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AUS ÖSTERREICHS OSTEN

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Es wird viel zuwenig beachtet, daß es nicht nur eine deutschsprachige Literatur in Österreich gibt, sondern daß euch Österreicher slowenischer und koratischer Muttersprache literarisch tätig sind und so vor unseren Augen eine nicht minder „österreichische“ Literatur in diesen Sprachen schaffen. Während noch die slowenisch schreibenden Autoren Südkärntens gelegentlich zu Wort kommen (siehe zum Beispiel „Die Furche“ 30/1966), wirken die Dichter und Schriftsteller der Burgenländer Kroaten unverdienterweise unter Ausschluß der deutssprachigen Öffentlichkeit Österreichs. Unverdienterweise vor allem deshalb, weil es sich bei dieser Literatur .nicht um einen zufällig in Österreich bestehenden Fremdkörper handelt; sie. ist vielmehr als Ganzes ein bewußtes, ja manchmal leidenschaftliches Bekenntnis zu Österreich, welches in zahlreichen Werken der älteren und jüngeren Generation laufend zum Ausdruck kommt. Die kroatisch sprechenden Burgenländer, die seit Jahrhunderten schon den direkten Kontakt mit der Kultur der alten Heimat im Süden verloren haben, suchen und finden die Grundlagen ihres geistigen Lebens in ihrer neuen Heimat: Österreich. Da es im Burgenland niemals ernste Volkstumskämpfe gegeben hat und die verschiedenen Volksgruppen ohne forcierte Entnationalisierungsbestrebungen friedlich Zusammenleben, entbehrt diese Literatur auch der Schärfe und Bitterkeit, die andernorts zuweilen auftritt. Während der Burgenländer Kroate mit Recht stolz auf seine Abkunft ist und in seinen Werken für die Erhaltung der ererbten Art eintritt, so gilt sein Engagement doch in erster Linie nicht dem Kampf gegen Überfremdung; sein Lied ist kein Schlachtruf, sondern vor allem Ausdruck seiner Liebe zur engeren Heimat, dem Burgenland, aber auch darüber hinaus zu Österreich.

Die österreichische Literatur kroatischer Sprache unterscheidet sich im übrigen nicht nur dem Geiste nach, sondern auch in der Sprache von der Literatur Kroatiens. Im Laufe der Jahrhunderte wurde nämlich in unserem Raum — ob zum Vorteil oder Nachteil der Burgenländer Kroaten, sei dahingestellt — eine eigene burgenländisch-kroatische Schriftsprache entwickelt, derer sich heute alle kroatisch schreibenden Autoren des Burgenlandes bedienen. — Als kleiner Beitrag zur besseren Kenntnis dieser Literatur ist der Hinweis auf einen ihrer besten Vertreter gedacht, auf den heuer 40jährigen Burgenländer kroatischer Muttersprache, Anton Leopold.

Anton Leopold wurde hart an der ungarischen Grenze in der kleinen burgenländischen Gemeinde Frankenau, Bezirk Oberpullendorf, am 13. Juni 1928 geboren. Die Tatsache, daß Leopold gerade dort geboren wurde, ist deswegen interessant, weil Frankenau trotz seiner Kleinheit für die burgenländischen Kroaten fast die Rolle einer literarischen Hochburg spielt: Hier wurde vor allem der Begründer der modernen kroatischen Dichtung dieses Raumes, Mate Miloradič, geboren, desssen Büste das einzige Werk Ivan Mstroviü’ in Österreich ist; hier erblickte ein weiterer Dichter und Dramatiker, Augustin Blazovjč, das Licht der Welt; hier wirkt, auch schließlich der in Klein-Warasdorf geborene Geistliche Rat Ignac Horvat, der anläßlich seines 70. Geburtstages im Jahre 1965 durch die Herausgabe gesammelter Erzählungen geehrt wurde. Die Eltern von Anton Leopold sind Landwirte und hatten neben ihm noch für fünf weitere Kinder zu sorgen. Es wundert uns daher nicht, wenn Anton Leopold nur die achtklassige Volksschule seines Heimatdorfes besuchen konnte und nach Abschluß seiner Schulbildung in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeiten mußte. Es zog ihn jedoch — wie so viele Burgenländer — nach Wien, wo er zuerst als Hilfsarbeiter im Baugewerbe und dann als Metallarbeiter tätig war. Seit 1958 arbeitet Anton Leopold als

Angestellter des öffentlichen Dienstes in Wien; seit dieser Zeit ist er auch verheiratet und Vater zweier Kinder.

