirkt, daß „in necessariis unitas, in Omnibus Caritas“ obwaltet.

Dieser Klerus ist einheimischer, als es die Statistik unlängst ausweisen wollte. Es unterlief den Statistikern ein Fehler, sie zählten jene Seelsorger des Burgenlandes, die aus dem einst gemeinsamen Vaterland stammen, wobei ihre Heimat heute hinter dem Eisernen Vorhang verblieb, als „Ausländer“. Und dieser Klerus, dessen heute tragendsten Kräfte, bis zum Bischof hinauf, aus dem eigenen Priesterseminar stammen, steht zur guten alten Tradition der „Altarbrüderlichkeit“. Wer ihn näher kennt, entdeckt bei ihm, daß er sich ebensosehr als Bruder in „caritate calicis“ fühlt, wie sie Brüder in „mysterio altaris“ sind.

Und dieser Klerus steht mitten im Volke. Die Träger des priesterlichen Standeskleides dünken sich im Burgenland nicht als „Pfarrherren“, zu denen sie noch vor 50 Jahren erzogen wurden, sondern als Diener an ihren Gläubigen. Mit den Gütern der Welt sind sie heute nicht' mehr gesegnet, aber sie sind immer noch gesegnet mit den Tugenden edler Gastfreundschaft im Geiste des Evangeliums. Sie leben bescheiden, ihr Haus ist nicht mehr das schönste im Dorf, darin wurden sie von den eigenen Gläubigen schon vielfach überflügelt. Aber sie tragen keinen Neid, sie tragen ihr Los unter den Akademikern mit achtunggebietender Würde. Trotz allem steht auf ihrem Posten — unsichtbar — das alte Wort: „Porta patet et cor magis.“ — „Die Tür ist offen und mehr noch das Herz.“

Es wäre wohl interessant, festzustellen, wieviel Pfarrhausräume, wieviel Pfarrscheunen in

Pfarrheime umgebaut wurden. Das ist symbolhaft. Der Seelsorger im Burgenland ist wie sein Mitbruder in anderen Diözesen aus dem sakralen Raum der Kirche und aus der Sakristei herausgetreten, hinein in das Volk. Was einst außerordentliche Seelsorge war — die Glaubensstunden im Pfarrheim und die Aktivierung der Laien als Helfer des Priesters und Träger eigener Aktionen und der geistigen Führung des Priesters —, ist heute einfach Aufgabe des priesterlichen Werktages.

Es ist nicht Aufgabe dieser kurzen Besinnung, das ganze Zusammenspiel des Seelsorgers und der Gläubigen für das Reich Gottes aufzuzeigen. In unserem kirchlichen Leben geht es immer mehr in die Tiefe und in die Breite.

Aus der Wirkung dieses Tiefganges erwarten wir mit Zuversicht: die baldige Behebung des Priestermangels; die Erfassung der Gläubigen für die Exerzitien, die in den letzten Jahren gute Fortschritte gemacht hat; die Uebernahme der Verantwortung für die Umwelt und deren Gewinnung für das Reich Gottes durch das Apostolat der Laien; schließlich aber nicht zuletzt die Weckung der christlichen Opferbereitschaft für die Kirche durch steigende finanzielle Leistungen und in den Werken der Caritas, die besonders in den vorjährigen stürmischen Oktobertagen in Ungarn bereite Herzen im Burgenland fanden.

Wer überdies noch gern Zahlen liest, dem sei gesagt, daß von den 230.000 Katholiken des

Burgenlandes 90.000 ihre Sonntagspflicht erfüllen, 50 Prozent ihre Qsterpflicht ernstnehmen, ein Drittel zum inneren Kreis der

religiös Erweckten gehören und daß von 60.000 katholischen Haushalten 30.000 das „Kirchenblatt“ beziehen; somit steht in jedem zweiten katholischen Haus die kirchliche Presse als verlängerte Kanzel und stiller Mitseelsorger darin.

Der Aufbau des kirchlichen Lebens im Burgenland wurde in den äußeren Formen geführt und im inneren Geiste vollzogen. In den äuß*-ren Formen steht ein vollendetes Werk vor uns. Es harrt nur noch der Krönung zur Diözese. Der innere Aufbau findet keine abschließende Krönung, er muß stets neu geschehen. Hier gilt das Wort des Völkerapostels: „So seid ihr denn nicht mehr Fremde und Beisassen, sondern seid Vollbürger mit den Heiligen und seid Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Fundament der Apostel und der Verkünder aus des Geistes Antrieb. Der Hauptstein aber ist Christus Jesus, denn in Ihm fügt sich jeglicher Aufbau zum Ganzen ein und wächst im Herrn empor und wird ein heiliger Tempel — auch ihr gehört dazu und werdet aufgebaut als Wohnung Gottes im Geiste“ (Epheserbrief 2, 19—22).

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