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Digital In Arbeit

Aus der Sicht der Unternehmer

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Sicherlich: Überall gibt es schwarze Schafe, daher auch bei den Unternehmern. Aber diese Tatsache darf oder — besser gesagt — dürfte niemals zu Globalbeschuldigungen und Verdächtigungen führen.

Wenn irgendeine Ware teurer wird, trägt in den Augen der Öffentlichkeit der Unternehmer hierfür die volle Verantwortung. Wollen wir gar nicht davon reden, daß eine Preissenkung, wie sie in technischen Branchen sehr oft erfolgt, oder eine Erhaltung des Preisniveaus überhaupt weder anerkannt noch etwa gar belobt wird. Wenn zum Beispiel Obst und Gemüse im Vorjahr bedeutend billiger waren als 1965, so fand man das selbstverständlich, obwohl kein Mensch in Österreich weniger, die meisten aber erheblich mehr verdienten, und oft erhielt man als Antwort auf diese Preisentwicklung, daß aber das Schweinefleisch (aus bekannten Gründen) teurer geworden sei, ja mitunter mußte es den Anschein haben, als äße ganz Österreich zum Mittag- und Abendessen ausschließlich Schweinefleisch.

Sicher sind die Preisindices weltweit mit wenigen Ausnahmen gestiegen, und niemand bezahlt weniger als früher, aber ebenso sicher sind die Einkommen der Massen erheblich gewachsen, und die nüchterne Staitistik beweist klar, daß das Nettorealeinkommen unter Bedachtnahme auf Preis- und Lohnanstieg bedeutend größer geworden ist.

Welche Komponenten zwingen nun den Unternehmer, die Preise zu erhöhen, und wie verhalten sich die Selbständigen in diesen Fällen? Sicher ist eines: Solange einem normalen Anbot eine stets steigende Kauf-krcft gegenübersteht und der Arbeitnehmer Seltenheitswert besitzt, ist es verlockend, jedem steigenden Kostenfaktor Raum zu geben und die erhöhten Kosten auf den Preis zu überwälzen. Immer wieder hört man das Argument, daß ein Nachgeben bei Lohnforderungen billiger sei, als der bloß angedrohte Streik vielleicht kosten würde. Im Einzelfall stimmt das auch, aber jedes Nachgeben löst bereits neue Forderungen aus. Unbestreitbar ist ein kleines und sehr außenhandelsabhängiges Land wie Österreich weitgehend von der Preisentwicklung der Lieferländer abhängig und kann mit Rücksicht auf relativ kleine Bedarfsmengen keinen Preisdruck auf den Lieferanten ausüben. Österreich muß daher ständig Inflation der Lieferländer „importieren“, und das Bretton-Wood-Abkommen verhindert bekanntlich eine Korrektur der Wechselkurse auf Grund stärkster Preisbewegungen. So war daher zum Beispiel die eine Zeitlang starke Preisbewegung in Italien auf den Wiener und österreichischen Gemüse-und Obstmärkten im Frühjahr stark spürbar.

Nun gibt es aber auch wesentliche Nebenkosten, die den Preis beeinflussen, mag es sich um amtliche Gebühren, Tarife usw. oder um neue Soziallasten und ähnliches handeln. Und gerade diese fast immer einzelnen, auf leisen Sohlen schleichenden Kosten sind es, die in summa erhebliche Belastungen auslösen, in der Bilanz ihren Niederschlag finden und als Dauerkosten in die Kalkulation eingehen. Gewinnspannen sind in den letzten Jahren auffallend zurückgegangen, und dies weltweit, wie dies sogar die Arbeitnehmerorganisation und der OECD-Bericht feststellen mußten. Es ist daher eine Illusion, zu glauben, daß man weiterhin die Kosten erhöhen, die Preise aber stabil halten könne!