Anton Leopold ist seit 1945 schriftstellerisch tätig und hat seither zahlreiche Gedichte, aber auch Kurzgeschichten, Erzählungen und Novellen in kroatischer Sprache geschrieben. Seine Arbeiten wurden in den Zeitschriften und Kalendern der Burgenländer Kroaten zur Veröffentlichung gebracht und fanden gleich Zugang zu den Lesern. Im Jahre 1954 brachte er einen Band seiner Gedichte unter dem Titel „Cviječe iz Gradišéa“ (Blumen aus dem Burgenland), 88 Selten stark, in einer Auflage von 1500 Stück im Selbstverlag heraus. Das Buch erwies sich als großer Erfolg und ist heute auch für Geld und gute Worte nicht mehr zu bekommen. In seinem Vorwort schreibt Leopold unter anderem: „... Diese Gedichte sind Blumen, die ich im herrlichen Garten der Heimat gepflückt habe... als Gabe für mein geliebtes Burgenland und sein kroatisches Volk...“

Leopolds Gedichte sind meist lyrisch und volksliedhaft im Ton. Sie besingen die Heimat, ihre Natur und das Leben des burgenländisch-kroatischen Volkes. Die poetische Form seiner Gedichte, ihre Ausdruckskraft, aber auch ihre Schwäche sind durch das Volksliedhafte gekennzeichnet, worüber wir uns jedoch nicht wundern dürfen, wenn wir bedenken, daß Leopold — vielleicht nicht gewollt, aber notgedrungen — für einen bäuerlichen Leserkreis schreibt. Er übt seine literarische Tätigkeit als Liebhaberei nur in seiner Freizeit aus. Daß dieses „Hobby“ aber auch anderen Freude bringt und sogar öffentliche Anerkennung fand, beweist die Tatsache, daß er bereits einen Literaturpreis des „Burgenländischen Volksbiildungswerkes“ und einen weiteren des „Kroatischen Kulturvereins“, Eisenstadt, erhielt. Im Jahre 1967 gab der Kroatische Presseverein im Burgenland eine von Anton Leopold für die kroatische Schuljugend zusammengestellte Anthologie mit dem Titel „Graišéanski Hrvatski Gaj“ (Burgenländisch-kroatischer Hain) heraus, welche auch zahlreiche Gedichte von ihm selbst enthält. Das äußerst geschmackvoll gedruckte, 140 Selten starke Buch gibt einen schönen Querschnitt durch das dichterische Schaffen der Burgenländer Kroaten. Anton Leopold läßt es jedoch nicht bei dem Erreichten bewenden, sondern beabsichtigt in absehbarer Zeit die Herausgabe eines weiteren Gedichtbandes „Pod gradišéanskim nebom“ („Unter dem burgenländischen Himmel“).

Die Verfasser, der Kulturverein, ja auch die burgenländische Landesregierung bringen manches Opfer für die Förderung der kroatischen Literatur. Ein wesentlicher Schritt nach vorne wäre es, wenn österreichische Dichter und Schriftsteller sich dieses Elementes unserer heimischen Kultur besännen und durch gelungene Übersetzungen zur Verbreitung dieser Literatur im deutschsprachigen Raum beitragen würden. Mögen die kleinen Proben aus dem Schaffen Anton Leopolds in der Übersetzung des Verfassers eine Anregung hierzu sein. Aber auch in ihrem ureigensten Bereich könnte die Breitenwirkung der kroatischen Literatur erhöht werden, und zwar durch

• Aufnahme von kroatischen Sendungen im Regionalprogramm des österreichischen Rundfunks (ähnlich den slowenischen Sendungen) und

• Errichtung einer höheren Schule mit kroatischer Unterrichtssprache (ähnlich dem slowenischen Gymnasium in Klagenfurt) mit dem Ziel der Schaffung einer österreichischkroatischen Intelligenz, die als Interessent für diese Literatur am ehesten in Frage käme und sie ihrerseits wieder bereichern würde. Kulturelle Vielfalt ist ein kostbares Gut, das es zu erhalten und pflegen gilt.

Photo A. Buhtz aus dem Bildband „Das Burgenland“, mit einem Geleitwort von Dr. Otto Guglia. Pinguin-Verlag, Tirol — Umschau-Verlag Frank- furt/Main.

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