7128992-1997_17_08.jpg
Digital In Arbeit

Begegnung trotz offener Wunden

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Drittel der Kosten für die Zweite Ökumenische Versammlung in Graz hofften die Veranstalter aus Brüssel zu erhalten. Leider vergeblich: Nicht einmal 800.000 Schilling ist der EU die Unterstützung der wichtigsten Veranstaltung zur Völkerverständigung des Jahres wert. So muß die Differenz auf neun Millionen Schilling anderweitig aufgetrieben werden. Bund und Land Steiermark erfüllen hingegen die Erwartungen: Die ihnen zugedachten Anteile von ebenfalls je einem Drittel der Kosten werden geleistet. Nicht zuletzt deswegen werden auch politische Repräsentanten der Großveranstaltung zusätzliches Gewicht verleihen: Thomas Klestil kommt zur Eröffnung, Viktor Klima besucht wahrscheinlich den Schlußgottesdienst.

Woher die Kosten? Unter anderem geht es darum, Menschen zusammenzubringen. Im Gegensatz zur Vorgängerveranstaltung 1989 in Basel zeigt sich Europa stark verändert: Konnten damals Christen aus sozialistischen Ländern nur eingeschränkt teilnehmen, so will Graz '97 ganz Europa widerspiegeln. Die Unterschiede der finanziellen Möglichkeiten sollen aber kein Hindernis sein; die Organisatoren bieten Interessenten aus den Be-formländern an, bis zu 95 Prozent der Kosten aus einem „Solidaritätstopf" zu bezahlen. Fünf Millionen Schilling sind allein dafür notwendig, berichtete Graz-'97-Organisator Herbert Beiglböck bei einem Journalistengespräch. Die katholische Kirche Österreichs wird dazu eine eigene Sammlung durchführen.

Ost prallt auf West

Mit sechs- bis achttausend Teilnehmern aus dem Ausland rechnen die Veranstalter - die Hälfte davon aus den Reformstaaten. Interessant der Vergleich mit den Aktivisten: Von den 300 Gruppen und Initiativen, die sich mit Hearings und Workshops angesagt haben - und die wesentlich zum bunten Bild von Graz 1997 beitragen werden kommen nur zehn Prozent aus dem Osten. Beiglböck führt dies auf die fehlende Tradition in den ehemals sozialistischen Gesellschaften zurück, sich in Gruppen und Aktionen zu artikulieren. Die Begegnung mit dieser „westlichen" Form des Engagements werde ein wesentlicher gemeinsamer Lernprozeß sein.

„Voneinander lernen" ist eine der Grundlagen der Ökumenischen Versammlung. Der evangelische Oberkirchenrat, Johannes Dantine, wies im Gespräch darauf hin, daß Menschen aus allen Teilen Europas mit der Spannung unterschiedlicher Traditionen und Sichtweisen leben lernen müssen: „Konservativ" und „progressiv" - zwei Schlagworte dafür -scheinen schon in der Vorbereitung aufeinandergeprallt zu sein. „Versöhnung", das Thema der Tage im Juni, erhält auf diese Weise neue Brisanz.

Der griechisch-orthodoxe Metropolit, Michail Staikos, auch Vorsitzender des Ökumenischen Bates der Kirchen in Österreich, konkretisiert diesen Anspruch: Graz sei „neutraler Boden", auf dem beispielsweise kroatische Katholiken und serbische Orthodoxe einander begegnen könnten. Schon daher ist die politische Dimension vorgegeben. Graz soll laut Staikos ein Ort sein, auf dem offen geredet wird. Seine Konfession nimmt er nicht aus: Es muß auch das Gespräch über die Orthodoxie und den Stellenwert der nationalen Identität (die man oft als „Nationalismus" bezeichne) geben. Entsprechenden Fragen haben sich auch die anderen Kirchen zu stellen. „Graz ist ein ernsthafter Versuch, das geistige Grundwasser Europas zu verbessern", formuliert der katholische Hausherr, Bischof Johann Weber.

Eucharistie trennt

Sind die Kirchen aber glaubwürdig? Getrennte Konfessionen, die eifersüchtig auf das Eigene pochen, wollen Versöhnung predigen? Graz soll das nicht verwischen und doch Akzent dagegen sein. Protestant Dantine ortet sogar „Apartheid": um den Tisch des Herrn versammeln sich die Kirchen nicht gemeinsam. Ein großer Schmerz, nicht nur für Dantine. Er hat daher vorgeschlagen, während der Versammlung auf alle Abendmahls- und Eucharistiefeiern zu verzichten, um die tiefe Wunde nicht zu beschönigen.

Er ist damit nicht durchgedrungen - ebensowenig wie sein katholischer Theologenkollege Philipp Harnon-court, der auch in seiner Kirche ein „eucharistisches Fasten" in diesem Sinn durchsetzen wollte. Stattdessen tun die Kirchen so, wie sie eben sind: am Sonntag, 29. Juni, dem Abschlußtag, werden die Konfessionen getrennt eigene Gottesdienste und Eucharistiefeiern abhalten. Dann kommen sie erst zum Schlußgottesdienst zusammen.

Die burgenländische Superintendentin, Gertraud Knoll, hingegen zeigt sich zunächst sehr skeptisch sogenannten „Megaereignissen" - auch Graz - gegenüber. Andererseits ist „Versöhnung" der Arbeitsauftrag für die Christen; deswegen fährt sie doch hin. Bei der gleichen Veranstaltung äußerte sich auch Kardinal König: Er kommt nach Graz, weil es um ein ökumenisches Ereignis geht. Ökumene ist für den großen Mann der Kirche nicht nur auf oberster Ebene wichtig. Im Öffentlichmachen des Anliegens liegt die Perspektive. Die Skepsis seiner Gesprächspartnerin teilte der Kardinal nicht ganz - ohne falsche Hoffnungen zu wecken. Denn ökumenische Enttäuschung ist auch nicht das Ziel von Graz.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung