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„Bei der FPÖ hängt's davon ab, wieviel man bietet..

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Einen Tag vor dem Einzug des Innenministers a. D. und ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten in eine Zelle des Wiener Landesgerichtes empfing Franz Olah „Furche“-Redaktions-mitglied Hellmut Butterweck: Ein eher besinnlich gestimmter, aber gefaßter Olah, weist jeden Gedanken an ein — „höheren Orts“ sicher hochwillkommenes — Gnadengesuch ab und gedenkt alles zur Wahrung seines Gesichtes als Politiker und „grader Michel“ zu tun, rechnet aber mit der bei guter Führung üblichen vorzeitigen Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Kerkerstrafe. Zu guter Führung ist er ebenso fest entschlossen wie dazu, keinerlei Extrabehandlung für sich zu beanspruchen.

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Einen Tag vor dem Einzug des Innenministers a. D. und ehemaligen Gewerkschaftspräsidenten in eine Zelle des Wiener Landesgerichtes empfing Franz Olah „Furche“-Redaktions-mitglied Hellmut Butterweck: Ein eher besinnlich gestimmter, aber gefaßter Olah, weist jeden Gedanken an ein — „höheren Orts“ sicher hochwillkommenes — Gnadengesuch ab und gedenkt alles zur Wahrung seines Gesichtes als Politiker und „grader Michel“ zu tun, rechnet aber mit der bei guter Führung üblichen vorzeitigen Haftentlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Kerkerstrafe. Zu guter Führung ist er ebenso fest entschlossen wie dazu, keinerlei Extrabehandlung für sich zu beanspruchen.

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FURCHE: Man hat Ihnen goldene Brücken in die Schweiz gebaut? OLAH: Es war eine nicht geringe Zahl von Personen, die mit mir über diese Sache gesprochen und gute Ratschläge gegeben haben. Ich brauchte nur zu einem Arzt zu gehen, würde ohnehin haftunfähig sein, sieben Jahre KZ, da trüge man schon das eine oder andere davon... Wenn ich mich verpflichtet hätte, drei oder vier Jahre, besser vier, in die Schweiz zu gehen, dann wäre eine Begnadigung auch das Höchstwahrscheinlichste ...

FURCHE: Würden Sie Namen nennen?

OLAH: Nein, das waren ja nur Mittelsleute.

FURCHE: Wessen Mittelsleute? OLAH: Nun, vermutlich von denen, die zuerst dafür gesorgt haben, daß ich verurteilt werde. Wahrscheinlich hoffte man, damit um das Unangenehme herumzukommen, mich einzusperren. Ich wäre dann erledigt. FURCHE: Was ist das Unangenehme am Fall Olah? OLAH: Daß jene Leute sehen müssen, daß die Vernichtung meiner Person, das Ausradieren in der öffentlichen Meinung, noch immer nicht gelungen ist. Daß das nur zum Teil gelungen ist. FURCHE: Wie beurteilen Sie die Chancen eines österreichischen Politikers, der zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde? OLAH: Schwerer Kerker mit vierteljährlich einem Fasttag. Der Fasttag macht mir die geringsten Kopfzerbrechen, das Hungern bin ich mein Lebtag gewohnt. Ich glaube, es kommt auf die Umstände an, unter denen er eine solche Strafe bekommt. FURCHE: Werden Sie nach ihrer Haftentlassung wieder kandidieren?

OLAH: Sobald ich kann — und wenn ich glaube, daß das von einem Teil der Staatsbürger gewünscht wird. Ich muß aber nicht unbedingt kandidieren. Man kann auch ohne Titel, ohne Amt, politisch tätig sein.

FURCHE: Viele Menschen sind der Ansicht, daß auch andere vor Gericht stehen hätten müssen. OLAH: Sicher. Zum Beispiel alle, die dort gegen mich ausgesagt haben, hätten vor Gericht gehört, denn zum größten Teil haben sie falsch ausgesagt. FURCHE: Wer zum Beispiel? OLAH: Alle, der Reihe nach. Sie können sie alle nennen, der Reihe nach.

FURCHE: Nehmen Sie niemanden aus?

OLAH: Ganz kleine Leute. FURCHE: Abgesehen von den kleinen Leuten... OLAH: Keiner auszunehmen, nein, kein einziger. Im Gegenteil. Auch alle, die nicht geladen waren oder im Zivilprozeß ausgesagt haben, haben mit wenigen Ausnahmen falsch ausgesagt. Im Strafprozeß alle. Von den Größen alle. Wissen Sie, wer nicht falsch ausgesagt hat? Pittermann und Gratz. Gr atz hat zum Teil, Pittermann ganz abgelehnt, über die Dinge auszusagen — sie haben die Aussage verweigert. Die anderen haben kaltblütig ausgesagt, was sie gegen mich aussagen sollten.

