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Aufgabe „Osthandel“

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Wenn nicht alle Anzeichen trügen, darf Österreich in den nächsten Jahren einen Aufschwung des Osthandels erwarten. Allerdings brachten die ersten Monate des laufenden Jahres einen Rückschlag, verursacht hauptsächlich durch die Sowjetunion, während man in einigen Donauländern zahlreiche günstige Symptome beobachtet. Die politi schen, technischen und ideologischen Konflikte zwischen Moskau und Peking boten jedenfalls den Satelliten einen größeren Spielraum, den sie, wenigstens an der unteren Donau, sofort benützten, um nach dem Vorbild Jugoslawiens ihre Handelspolitik zu lockern und sich dien drakonischen Regeln der COMECON zu entziehen. Anderseits ging diese Entwicklung Hand in Hand mit einer elastischen Anpassung Jugoslawiens an den Ostblock, so daß die Einflußzonen nicht mehr klar umrissen sind. Wenn man die Thesen einer sogenannten „friedlichen Koexistenz“ der freien Welt rrilfdįri ‘ korhmüAistischen - ’Städten ohne“' Illusionen' auf ihreif^realen Inhalt , r rt dann ;hapdelt- es sich nur um ein Nebeneinander und einen teilweisen Verzicht auf Gewaltmaßnahmen, somit um keine neue Ära und keine endgültigen Lösungen, sondern einfach um eine Pause, die vielleicht verlängert, vielleicht auch verkürzt und durch eine neue Etappe des kalten Krieges abgelöst werden kann. Natürlich bleibt die weitere Entwicklung völlig von den künftigen Beziehungen zwischen den Hauptmächten abhängig. Vor den Wahlen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, in Frankreich und Westdeutschland sind vermutlich keine wie immer gearteten Entscheidungen fällig.

Die Sonderstellung Österreichs

Die Sonderstellung Österreichs, die auf dem Staatsvertrag und der Neutralitätsakte ruht, bietet viele Möglichkeiten, diese internationale Ruhepause zur Steigerung der Exporte nach Osteuropa zu benützen, wobei freilich infolge der beschränkten Leistungsfähigkeit der kommunistischen Staaten weit natürliche Grenzen bestehen. Doch sind die Voraussetzungen einer günstigen Entwicklung zur Zeit nach jeder Richtung gegeben, in erster Linie wegen den praktischen Erfahrungen, die man während der Geltungsdauer der langfristigen Handelsabkommen sammeln konnte. Die vereinbarten Kontingente, die eher einen Beweis des guten Willens als eine zuverlässige Basis darstellten, wurden zwar selten eingehalten, in manchen Fällen wiederum plötzlich überschritten, jedenfalls fortlaufend ergänzt und den Verhältnissen angepaßt. Trotz diesem anstrengenden Geduldspiel sind jedermann die Gründe geläufig, warum sich Österreich ständig und unbeirrt mit dem Ostblock befassen muß.

Jeder Staat- steht kraft seiner geographischen Lage vor bestimmten Aufgaben, denen er sich — ob es ihm paßt oder nicht, ob sie Vorteile oder Schwierigkeiten bringen — niemals entziehen kann. Die politischen Illusionen und die persönlichen Ressentiments, an denen die Erste Republik ständig zu leiden hatte, wurden zum größten Teil überwunden, obwohl die Parteipolitik aus taktischen Gründen manchmal viel Lärm macht. Anderseits ist die Zweite Republik im höchsten Maße daran interessiert, daß an den Grenzen Ruhe herrsche Und in den anderen Donauländern einigermaßen Ordnung einkehre, aber auch ein gewisser Wohlstand, zu dem man bei strengster Einhaltung des Prinzips der Nichteinmischung immerhin durch einen geregelten Güteraustausch beitragen könnte. Auf diese Weise würde zugleich das Interesse der anderen Donauländer an der Erhaltung der Unabhängigkeit Österreichs und seiner gesicherten Wirtschaftsbasis gestärkt. Bei diesem Fragenkomplex, der nicht nur Handel, Gewerbe und Industrie, sondern auch manche kulturelle Belange umfaßt, handelt es sich nicht um Grundsätze oder gar um Projekte, sondern einfach um Aufgaben, die Tag für Tag in irgendeiner Weise und in tragbaren Formen erfüllt werden müssen, Das ^wirtschaftliche

Österreich heute an diese Aufgaben ist ungleicįii.l^egjuttd vollständiger als vor zehn, dreißig oder vierzig Jahren. Zweifel und Bedenken sind nicht mehr am Platze.

Importe und Exporte

Aus der Staatenordnung (siehe Tabelle A) geht hervor, daß das Volumen des Osthandels einschließlich des Warenverkehrs mit Jugoslawien von Jänner bis April 3,47 Milliarden Schilling oder 12,9 Prozent des Gesamtvolumens erreichte. Von irgendeiner Abhängigkeit kann daher keine Rede sein. Diese Tatsache muß immer wieder betont werden, weil die angebliche Hörigkeit vom Osten zu den The-

sen und Fiktionen gehört, die die Flüsterpropaganda der oppositionellen Freiheitlichen Partei verbreitet und die dann Brüssel fallweise übernimmt, wenn es zweckmäßig erscheint, Lehren und Rügen zu erteilen. Im übrigen gab der Rückfall der Importe ein getreues Bild der osteuropäischen Wirtschaftskrise, von der im Augenblick neben Rußland vor allem Polen, Ungarn und Rumänien betroffen zu sein scheinen. Infolge der Verluste der Sowjetunion stand bei den Importen die Weichselrepublik an erster Stelle, bei den Exporten dagegen Ungarn. Anderseits blieb der Ostexport nur deshalb stabil, weil die Lieferungen nach Rumänien einen willkommenen Ausgleich boten. Die handelspolitische Optik wird im laufenden Jahr überhaupt stärker als bisher durch den Balkan beeinflußt, der unbedingt auf Lieferungen aus Österreich angewiesen ist.

Bei einer Analyse der Warenordnung (siehe Tabelle B) gewinnen diese Tendenzen an Klarheit. Auf der Importseite entsprach der Rückgang bei Kohle, Koks und Briketts den milden Wintermonaten, während die Agrarkrise ihre Wirkungen bei lebenden Tieren, Obst und Gemüse, besonders jedoch bei Mais und Gerste zeigte. Die Lücke bei lebenden Tieren (— 38 Prozent) wurde durch Fleisch und Fleischwaren (+ 52 Prozent) verkleinert. Zugleich sind aber die Bezüge von Mais und Gerste von 119.695 auf 32.717 Tonnen gesunken. Zucker erschien überhaupt nicht mehr auf den Warenlisten. Rückläufig waren außerdem Roheisen und Ferrolegierungen, deren Verlust jedoch durch Lieferungen von Blei, Zink und Aluminium (+ 196 Prozent) ausgeglichen wurden. Rohe Kalisalze und Chemikalien gehörten zu den stabilen Importgütern.

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