6734233-1966_13_11.jpg
Digital In Arbeit

Aus düsterer Zeit

Werbung
Werbung
Werbung

DER PFRIMER-PUTSCH. Der steirische Heimwehrprozeß des Jahres 1931. Von Dr. Josef Hofmann. 20 Seiten, 86 S. — DIE ANLEIHE VON LAUSANNE. Ein Beitrag zur Geschichte der Ersten Republik in den Jahren 1931 bis 1934. Von Grete K1 i n genate i n. 200 Seiten, 5t S. Beide Stiasny-Verlag, Wien—Graz.

Das von Univ.-Prof. Dr. Ludwig Jedlicka geleitete Institut für Zeitgeschichte setzt seine Publikationen mit der Veröffentlichung der Arbeiten zweier Dissertanten fort. Der Blick geht zurück in die Krisenjahre der Ersten Republik. Der als „Pfri- mer-Putsch” in die Geschichte eingegangene Versuch radikaler Kreise der Steirischen Heimwehr, im September 1931, zur „direkten Aktion” zu schreiten, die parlamentarische Verfassung zu beseitigen und den Judenburger Rechtsanwalt Dr. Walter Pfrimer als „Staatsführer” einzusetzen, war eine Episode. Sie ist heute so gut wie vergessen. Mehr noch. Schon damals distanzierten sich alle verantwortungsbewußten Kräfte, die es auch — das sei nicht vergessen — innerhalb der Heimwehrbewegung gegeben hat, von diesem Unternehmen. Keiner der übrigens durch den Verfasser mustergültig und in sehr übersichtlicher Form befragten „Tatzeugen” verurteilt noch heute in so scharfen Worten die ganze Aktion wie Graf Peter Revertera, eine markante Persönlichkeit der Heimwehrbewegung jener Jahre. Was in der vorliegenden Arbeit vielleicht zu kurz kommt, ist die nach und durch den Pfrimer- Putsch einsetzende klare Scheidung zwischen den patriotisch-österreichischen Kräften und den radikalen deutschnationalen Eieimenten innerhalb der Heimwehrbewegung.

Der Weg der einen führt zum bewaffneten Widerstand gegen den Nationalsozialismus, zu Haft und nicht selten auch zum Opfer des eigenen Lebens (Steidle), der Weg der anderen führt auf kurzem Umweg zur SS und nicht selten zur Beteiligung an der Gewaltherrschaft und Vemiohtungspolitik des nationalsozialistischen Deutschen Reiches (Pfrimers Stabschef Rauter wurde enger Mitarbeiter Seyß-Inquarts in Holland und später als Kriegsverbrecher hingerichtet). Das alles ist heute Vergangenheit. Nicht Vergangenheit aber ist die Problematik der Geschworenengerichte, die sich schon 1931 deutlich zeigte. Die massive psychologische Bearbeitung der Geschworenen in Graz 1931 erinnert mitunter frappierend an Begleiterscheinungen des fälschlich „Süd- tirol-Prozeß” genannten Verfahrens gegen die Sturmvögel eines neuen deutschen Nationalismus in Graz über drei Jahrzehnte später. Die Lehren der Geschichte scheinen in Vergessenheit zu geraten.

Sprachlich und stilistisch ein wenig unbeholfener, aber durch die Vorlage des Materials möglicherweise noch wertvoller ist die Arbeit von Grete Klingenstein. „Der Kampf um die Anleihe von Lausanne” war eine Schicksalsstunde Österreichs. Damals nämlich wurde das Trauma der Ersten Republik, nicht lebensfähig zu sein, zu Grabe getragen und dem Staat wider Willen” der Abschied gegeben. „Österreich erwache!” Das war die neue Parole, die niemand anderer als die von dem späteren Gründer der „Furche” redigierte „Reichspost” ausgab. Der deutsche Nationalismus aller Richtungen und Schattierungen wußte, um was es ging. So wie in der Gegenwart seine Nachfahren Nachhutgefechte der Geschichte liefern, indem sie das seither durch viele schmerzliche Erfahrungen mächtig sich entfaltende nationale österreichische Bekenntnis hektisch befehden, so liefen seine damals noch viel mächtigeren Kolonnen Sturm gegen jenen Vertrag, da mit der Gewährung der Anleihe der Verzicht auf die Anschlußpolitik verbunden war. Die Vertreter jenęr Richtung wußten nur zu gut, was schon bereits nach der Genfer Anleihe einer ihrer Sprecher treffend formuliert hatte: „Deutschösterreich wollte zu Deutschland, weil es sonst nicht leben konnte; nun, man gibt ihm zu leben, dann ist es geschehen … Das Ende des deutschen Österreich ist gekommen.” („Volkswirt”, 10. Oktober 1922.)

Die Österreicher begannen sich 1933 auf die Wurzeln ihrer Existenz zu besinnen. Der Nationalsozialismus und das Dritte Reich glaubten diesen Prozeß aufhalten und ungeschehen machen zu können. Sie wurden aber gerade durch das psychologische Mißlingen des „Anschlusses” zu seinen kräftigsten Förderern.

Nichts geht ohne Tragik in der Geschichte. Die mit einer Stimme Mehrheit von der Regierung gewonnene „Sommerschlacht” um Lausanne, bei der die Sozialdemokratie damals zum Teil aus parteiegoistischen Gründen, zum andern unter den Nachwirkungen einer gewissen schwarzrotgoldenen 1848er-Ideolo- gie gegen die Regierung opponierte, war der große Schock für den jungen Kanzler Dollfuß. Er, der ursprünglich als Bauerndemokrat angetreten war, begann immer mehr an dem Parlamentarismus, wie er sich damals in Österreich präsentierte, innerlich zu verzweifeln.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung