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Barbara Coudenhove-Kalergi. "Qualifikation statt Quoten"

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Barbara Coudenhove-Kalergi, „Frau des Jahres” 1990, über Pensionsschock, Prag und das Frauenvolksbegehren.

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Barbara Coudenhove-Kalergi, „Frau des Jahres” 1990, über Pensionsschock, Prag und das Frauenvolksbegehren.

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DIE FURCHE: Frau Coudenhove-Kalergi, kann eine Vollblut-Journalistin wie Sie je „halbaktiv” werden?
Barbara Coudenhove-Kalergi:
Ich bin als Jahrgang 1932 - für österreichische Verhältnisse - spät in Pension gegangen. Nach wie vor habe ich einen Werkvertrag mit dem ORF, der mich aber nur für zwei Tagen pro Woche verpflichtet. Das ist schon eine sehr große Reduktion meines gewohnten Arbeitspensums. Daneben schreibe ich für Zeitungen und moderiere Diskussionen. Ein großer Freundeskreis, Patenkinder, viele Nichten und Neffen geben mir das Gefühl, ausgelastet zu sein.

DIE FURCHE: Also kein Pensionsschock?
Coudenhove-Kalergi:
Ehrlich gesagt, ich hatte vor der Pensionierung ein mulmiges Gefühl. Heute bin ich aber so weit sagen zu können, daß ich es herrlich finde, in Pension zu sein. Ich kann es nur jedem empfehlen.

DIE FURCHE: 1945 mußten Sie mit Ihrer Familie Prag als Flüchtling verlassen Wie stehen Sie heute zur Vertreibung von mehr als drei Millionen Deutschen aus der damaligen Tschechoslowakei?
Coudenhove-Kalergi:
Mein Vater hat einmal gemeint: „Die Geschichte hat uns ins Land gebracht, die Geschichte spült uns wieder hinaus.” Ich empfinde weder Haß noch Verbitterung diesem Schicksal gegenüber. Die im Dezember 1996 unterzeichnete Versöhnungserklärung zwischen der deutschen Bundesrepublik und Tschechien halte ich für einen guten Kompromiß.

Nach einem Krieg, in dem im deutschen Namen halb Europa in Schutt und Asche gelegt worden ist, kann man heute nicht sagen: „Ich möchte meinen Schrebergarten genauso zurückbekommen wie er einmal war.” Dazu haben alle Beteiligten meiner Meinung nach „zu viel Dreck am Stecken”.

DIE FURCHE: Sie sind später wieder nach Prag zurückgekehrt...
Coudenhove-Kalergi
: 1990 habe ich die Leitung des OBF-Büros in Prag übernommen, und bin bis 1994 dort geblieben. Das Leben in dieser von mir so heißgeliebten Stadt war für mich schön und schmerzlich zugleich. Endlich konnte ich jeden Stein meiner Stadt richtig kennenlernen, und durch zahllose Gespräche mit Bekannten und Freunden erfahren, wie unterschiedlich jeder von uns die gleiche Geschichte damals erlebt hat. Das hat mich vieles anders sehen und verstehen gelehrt. Heute ist Prag für mich ein - wenn auch schmerzlich -abgeschlossenes Kapitel.

DIE FURCHE: Der frühere Dissident und Staatspräsident Vaclav Havel gehört zu Ihrem Freundeskreis?
Coudenhove-Kalergi:
Er gehört zu jenen Menschen, die ich tief bewundere. Ich habe eine Liste von „heimlichen Heiligen”, auf der auch sein Name steht. Ich meine, daß er auf seine Art zu den „Großen” der Menschen zählt, und das nicht nur in politischer Hinsicht. Ein ehemaliger Mithäftling Havels sagte einmal: „So wie Havel sich gegenüber seinen Mitgefangenen verhielt - die meisten waren Kriminelle - das allein hätte schon als Lebenswerk genügt.”

DIE FURCHE: Haben politische Aufgaben Sie nie interessiert?
Coudenhove-Kalergi: Nein, dafür wäre ich gänzlich ungeeignet. Ich hätte auch nie gewußt, welcher Partei ich mich zur Verfügung stellen sollte, denn ich bin eine Wechselwählerin.

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