FURCHE: Wenn dieser Vorwurf fällt, denkt man natürlich auch an die ,JKronenzeitung“-Herausgeber Falk und Dichand, die ja keine „kleinen Leute“ sind. OLAH: Warum sollten die falsch aussagen?

FURCHE: Sie gehörten zu den „großen Leuten“, die ausgesagt haben. Also nehmen Sie Falk und Dichand auch aus? OLAH: Ja, die nehme ich auch aus. Ja. Die nehm' ich aus. (Pause) Ich meine, die Dinge, die ich nicht gekannt habe oder kenne — das ist eine andere Sache, nicht? FURCHE: Glauben Sie, daß Sie in der ,J£ronenzeitung“ wieder Einfluß gewinnen könnten? OLAH: Niemand kann voraussagen, was die Zukunft bringt. FURCHE: Wie beurteilen Sie die innenpolitische Entwicklung in den nächsten Monaten? OLAH: Als unsicher und unbestimmbar. Und das ist es eigentlich, was es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben hat, Un-sicherheitsfaktoren sind doch etwas, was wir nicht brauchen können. Ich war für Auflockerung der Koalition, aber doch für Mehrheiten.

FURCHE: Aber eine klare Mehrheit hat der letzte Wahlentscheid nicht gebracht.

OLAH: Ich meine Mehrheitsregierungen. Ich war offen für eine gemeinsame Regierung einer großen und kleinen Partei, weil ich der Meinung bin, daß wir Bürgerkriegstrauma und Bürgerblocktrauma nur so überwinden können.

FURCHE: Glauben Sie, daß bei der letzten Regierungsbildung diese Chance drinnen war? OLAH: Wenn man gewollt hätte, hätte man eine Mehrheitsregierung durchaus bilden können. FURCHE: Aber die FPÖ hatte sich doch festgelegt? OLAH: Und was macht sie jetzt?

Was die FPÖ sagt, hat noch nie gestimmt, was sie macht, war meist das Gegenteil von dem, was sie gesagt hat. Bei der FPÖ hängt's nur davon ab, wieviel man ihr bietet, wer mehr bietet. Naja, solche Parteien muß es auch geben.

FURCHE: Woran ist Ihre Konstruktion, also die „kleine“ Koalition SPÖIFPÖ damals letzten Endes gescheitert? OLAH: An der Eifersucht, an der Rivalität. Um Gottes willen, wenn da eine kleine Koalition kommt, wird doch der wahrscheinlich der Kanzler sein, nicht? Man hat halt gesagt: Rechtzeitig weg mit ihm! FURCHE: Sie sollen einen enormen politischen Appeal auf Frauen ausüben: Dessen sind Sie sich ja sicher bewußt? OLAH: Ja. Ja, sicher.

FURCHE: Mit diesem Image würden sich Angriffe wohl nicht vertragen, aber für den als Staatsbürger beteiligten Zuschauer war es enttäuschend, daß in der Affäre Olah in punkto politische Korruption sehr viel weniger ans Tageslicht kam als herauskommen hätte können.

OLAH: Ich weiß nicht, ob es politische Korruption ist, wenn man halt Subventionen und Gelder verteilt, denn ich glaube, das geschieht überall und in allen Lagern ...

FURCHE: Daß man über Gelder Einfluß nimmt?

OLAH: Natürlich, natürlich. Man gibt eine große Wahlspende, damit dieser oder jener günstig plaziert wird...

FURCHE: Man' kauft eine Zeitung ...

OLAH: Man kauft eine Zeitung, man kauft Mandate, aber das ist nicht nur bei einer Partei so. FURCHE: In der „Kronen-Zei-tungs“-Causa haben Sie daran mitgewirkt, eine Zeitung, eine politische Potenz, zu kaufen? OLAH: Ja, gut, aber eigentlich nicht für eine Partei. FURCHE: Für den ÖGB? OLAH: Ah, nein, für den ÖGB war das nicht beabsichtigt. FURCHE: Für wen haben Sie sie gekauft?

OLAH: Nix, eine unabhängige Zeitung zu machen! FURCHE: Aber für wen? In wessen Hand sollte diese Zeitung sein?

OLAH: Nicht in der Hand irgendeiner großen Gruppe. Keiner Partei und keiner Organisation. FURCHE: Dann wäre sie in Ihrer Hand gewesen, nicht? OLAH: Na gut, sie wäre mir wahrscheinlich, also, nicht wahr, etwas sympathischer gegenübergestanden, weil ich immerhin mitgeholfen habe... Nun, das ist auch nicht verboten, nicht?

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