Hier hört man immer wieder das Argument, daß doch Automation und Rationalisierung alle diese neuen Kostenelemente auffangen müßten. Erstens haben sie es ohnedies in sehr erheblichem Maße, speziell in der Erzeugung, getan, und zweitens sind Rationalisierungseffekte auf dem gesamten Dienstleistungsgebiet, zu dem auch der Handel gehört, problematisch, weil man wohl in Serien produzieren, aber nicht in Serien verkaufen kann. Kann ein kleines Land mit kleinen Serien schon bei der Herstellung die Automation nur beschränkt anwenden, weil sonst „die Suppe mehr als das Fleisch kosten würde“, so hat auch der rationellste Betrieb optimale Grenzen, insbesondere dort und insoweit, als menschliche Arbeitskraft nicht entbehrt werden kann. Sogar im Selbstbedienungsladen stellt sich heraus, daß nur die Umsatzsteigerung ein Mehr erbringt, dia Kosten aber kaum senkbar sind, die Einrichtung auf Selbstbedienung aber mit erheblichen Investitionskosten verbunden ist, gana abgesehen davon, daß gerade der Österreicher „bedient“ werden will.

Sicherlich hat die Zeit der steigenden Umsätze, der fast höchsten Steuerbelastung Europas und des katastrophalen Arbeitnehmermangels den sogenannten „Spesenkavalier“ gefördert, der gerne Abschreibungen vornimmt, sich dem Personal gegenüber generös verhält und alles zusammen dem Preis aufschlägt. Jetzt aber sind wir in eine ernste Situation eingetreten, bei der es wieder gilt, jeden Groschen zu halten, weil der Markt einfach keine höheren Preise mehr „aufnimmt“! Diese Tatsache ist eine harte, ja eiserne Bremse, denn der Unternehmer hat weder Reserven noch Margen, um ohne Mehrpreis Mehrkosten aufzufangen, und dies zeigt sich recht deutlich bei jenen Betrieben, die zumindest in der öffentlichen Meinung Beispiel geben, weil sie nicht profitgierig geführt sind — nämlich im gesamten Bereich der verstaatlichten Wirtschaft.

Natürlich besteht beim Unternehmer das Profltbestreben, und ohne es gibt es nicht einmal mehr in der Volksdemokratie eine Leistung, weshalb man auch im Osten zum guten und bewährten Ertragsleistungsprinzip zurückkehrt, ohne das es weder Fortschritt noch Leistung und echten Wettbewerb geben kann, nie gegeben hat und niemals geben wird.

Wenn der Konsument preishewußter als bisher einkauft — also nicht grundsätzlich nur Kirschen im Mai und Gurken im Frühjähr —, wenn die öffentliche Hand Zurückhaltung in der Belastung aller Arten übt und die Arbeitnehmer verstehen, daß einseitiger Gruppenerfolg letztlich alle wieder belastet, so wird auch der Unternehmer sowohl aus Vernunftsgründen wie auch durch die ständig wachsende Konkurrenz nolens volens stabilitätsgerechtes Verhalten an den Tag legen. Der Unternehmer ist froh, wenn sich der Preisspiegel nicht verändert, denn die angeblichen Gewinne stellen sich zu schnell als Scheingewinne heraus. Ein ruhiges Preisniveau sichert auch eine störungsfreie Wirtschaft, an der gerade der Unternehmer innig interessiert ist. Nicht Preis-, sondern UmsatzSteigerung sichern, auf Dauer gesehen, auch für den Unternehmer seine Zukunft.

Zum Schluß: Eine gnadenlose Konkurrenz aller Spielarten sorgt im übrigen dafür, daß für niemanden die Bäume in den Himmel wachsen und die im Neidstaat Österreich vielbesprochenen Riesenprofite ins Reich der Fabel gehören. Die Einkünfte aller Österreicher — gleich welcher Art — liegen noch erheblich hinter vergleichbaren westlichen Ländern. Die Heranführung des ganzen Volkseinkommens an diese Volumina ist die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik, die nicht an die Kuchenverteilung, sondern an seiner namhaften Vergrößerung orientiert sein muß.

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