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Begleitmusik für den Kreml
Will Ägypten einen vierten Nahostkrieg? Am Suedkanal scheint er schon begonnen zu haben. Artiiillerde-duettle, Luftschlachten und Stoß-truppausfällle gegen die hinter dem Oetufer gelegenen feindlichen Linien eerstörten den vor zwei Jahren vereinbarten Waffenstillstand. Auch an den Demarkationslinien im Jordantal und auf den Golanhöhen verdichten sich die ZwiscbendJälle. Kairo ist ein riesiges Heerlager. Aus der westlichen Wüste, den Militär-depots südlich der Pyramiden von Gisa, rollen pausenlos Armeetrans-portkolonnen über die Nülibrücken in die östüichen Vororte Heliopolis und AWbasia. Sie befördern Soldaten, Munition und leichte Waffen, offenbar planmäßig, von einer in die andere Kaserne, und keineswegs etwa int vorbereitete Kampfstellungen. Schwere Panzer rumpeln demon-etratiiv durch die verstopften Innenstadtstraßen. Seit einer Woche läuft eine mindestens teilweise Reservi-etenetalberuifung. In der Öffentlichkeit verringerte sich daraufhin bereits drastisch die Zahn müßiggehender Junger Leute. Die gesundheitlich geeigneten und militärisch vorgebildeten von Ihnen werden systematisch erfaßt. Die Nationaflgardi-sten, denen der halbmilitärische Ordniungs- und Sicherheitsdienst abliegt, erhielten zum erstenmal Charte Munition. Bisher verfügten ei* lediglich über unigeladene Gewehre oder Platzpatronen.
Revirements der Luftwaffe
In der ägyptischen Hauptstadt glau-
ben gewöhnlich gut informierte diplomatische Kreise dennoch nicht an einen unmitteUbar bevorstehenden Kriegsausbruch. Die Provokationen an der Kanailfront ließen eher darauf schließen, daß die Regierung unter zunehmendem Druck der demoralisierten Streitkräfte und ihr feindlich gesinnter politischer Gruppen stehe. Die militärische Scheinaktivität sei also nur eine inner-politische Abwehrmaßnahime. Ägypten ist noch keineswegs kriegsbereit. Das beweisen vor allem die Vorgänge in der Luftwaffe. Bekanntlich waren die Generalmajore Mustafa Schalabi el-Henaui, der bisherige Luftwaffenbetehlshaiber, und Hassan Kamii, der bisherige Luft-verteidigungschef, überraschend entlassen worden. Beide hatten ihre Kommandosteillen erst nach dem Sechstagekrieg erhalten. Vorausgegangen waren der Rücktritt des Rüsbungsministers Abdel Wachab el-Bischri und eine umfassende Säulbenurugsweiläe in der staatlichen Zivilfluggesellschaft „United Arab Airlines“ (UAA). Inzwischen zwangs-pensionderte man eine unbekannte Anzahl von Luiftwaffenofftzieren. Es kam jedoch anscheinend nicht zu Verhaftungen.
In Kairo verdichteten sich infolgedessen die schon früher gemeldeten Gerüchte über einen fehlgeschlagenen Luftwaffenputsch. Di Regdime-gegner in der gegenwärtig wichtigsten ägyptischen Waffengattung sind jedoch auch jetzt noch so mächtig, daß ihnen außer der Entlassung nichts welter passierte.
Ostreise im August
Aualändische Beobachter seihen Zusammenhänge zwischen der Ge-fechtstätiigkeit am Suezkanal, der DDR-Anerkenniung und der für Anfang August geplanten Reise Abdel Nassers in die Sowjetunion und nach Osteuropa. Der Kreml, der die strategischen und politischen Risken eines neuen Nahostfcrieges richtiger einschätze als sein Nilsatrap, zögere in letzter Zeit mit der militärischen Unterstützung Ägyptens. Ohne sie müsse Abdel Nasser aber nicht nur in einem etwaigen weiteren Waffen-gang mit Israel unterliegen, sondern ohne sie betrachte er vor allem seine innerpolitische Machtstellung als gefährdet. Deshalb habe er sich einerseits endlich langem sowjetischen Druck gebeugt und die DDR anerkannt, versuche alber anderseits selbst Druck auszuüben, indem er eine wachsende Zuspitzung der Lage am Suezkanal provoziere und die Nerven der Israeli strapaziere. Das ist zweifellos nur so lange verhältnismäßig ungefährlich, wie man in Israel diese Motive versteht und auf die ägyptischen Ausfälle lediglich mit begrenzten Gegenschlägen reagiert. Verlöre der Gegner jedoch die Geduld, bestünde erneut die Gefahr eines „großen“ Krieges. Auch in ihm erlitte, darin sind sich alle Militärexperten einig, Abdel Nasser eine Niederlage von noch kaum übersehbaren Konsequenzen. „Doch überzeugen Sie von diesem Risiko einmal einen besessenen Spieler!“ konstatierte resigniert ein sowjetischer Diplomat am Nil.
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